Mein spät vormittäglicher Anruf hatte mich in ein abgelegenes Dorf für Superreiche gelotst. Über diese Erkenntnis war ich nicht besonders erfreut. Meine anfängliche Motivation sank deutlich und ich stapfte den perfekt gepflegten Pfad zu der mir genannten Adresse hinauf.
Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Ich hielt es nicht für nötig zu klingen, da die Tür einen Spalt offen stand und trat ein.
Ein intensiver Geruch nach Pfefferminz Kaugummi schlug mir entgegen. Die Diele war ordentlich und modern eingerichtet. An mehreren Haken an der Wand hingen Jacken, alle im gleichen Stiel, alle Männerjacken. Am Boden standen Schuhe, pingelig genau nebeneinander gereiht und farblich auf die Jacken abgestimmt. Ich suchte in den Taschen nach einem Ausweis oder etwas dergleichen, fand aber nichts.
Ich folgte dem Pfefferminz Geruch und gelangte in ein gigantisches Wohnzimmer. Doch der beeindruckende Anblick der unheimlich teuren Couch oder dem kunstvollem Gemälde an der Wand wurde von der unnatürlich verrenkten Person am Boden deutlich getrübt.
Langsam ging ich auf sie zu. Es war ein Mann, mittelgroß, braunes Haar, teures Hemd, so weit nichts ungewöhnliches, doch sein Gesicht irritierte mich gewaltig. Ein überlegenes Grinsen zierte seine Lippen und seine eisblauen Augen blickten in die Ferne, als wäre er ein lebensgroßes Foto seiner selbst, doch er war tot, daran bestand kein Zweifel.
Er roch nach Wein und nach Parfum, aber keine Spur nach Pfefferminze. Seltsam. Auf dem Tisch stand ein Weinglas, ein paar Tropfen der roten Flüssigkeit waren noch darin. War es Selbstmord? Aber warum dann der Anruf? Das ergab alles keinen Sinn, aber das tat es für gewöhnlich nie in meinen Fällen.
Vorsichtig hob ich das Glas auf und betrachtete es eingehend. Der Wein roch ganz normal, vielleicht ein bisschen abgestanden, aber normal. Fingerabdrücke gab es reichlich, jedoch vermutlich keine Brauchbaren.
Ich ging weiter in die Küche, dem Pfefferminz Geruch nach. Alles war sauber, nichts stand herum, nichts bis auf ein einzelnes Glas in der Spüle. Schnell steuerte ich darauf zu, es war ausgewaschen, roch aber leicht nach Martini und Pfefferminz.
Nachdem ich meinen alten Freund angerufen hatte, er arbeitete praktischerweise als Arzt und konnte mir sicher im Bezug auf die ''Mordwaffe'' weiterhelfen, beschloss ich einmal die Nachbarn zu befragen. Eigentlich gefiel mir die Idee nicht mit irgendwelchen spießigen und reichen Leuten zu sprechen, aber was blieb mir anderes übrig?
Zuerst versuchte ich es bei einer gewaltigen Villa, die sich schräg gegenüber des Hauses des Opfers befand.
Eine alte Frau öffnete und musterte mich misstrauisch von oben nach unten. Sie schien von meinen abgetragenen Klamotten aus dem letzten Jahrhundert nicht besonders begeistert zu sein. Ihr solar gebräuntes Gesicht nahm einen verächtlichen Ausdruck an. „Tag", ich wünschte ihr nämlich eindeutig keinen guten Tag, „Ist Ihnen gestern Nacht irgendetwas ungewöhnliches aufgefallen?"
Ich verabscheute diese schrecklichen Fragen, aber leider kam ich nicht drumherum. Irgendwie musste ich ja etwas erfahren , trotzdem kam ich mir blöd dabei vor, als wäre ich ein Detektiv, der aus einer dieser langweiligen Krimiserien entkommen war.
Die alte Dame schien meine Frage auch als sehr unpassend und störend zu empfinden, also versuchte ich es mit einer anderen. „Wissen Sie wer in dem Haus dort drüben wohnt?" Diese Frage schien sie zwar auch seltsam zu finden, aber sie gab mir wenigstens eine Antwort darauf: „Dort drüben? Irgendein Reporter, nicht besonders beliebt, aber das ist ja kaum einer in seiner Branche" „Und wissen Sie auch zufällig wie er heißt?" Ich kam nicht drumherum ein ''oder hieß'' in Gedanken hinzuzufügen. „Keine Ahnung. Irgendwas mit L oder O glaub ich"
Ihre kurzen und nicht sehr hilfreichen Antworten gingen mir langsam auf die Nerven. Mit einem knappen Nicken verabschiedete ich mich.
Ich war ja wirklich sehr weit gekommen! Wenn alle Nachbarn hier so hilfreich waren, wie diese alte Frau, werde ich bestimmt bis Weihnachten hier herumsuchen und es war Sommer.
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Schwarzer Regen
Mystery / ThrillerAus der Sicht eines Mörders Sie hasste ihn, ihn der ihr gesamtes Leben zerstört hatte, wegen dem sie nicht mehr schlafen konnte. Sie musste ihn töten. Es war das Richtige. Genervt ging der Ironie liebende Detektiv ans Telefon und bekam einen interes...