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Heute war eindeutig wieder einer dieser Tage, an denen ich mich fragte, wieso ich genau diesen Beruf ausüben musste.

Wieso hatte ich nicht auf meine Mutter gehört und an einer Universität studiert? Recht und Wirtschaft zum Beispiel, dann könnte ich jetzt entspannt an meinem Schreibtisch in meiner Kanzlei sitzen und mein Leben als Steuerberater genießen. Jeder Tag wäre auf eine gewisse weiße immer gleich und ich würde ein ganz normales, langweiliges Leben vor mich hin leben, ohne zu wissen, was da draußen in der großen weiten Welt wirklich vor sich ging.

Und wie immer musste ich mürrisch feststellen, dass ich bei so einem Leben höchst wahrscheinlich vor Langeweile umkommen würde, so traurig das auch war.

Das gestrige Gespräch hatte mich etwas aus dem Konzept gebracht. Nach der Morddrohung gegenüber dem Opfer hatte ich mich knapp verabschiedet und mich in die hinterste Ecke der Stadtbibliothek zurückgezogen und stundenlang verschiedenste Zeitungsartikel unter die Lupe genommen.

Die Geschichte von Mrs Smith hatte sich als wahr herausgestellt, nur, dass nicht wie sie es behauptet hatte die Artikel des Journalisten als Anstoß für dem Selbstmord erwähnt wurden, sondern der Druck und der Konkurrenzkampf in der Musikbranche für diese verzweifelte Tat verantwortlich gemacht wurde.

Ich fand unteranderem auch ein paar weitere Zeitungsberichte, die von Mr Clugerne verfasst wurden und für viel Aufregung gesorgt hatten, doch keiner von ihnen hatte solch enorme Auswirkungen wie bei Rosa.

Trotz der vielen Unannehmlichkeiten die das Gespräch mit sich gebracht hatte, eine Sache war definitiv positiv verlaufen. Er hatte einen Bruder, einen wohl anscheinend beliebteren Bruder, aber auch beliebte Menschen können einen Mord begehen, nicht wahr?

Es war nicht besonders schwer seine Adresse ausfindig zu machen und nur kurz nachdem mich mein Wecker aus dem Schlaf gerissen hatte, stand ich vor einer blau lackierten Tür, die zu einem schneeweißem Haus mit ebenfalls blauen Fensterrahmen, gehörte.

Die Klingel gab einen furchtbar misstönenden Laut von sich und ließ mich einen Schritt zurückweichen. Als sich nach einiger Zeit immer noch nichts rührte musste ich mich beinahe dazu zwingen nochmal auf den Knopf zu drücken. Mit Erleichterung konnte ich feststellen, dass es viel leichter war zu klingeln und sich gleichzeitig die Ohren zu zu halten, als es klang.

Diesmal blickten mir kurz darauf zwei verschlafene Augen unter verstrubbeltem, braunem Haar entgegen. Der junge Mann der mir nun gegenüberstand machte auf mich nicht den Eindruck, als wäre er schon wirklich wach. Viel eher schien es, als wäre er in einer seltsamen Leere zwischen Schlaf und Erwachen gefangen.

„Guten Morgen", obwohl es schon langsam auf Mittag zu ging, „Sind Sie Mr Clugerne?" Die Antwort war ein schläfriges Nicken. „Hätten Sie eventuell einen Augenblick für meine Wenigkeit Zeit?" Mein Gegenüber schien langsam aufzuwachen und erinnerte sich daran, dass es vielleicht höflich wäre mich herein zu bitten und mir ein Glas Wasser und einen Stuhl anzubieten.

Als ich ihn jedoch auf seinen Bruder ansprach, schien er diese Entscheidung zu bereuen, besaß aber den Anstand höflich zu bleiben. „Wann haben Sie ihn denn zuletzt gesehen?" „Bei der Testament Verlesung unseres Vaters, denke ich." „Denken Sie" „Ja" „Und wie lange ist das her?" „Etwa zwei Monate. „Und Sie sind nie auf die Idee gekommen ihn zu treffen oder etwas dergleichen?" Ein verächtliches Schnauben. „Wieso sollte ich?" Seine Stimme hatte einen leicht abwertenden Unterton angenommen. „Vielleicht weil er ihr Bruder ist?", oder war.

Er schüttelte leise lachend den Kopf. „Ja, ein toller Bruder. So unglaublich hilfsbereit und wie sollte ich es am Besten ausdrücken... so unglaublich herzlich! Man muss ihn einfach mögen" Seine Stimme triefte nur so von Sarkasmus.

„Was hat ihr Bruder denn so unfassbar tolles angestellt, dass Sie ihn so bewundern und wertschätzen?" „Oh, das übliche. Sich bei den Eltern eingeschleimt, Gerüchte über mich zu seinem eigenen Vorteil verbreitet, anderen das Leben schwer gemacht und dafür zu guter Letzt das ganze Erbe eingehamstert, welches ganz neben bei erwähnt eine ziemlich hohe Summe beinhaltete. Die übliche herzliche Geschwisterliebe und Menschlichkeit, die vor allem Reporter besitzen." „Mir scheint Sie haben ihren Bruder wirklich sehr gern".

Er gab ein seltsames Geräusch von sich, das eine Mischung aus freudlosem Lachen und genervtem Schnauben war. „Da werden Sie sicher am Boden zerstört sein, wenn ich Ihnen leider mitteilen muss, dass Ihr Bruder vor kurzem ermordet wurde"

Einen kurzen Moment lang war es still. Mr Clugerne sah mich einfach nur an, zeigte keine Reaktion. Keine der Trauer, aber auch keine der Freude. Sah mich einfach nur an.

Schwarzer RegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt