17. Kapitel: Wo bist du?

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Es war bereits der vierte Morgen, an dem ich in Benedicts zu Hause die Augen aufschlug. Seit meiner ersten Nacht hier allerdings in seinem verboten gemütlichen Bett im Gästezimmer. Mittlerweile fühlte es sich fast schon so an, als ob ich kurzzeitig bei ihm wohnte. Benedict hatte zwar darauf bestanden das Hotelzimmer für meine weitere Zeit in seiner Heimatstadt dennoch beizubehalten, allerdings hatte ich am Montagmorgen erst einmal fast alle Sachen von dort in sein Gästezimmer transferiert. Vielleicht hatte er ja die Sorge, dass ich ihm in seinem aktuellen Zustand überdrüssig werden würde, doch eigentlich sollte er wissen, dass dieser Fall nie eintreten würde. Ich hatte den Eindruck, dass es ihm von Tag zu Tag schon ein klein wenig besser ging, auch wenn er sich nach wie vor mir gegenüber verstellte. Sein Verhalten vom Samstagabend hatte sich seither nicht mehr wiederholt. Genauso wenig dieser seltsame Augenkontakt, den es am Sonntag gegeben hatte. Vielleicht hatte ich mir das tatsächlich doch nur eingebildet. Die Nähe zwischen uns hatte sich zwar verändert, denn es hatte sich vor allem in den letzten beiden Tagen so eingebürgert, dass wir uns öfter berührten, wenn auch nur ganz beiläufig, oder wir zusammen eng beieinander auf dem Sofa saßen, aber das lag für mich klar daran, dass er einfach Trost darin suchte. Ich konnte ihn auf jeden Fall verstehen.

Fast die gesamte Zeit saßen wir zusammen in seinem Wohnzimmer. Entweder wir schauten Filme, erzählten uns Geschichten aus unserer Vergangenheit, lasen gemeinsam schweigend nebeneinander ein Buch oder Benedict wälzte Skripte. Es war nicht leicht für einen Mann wie Ben einfach mal zu sagen, dass er erst einmal Zeit für sich wollte. Es passierte häufiger, dass sein Management ihn anrief. Manchmal wurde er dadurch ziemlich gereizt. Genau das, was er in dieser Situation eigentlich am aller wenigsten gebrauchen konnte. Auch Lauren versuchte weiterhin ihn anzurufen, aber er war nur einmal an sein Handy gegangen, wenn sie angerufen hatte und das war, um ihr zu sagen, dass sie ihre Habe erst später abholen kommen konnte. Bestimmt konnte er es gar nicht abwarten ihr Zeug loszuwerden, aber offenbar wollte er weder meine noch seine Stimmung drücken, indem seine Ex hier auftauchte. Vielleicht war er auch einfach noch nicht bereit, um sich mit dieser heiklen Thematik final auseinanderzusetzen, was mich nach dieser kurzen Zeit absolut nicht wundern würde.

Um ihn abzulenken, fragte ich ihn viel nach anstehenden Rollen und Projekten. Oft konnte er mir nicht viel dazu sagen, aber dennoch spürte ich immer wieder, wenn er anfing mir davon zu erzählen, wie sehr sein Herz für die Schauspielerei schlug. Abends kochten wir meist zusammen. Das Einkaufen übernahm ich, auch wenn Benedict selbstverständlich wieder protestiert hatte. Irgendwann hatte aber auch er es eingesehen und akzeptiert, dass ich das selbst erledigen wollte und er niemanden für so etwas schicken musste. Bisher hatten wir den Marvel Marathon zwar noch nicht fortgesetzt, aber das stand für den heutigen Abend auf dem Plan. Um ehrlich zu sein freute ich mich darauf schon sehr und manchmal vergaß ich beinahe, weshalb ich eigentlich momentan mehr oder weniger bei Benedict wohnte. Solange ihm all das gut tat, war es auf jeden Fall das Richtige.

Sowohl Tom als auch Martin hatten sich mehrfach auch bei mir und nicht nur direkt bei Ben erkundigt, wie es ihm ging. Von ihm bekamen sie die kaschierte und von mir die unkaschierte Antwort. Es waren aber längst nicht nur die Beiden, welche sich um Benedict sorgten und mehrfach fragten, ob sie vorbeikommen sollten oder er bei irgendetwas Unterstützung brauchte. Jedes Mal verneinte er und sagte, dass er momentan bestens versorgt sei. Dabei warf er mir immer einen dankbaren Blick zu, denn diese Gespräche führte er fast ausnahmslos alle in meiner unmittelbaren Gegenwart. Wenigstens hierbei ließ er mich vollends in sein Innerstes sehen, auch wenn er sich seinen Freunden und auch Eltern gegenüber nicht so offenbarte, wie er es mir gegenüber getan hatte. Was genau ich davon halten sollte, konnte ich nicht wirklich sagen.

Auch Nele wusste mittlerweile darüber Bescheid wo ich steckte. Natürlich hatte sie direkt am Montagmorgen wissen wollen, wieso ich nicht bei der Arbeit aufgetaucht war. Ich hatte kurz etwas mit mir gehadert, ihr aber schließlich berichtet, was sich am Wochenende alles ereignet hatte. Für sie würde ich meine Hand ins Feuer legen. Nachdem ich ihr aber erzählt hatte, dass ich mich momentan nur noch in Benedicts Nähe aufhielt, war das doch selbst für sie etwas zu viel gewesen und ich hatte kurzzeitig befürchtet, dass sie mir am anderen Ende der Leitung unter Atemnot zusammenbrechen würde. Den Rest dieser wahnwitzigen Geschichte hatte sie jedoch mit zahlreichen Schimpftiraden auf Lauren und Mitleidsbekundungen für Benedict kommentiert. Das Gespräch mit Tom und die unbestreitbare Nähe, die sich zwischen uns eingebürgert hatte, ließ ich jedoch weg. Auch weiterhin wollte ich ihr nicht beichten, dass ich mich Hals über Kopf in Benedict verliebt hatte. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt daran dachte, dass ich in ihm mehr sah als einen einfachen Freund, wenn er mich auf dem Sofa an sich zog oder wenn er mich ab und an einfach so kurz in den Arm nahm. Das alles war schon so zur Routine geworden, dass er darüber gar nicht mehr nachzudenken schien.

Between The Lines // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt