Kapitel 11 - Wahrheiten

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Es war dunkel und kalt, als ich wieder aufwachte. "Wird langsam langweilig, wenn ihr mich immer in Ohnmacht bringt.", flüsterte ich. Ich hatte Angst, dass jemand in der Nähe sein könnte, also blieb ich still und lauschte in die Leere. Vorsichtig bewegte ich meine Handgelenke und merkte, dass ich überhaupt nicht angebunden war.

"Tut mir leid, aber es musste sein.", eine Stimme ertönte. Also, hat mich doch jemand gehört. "Es tut mir wirklich sehr leid.", die Stimme war tiefer, als die Stimme, die vorher immer sprach. Vielleicht ist es ja ein neuer Agent? "Emma, wir müssen dir so viel erzählen. Ich hoffe, dass du es uns nicht übel nimmst, dass wir dich von deinen 'Freunden' entführt haben, aber es war zu deiner eigenen Sicherheit.", die Stimme schien immer näher zu kommen. "Sicherheit? Ich habe das Gefühl, dass es hier noch gefährlicher ist.", flüsterte ich. "Du täuschst dich. Deine kleinen Freunde werden dich niemals wieder finden.", er machte eine kleine Pause, "Nun gut, wir haben so einiges nachzuholen. Zuallererst erzähle ich, wer du überhaupt bist."

Das Licht wurde eingeschaltet und ich erkannte, dass ich mich in einem neuen Raum befand. Der Raum war kleiner, als die Halle vorher und es stand nur ein Tisch in der Mitte, während ich auf meinem Stuhl in einer Ecke saß. An der Wand gegenüber von mir war ein großer Spiegel angebracht.

"Nun, wie soll ich anfangen...", der Agent kam näher und ich sah, dass er keine Sonnenbrille an hatte. Er hatte braune Augen und dunkles volles Haar, er hatte kleine Lachfältchen um die Augen und er lächelte freundlich. Er trug einen grauen Anzug und auch er hatte ein beißendes Parfüm.

"Also, da wir eh wissen, dass diese bösen Männer dich nicht mehr finden, erzähle ich dir die ganze Wahrheit.", er überlegte kurz und kratzte sich am Kopf. "Als du geboren wurdest, haben dich deine Eltern bei uns abgegeben, sie sagten, dass sie dich nicht mehr wollten und sie mit ihren anderen 4 Kindern schon überanstrengt waren. Aber keine Sorge, deine Geschwister sind auf der ganzen Welt in verschiedensten Jugendlagern untergebracht. Dass du jemals auch nur einen von ihnen triffst, ist unwahrscheinlich. Aber gut, weiter mit der Geschichte, wir haben bis zu deinem 15. Lebensjahr verschiedene Tests an dir ausgeführt, doch du solltest das meiste eigentlich schon vergessen haben. Wir mussten damals aufhören da uns der Boss gesagt hat, dass du eine Ausbildung brauchst, da wir dich sonst nicht weiter als Testperson nutzen dürften.

Wir haben damals unter Anderem deine Erinnerungen verfälscht. Du hast Tabletten im Lager bekommen - die Jungs bekamen vorhin diese Tabletten übrigens auch - und diese Tabletten haben die Wirkung dieser Verfälschungen fortgeführt, damit du dich nicht an dein tatsächliches Leben bekommst. Du hast, seit du hier bist, bereits zwei genommen und die Experimente werden, wie gewohnt, weitergeführt.

Früher hast du in einer kleinen Gegend in Nordkanada gewohnt und deine Eltern wurden bei einem tragischen Unfall erschossen. Nimm' uns das ganze hier bitte nicht übel, aber du bist ein wichtiger Bestandteil für die Wissenschaft der Medizin in den USA, verstehst du? Übrigens deine Eltern waren mal Mafiabosse und du ihre kleine Mafiatochter." "Francessca Ferri.", murmelte ich. "Tatsächlich, das ist dein echter Name. Sieh an, du bist schlauer als ich dachte.", er lachte in sich hinein und klatschte dabei auf seinen Oberschenkel. "Übrigens sind meine Eltern nicht tot, wir waren gerade auf dem Weg zu ihnen.", sagte ich trotzend. "Ohje, das glaubst doch nicht wirklich. Das haben dir die bösen Männer erzählt, stimmt's? Das gehört doch zu ihrem Plan, die müssen dir doch irgendetwas erzählen, damit sie dein Vertrauen haben und dich kontrollieren können. Sie wollten dich am Ende umbringen, was aber das ganze Herumkutschieren sollte, verstehe ich auch nicht, aber das werden sie uns sicherlich noch sagen.", er legte seine Hand auf meine Schulter und sah mich an, als wäre ich ein kleines Kind.

Übrigens haben wir im Arbeitslager dein Tagebuch gefunden.", er warf das Heft auf den Tisch.

Ich stand auf und nahm mir das Heft. In verschnörkelter Schrift stand auf der ersten Seite 'Emma'. Ich fuhr mit meinem Finger über die Buchstaben und bekam sofort Flashbacks an die  Zeit im ALFVJ. Jeden Tag um sechs Uhr aufstehen und drei Stunden Küchendienst, dann bis zum Nachmittag Schule. Ich fühlte mich nutzlos in diesem Lager und durch die Dinge, die mir beigebracht wurden, wurde das Gefühl der Nutzlosigkeit verstärkt. Doch als ich am letzten Tag dort im Gefängnis aushelfen durfte, verblasste dieses Gefühl und Liam war wie ein helles Licht im dunklen Tunnel.

Innerlich brach ich zusammen. Wie konnte ich Francessca Ferri sein? Ich bin Emma Miller und habe schon immer mein Leben in einem Arbeitslager verbracht, wie kann ich plötzlich zu einer der größten Mafiaorganisationen auf der Welt gehören? Ich wünschte, ich könnte es Liam erzählen.

Als ich mich an Liam, Cas, Sam und Jace erinnerte, fing ich an zu weinen, ich fühlte mich ohne meine Freunde schwach und verwundbar. Ich schluchzte auf und der Agent dachte, es sei wegen dem Tagebuch, er stellte sich neben mich und flüsterte, ich spürte seinen Atem an meinem Ohr und bekam Gänsehaut: "Es tut uns leid, dass wir dich in das Lager gesteckt haben, aber das gehörte nun mal dazu. Normalerweise wärst du noch zwei Jahre dort, aber die bösen Männer mussten dich ja entführen. Aber nichts desto trotz können wir wieder von neuem beginnen. Wir werden dich nach Europa deportieren und in der Schweiz wirst du eine neue Identität bekommen und damit wirst du in ein neues Lager gebracht."

"Aber ich will hierbleiben. Ich will nicht nach Europa.", ich warf das Heft auf den Boden und plötzlich fing ich an zu weinen und schreien. Ich wusste selbst nicht, was mit mir los sei, aber es fühlte sich gut an, alles Schlechte in diesem Schrei loslassen zu können. Ich musste irgendwie einen Ausweg finden. Nach wenigen Sekunden wurde ich still und lief auf den Agenten zielstrebig zu. "Wo sind meine Freunde?"

Verboten - Schicksal und VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt