„Du hast was?", fragte meine Kollegin am nächsten Morgen völlig fassungslos nach und hatte dabei den Mund so einen großen Spalt offenstehen und die Augen so extrem geweitet, dass sie beinahe aussah wie aus einem Comic.
„Ich hab ihn zu seinem Hotel in der Innenstadt gefahren", wiederholte ich schulterzuckend und tat so, als ob das für mich keine große Sache gewesen wäre, doch selbst bei dieser Erzählung schlug mir das Herz bis zum Hals, zumal ich ihr längst nicht alles berichtet hatte.
Einen kleinen Teil behielt ich für mich. Ich hatte mich so schon dazu überwinden müssen ihr überhaupt zu beichten mit wem ich gestern Essen gewesen war, aber irgendjemand hatte ich es einfach anvertrauen müssen. Natürlich hatte ich sie aber schwören lassen, darüber kein Sterbenswörtchen zu verlieren.
„Ich fasse es einfach nicht! Du Glückspilz, wirklich. Benedict Cumberbatch... wow! Einfach nur wow", sinnierte sie und schüttelte ungläubig den Kopf.
Wenn sie wüsste, dass ich mich heute Abend vielleicht noch einmal mit ihm treffen würde, falls die Arbeit ihn nicht zu sehr einspannte, würde sie vermutlich noch mehr ausflippen. Die Fahrt mit ihm ins Hotel war nicht wie von mir befürchtet komisch gewesen. Die gelockerte Atmosphäre von unserer Zeit im Restaurant hatte sich schlicht fortgesetzt, auch wenn die deutlich veränderte Nähe zu diesem Mann mir fast durchgehend die Röte auf die Wangen getrieben hatte. Glücklicherweise war es in meinem Wagen aber so dunkel gewesen, dass ihm das nicht aufgefallen sein konnte. Nachdem wir dann für den heutigen Abend so verblieben waren, dass er sich melden würde, falls er Zeit hätte, hatte er mich kurzerhand in seine starken Arme gezogen und mir einen unschuldigen Kuss auf die Wange gegeben. Ich war so perplex gewesen, dass ich kaum noch in der Lage gewesen war ohne zu stottern zu sprechen. Benedict schien offensichtlich ein wirklich sehr herzlicher Mensch zu sein.
Für den Rest des Tages konnte ich praktisch an nichts Anderes mehr denken und sah noch öfter als sonst auf mein Handy, doch seit der Nachricht von gestern Abend, in der er mir nachdem wir uns verabschiedet hatten noch einmal eine gute Nacht gewünscht hatte, war nichts mehr von Ben angekommen. In meinem Kopf hatte ich schon mehrere Ideen ausgetüftelt, wohin ich mit ihm gehen konnte, allerdings war da ja immer noch das Problem, dass Benedict kein normaler Mann in dem Bezug war, dass ihn viele Leute wohl sofort erkennen könnten. Ich wusste allerdings immer noch nicht, wofür er eigentlich bekannt war, denn ich wollte Benedict nicht einfach googeln. Das fühlte sich für mich an wie Stalking und ich wollte schließlich auch nicht, dass mich jemand im Internet suchte und sich dann eine oberflächliche Meinung bildete. Nein, ich wollte diesen Mann ganz unvoreingenommen kennenlernen ohne zu wissen, was er alles beruflich tat. Das war es wohl auch, was er sich wünschte, zumindest war es das, was ich aus seinen Worten herausgelesen hatte. Zwar war es für mich immer noch schwer sich bewusst zu machen, dass ich tatsächlich mit einer prominenten Persönlichkeit zu tun hatte, aber dennoch war dieser Brite für mich in erster Linie immer noch einfach nur Benedict. Ein Mann, der einen ganz besonderen Charme versprühte und zugegebenermaßen auch sehr attraktiv war. Ich konnte die Schwärmereien meiner Kollegin durchaus nachvollziehen, auch wenn ich ihn nur als Benedict und nicht als Benedict den Schauspieler kennengelernt hatte.
Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass der Feierabend doch schneller kam als gedacht und obwohl ich diesem heute besonders entgegengefiebert hatte, war ich einfach zu enttäuscht, um mich richtig darüber zu freuen, als ich meine Tasche schulterte und erneut auf mein Handy sah. Benedict hatte sich nun den gesamten Tag nicht gemeldet. Hatte ich ihn möglicherweise doch ganz anders eingeschätzt und er hatte nur höflich sein und den Eindruck erwecken wollen, dass ihm der gemeinsame Abend genauso gut wie mir gefallen hatte? Oder war er wirklich so beschäftigt, dass er mir nicht einmal eine kurze Nachricht schicken konnte? Noch auf dem Weg zu dem Parkplatz, auf dem mein Wagen stand, schwelgte ich in Trübsinn. Wieso machte ich mir überhaupt so viele Gedanken darüber? Ich kannte diesen Briten doch eigentlich fast gar nicht, auch wenn ich zugeben musste, dass es unmittelbar eine Verbindung zwischen uns gegeben hatte, die ich selbst unter größten Anstrengungen nicht betiteln konnte. Er war einfach ein unglaublich sympathischer Mensch und ließ einen rasend schnell vergessen, dass er viel mehr als ein gewöhnlicher Mann mit einem ganz normalen Leben war.
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Between The Lines // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen]
Fanfic🏆 Platin Award 2019 Gewinner 🏆 Melanie führt ein einfaches, ereignisloses Leben. Sie arbeitet in einem Reisebüro an einem kleinen regionalen Flughafen und beneidet die Leute, die die Welt erkunden. Ihr überschaubares Leben wird allerdings vollends...