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Sabber weckt das Mädchen auf. Mit Ekel zieht sie ihre Nase kraus und öffnet langsam die Lider, erblickt gelbe Augen.

„Wie...wieso bist du hier?", fragt das Mädchen den Wolf, der besorgt ihr Gesicht ableckt.

„Ihh, hör auf. Ich bin wach."

Nachdem die Augen offen sind, bemerkt Märyn, dass sie neben Jan und Farith liegt. Wie kann das sein, vorausgesetzt dass sie ihre seltene Fähigkeit...?

Voller Wucht trifft sie die Erkenntnis, dass die Jungs ihretwegen am Boden sind und ihr Gedächtnis soweit ausradiert sein dürfte für einen ganzen Tag, wenn nicht das ganze Wochenende. Der Preis für sie ist aber kein Stück hilfreich gewesen.

„Scheiße, wie spät ist es?", ruft Märyn aus, springt dabei auf ihre Beine die sie leider nicht tragen wollen. Schmerzhaft fällt sie auf den Boden der Tatsachen zurück.

„Man, wie ich diese Fähigkeit hasse!"

Ihr Schimpfen schreckt das ruhige Tier auf, welches wachsam das Mädchen anblickt. Es kratzt mit der Tatze am Boden. Oberflächlich sieht die Aktion nach einer einfachen Tätigkeit eines Hundes aus, jedoch begreift Märyn etwas verzögert, dass er ihr die Uhrzeit mitteilen will. Drei, fünf, neun, ganze elf Kratzer macht er am Boden. Märyn geht es mit der Info sehr schlecht.

„Elf Uhr?", fragt sie sicherheitshalber noch einmal nach, doch als der Wolf nickt muss sie sich übergeben. Magensaft und sogar Blut kommen an die Oberfläche. Körperlich läuft es nicht gut für sie.

Kurzweiliger hebt das Tier die Pfote, allerdings ruht er mit der Stimme, bis sich Märyn beruhigt und beinahe in die eigene Kotze fällt. Wolfi stützt sie rechtzeitig, zieht sie auf die Knien und bewegt sich zu Arnim. Zwei hilflose Jugendliche müssen innerhalb einer Stunde zu einem versteckten Feld. Aussichtsloser geht es für das Leben von Arnim nicht.

Märyn fängt bei dem Jungen an zu weinen.

„Wie soll ich dich rechtzeitig zum Feld bringen, die Blume melken und diesen Vogel auffinden? In dem Zustand, den ich jetzt habe ist es unmöglich dich zu tragen geschweige denn hochzuheben."

Verzweifelt klammert das Mädchen sich an Arnim, schluchzt ab und an mal auf. Die Sache mit dem nahegelegenen Tod macht ihr zu schaffen, sie möchte am liebsten glauben, das sei ein dummer Traum der jeden Moment aufhört. Doch alles was geschieht ist echt.

Für das Tier wird es zu bunt. Es steht auf und knurrt für die Aufmerksamkeit der Verzweifelten.

„Warum knurrst du?"

Statt einer Antwort greift er ihr an den Ärmel ihres Pullovers, zieht sie weg von dem Jungen.

„Was ist los? Weshalb machst du das?"

Ratlos kniet Märyn vor dem Wolf, der aufheult und dann mehrere Artgenossen plötzlich auftauchen. Sie kommen näher und danach spielen sich unglaubhafte Sachen ab.

Zwei von den Tieren tragen eine Art Trage zu Märyn, die sofort die Hilfe begreift und diese neben Arnim ausbreitet. Durch einen Ruck liegt der Junge auf dem Stück Stoff, der dann von den Tieren im Eiltempo durch den Wald getragen wird. Wirklich Rennen können sie zwar nicht, aber dafür schleifen sie ihn nicht, sondern haben ihn über einen halben Meter über den Boden.

Ein Kommando vom leitenden Wolf und schon helfen mehr als drei Wölfe. Dieses Rudel ist anders als alle andere, die das Mädchen kennt. Es ist größer, besteht nicht nur aus einer Familie und Rangkämpfe gehören somit zum Leben. Anders und doch nach alter Gewohnheit, denn früher haben das Wolfsrudel genau so gelebt mit den Seelenblüter.

Früher.

Das Leben damals ist irgendwie besser gewesen, doch inzwischen überlegt sich Märyn, dass der jetzige Alltag bedingt durch eine Pflegefamilie und einen Freund wie Arnim seine Vorzüge hat. Trotzdem vermisst sie die anderen Seelenblüter, insbesondere ihre Eltern.

SeelenblüterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt