Schwarzer Regen

23.

Ich konnte ihn nicht daran hindern auf sie zuzulaufen, obwohl es hoffnungslos war. Sie war tot bevor er sie erreichte und das wusste er, genau wie ich. Es war ein ganz eigenes Gefühl, etwas das ich noch nie gefühlt hatte, als Lilli auf dem Boden aufschlug. Sie war ohne einen Schrei, ohne ein einziges Wort des Abschieds von uns gegangen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, schaute nur zu, wie Chris sie verzweifelt in die Arme nahm und ihren Namen schrie, in die Stille hinein. Er wiegte sich vor und zurück, vor und zurück, drückte sie an sich, als wolle er sich selbst davor bewahren zu zerbrechen. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, blieb wieder stehen. Ich konnte ihm nicht helfen, konnte ihr nicht helfen, denn ich konnte unmöglich fühlen, was er fühlte. Es kam mir vor, als wäre endgültig etwas in ihm zerbrochen, als das Herz von der letzten seiner drei Freunde aufhörte zu schlagen.

Sanitäter, Polizisten, Reporter, schaulustige, viel zu viele Menschen rannten um uns herum redeten auf mich ein. Chris war ins Krankenhaus gefahren worden. Der Junge war nicht ansprechbar. Ich versuchte alle Fragen möglichst gut beantworten zu können. Alles wirkte irgendwie surreal, wie ein böser Traum. Ich habe meinen Fall gelöst, aber ich wünschte, ich hätte es nie getan, wünschte, Chris hätte mich nie angerufen, doch dann hätte er das alles alleine aushalten müssen, hätte die ganze Last allein mit sich getragen.

Lilli hat Tommen Clugerne vergiftet, da er sie bestochen hat. Entweder sie zahlte ihm jeden Monat Geld, oder er würde den Artikel veröffentlichen. Sie hat es nicht mehr ausgehalten, wusste keinen anderen Ausweg mehr. Chris hat all das gewusst, hat beide ihrer Straftaten mitangesehen, aber nichts gesagt, da sie immer noch Freunde waren. Er wusste, dass Lilli eigentlich ein guter Mensch war, tief in ihrem Herzen. Er wusste, dass der Tod ihrer besten Freundin schon die größte Strafe war, zu der man sie je verurteilen konnte.