Komplett planlos stand ich nun seit geschlagenen dreißig Minuten vor meinem Kleiderschrank und überlegte, was ich bloß anziehen sollte. Wieso hatte ich mich darauf aber auch eingelassen? Das war keine gute Idee gewesen. Ganz und gar nicht! Ich kannte diesen Kerl doch auch überhaupt gar nicht! Was wenn er irgendein Verrückter war? Wie so einer aus diesen ganzen gruseligen Geschichten, in denen sich ahnungslose Frauen mit Männern aus dem Internet verabredeten und dann tot in einer dunklen Seitengasse endeten.
Benedict hatte mir zwar gesagt, dass er spontan beruflich hier war, aber so ganz war mir immer noch nicht ersichtlich, wieso er mir das überhaupt mitgeteilt hatte. Okay, wir verstanden uns gut und die vielen Nachrichten die wir austauschten gehörten jetzt seit einigen Wochen mehr oder weniger zu meinem Alltag, aber ich hatte nie den Eindruck gehabt, dass dieser Benedict mich tatsächlich persönlich irgendwann mal kennenlernen wollte. Schließlich hatte er bisher ja auch nie nach so etwas wie einem Telefonat gefragt. Wenn wir wenigstens schon telefoniert hätten, wäre ich in dieser unangenehmen Situation vielleicht nicht mehr ganz so nervös. Ich kannte weder seine Stimme, noch seine Optik. Was wenn er in Natura ganz anders war?
Mit fast schon zittrigen Fingern holte ich mein Handy hervor und überlegte, ob ich ihm nicht doch noch absagen sollte, da sah ich, dass er mir vor wenigen Minuten noch eine Nachricht geschrieben hatte.
La Taverna, 20 Uhr, reserviert auf Carlton.
Ich freue mich sehr dich persönlich kennenzulernen, Mel.Mist, er hatte sogar einen Tisch reserviert! Dieser Mann gab sich echt Mühe. Es wäre herzlos ihn doch noch zu versetzen, außerdem war er bestimmt nicht lange in der Stadt... Also schön, ich würde hingehen. Hoffentlich würde ich das nicht noch bereuen. Vielleicht würde es ja ganz nett werden und selbst wenn nicht: Er war bald wieder zurück in seiner Heimat, was bedeutete, dass ich ihn im schlimmsten Fall nicht mehr wiedersehen musste und den Kontakt abbrechen konnte. Ich hoffte allerdings innständig, dass Benedict genauso liebenswert war, wie bereits aus den ganzen Texten ersichtlich. Es würde schon nichts schiefgehen und außerdem war es ja einfach nur ein ganz banales Treffen unter Bekannten – irgendwie zumindest.
Als ich dann endlich fertig in meinem Wagen saß und die Adresse in mein Navi eingegeben hatte, begann mein Herz erst so richtig zu rasen. Normalerweise war kein Mensch, der wegen jeder Kleinigkeit gleich so nervös wurde, aber das hier war auch keine kleine Sache, zumindest meiner Meinung nach nicht. Im Endeffekt hatte ich mir jetzt auch nichts Anderes als sonst angezogen. Ich hatte es ja richtig erkannt: Es war kein Date, einfach nur ein normales alltägliches Treffen.
Die Fahrt zu dem Restaurant dauerte nicht lange – sehr zu meinem Missfallen. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr wäre ich gerne wieder umgedreht, so sehr ich mir auch immer wieder sagte, dass echt nichts dabei war. Nachdem ich nur wenige Meter vom Restaurant entfernt geparkt hatte, schulterte ich meine Handtasche und schloss meinen hellgrauen Mantel. Es war wirklich eisig. Um mich herum war es ruhig und nur wenige Menschen begegneten mir, als ich mit meinen niedrigen Absätzen über das Kopfsteinpflaster eilte und dabei mehrere Male fast in den großen Lücken steckengeblieben wäre.
Endlich schien mir die Leuchtreklame des Restaurants La Taverna entgegen und ich kam kurz zum Stehen. Der Eingang führte eine Treppe runter, demnach schien der Italiener in einem Keller zu liegen. Beim Eintreten schlug mir sofort eine warme Wand ins Gesicht und ich vernahm angeregte Gesprächsfetzen und Gelächter. Selbst vom Eingang aus sah ich schon einen riesigen Pizzaofen an der Seite des Restaurants, an dem sich gerade zwei Bäcker ans Werk machten. Das Lokal war mit niedrigen Torbögen gesäumt und an den Wänden mit gräulich, antik wirkenden Steinen verkleidet. Alles wirkte richtig gemütlich und einladend und die Atmosphäre familiär und ganz ungezwungen. Ich fühlte mich sofort wohl, trotz meiner unsagbaren Nervosität.
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Between The Lines // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen]
Fanfiction🏆 Platin Award 2019 Gewinner 🏆 Melanie führt ein einfaches, ereignisloses Leben. Sie arbeitet in einem Reisebüro an einem kleinen regionalen Flughafen und beneidet die Leute, die die Welt erkunden. Ihr überschaubares Leben wird allerdings vollends...