Kapitel 24 -verschwunden

20 2 0
                                    

"Kate! Kate, bitte! Wo bist du?", rief ich in die Dunklheit. Mein Taschenlampe flackerte, "Nein, oh nein, nein, nein, bitte nicht jetzt! Scheiße.", und meine Taschenlampe gab den Geist auf. Nun war ich alleine im Regen am Stadtrand von Chicago. Wegen des Gewitters sind sämtliche Straßenlaternen ausgefallen und nach Sonnenuntergang ist es hier vollkommen dunkel. In der Ferne sah ich den Lake Michigan. Der Mond spiegelte sich auf der Wasseroberfläche und ließ den See leuchten. Wie lange es brauchen würde, bis ich dort wäre? Der Wind rauschte durch die Äste der alten Eiche neben mir und ließ dicke Tropfen auf meine Kapuze fallen. Das Geräusch beruhigte mich und es gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Ich schlang meine Arme und mich, um mich vor der Kälte zu schützen. Langsam stapfte ich den Abhang, auf dem die Eiche stand, hinunter.

Auf der Straße am Hügel erkannte ich eine zierliche Person, wie sie den Trampelpfand entlang ging. Sie sah den Hügel hinauf und blieb stehen. Durch den Wind wurde ihr die Kapuze vom Kopf geweht und sie schütze ihren Kopf mit den Ärmeln ihrer übergroßen Jacke. Allein an dieser Geste erkannte ich, dass Kate die Person war, die sich wenige Meter unter mir befand. Stolpernd rannte ich den Hang hinunter und blieb vor Kate stehen. Ihr Gesicht war mit Tränen überlaufen und ihre Maskara bildete schwarze Flüsse auf ihren Wangen. "Emma, ich verstehe dich nicht. Warum lässt du mich nicht glücklich sein?", sie schrie mich an und es klang als wäre es das qualvollste, was sie je getan hätte. "Was? Worüber redest du?", das Prasseln des Regens übertönte meine Stimme, sodass ich auch schreien musste. "Darüber, wie du Liam und mich immer anschaust und du immer still wirst, wenn ich bei ihm bin. Wenn es nicht okay für dich ist, dass wir ein Paar sind, sag doch bitte was, aber schau uns nicht immer so verurteilend an. Wir haben nichts falsch gemacht.", die Worte sprudelten aus ihr wie ein Wasserfall. "Ihr...ihr seid ein Paar?", mein Herz setzte kurz aus. Wollte Liam mich nicht noch in der Einkaufsmeile in New York küssen? "Ja, sind wir. Wenn du wirklich ein Problem damit hast, sag mir das bitte.", sie nahm meine Hände und drückte sie leicht. "Nein, ich habe kein Problem, ich bin nur ziemlich schockiert.", ich lächelte, obwohl es sehr schmerzte, "Komm wir gehen zurück, die Anderen warten bestimmt schon."

Beim Hostel angekommen, schlossen sich Liam und Kate in die Arme und küssten sich.  Man sah ihnen an, dass sie sich wirklich liebten, doch gerade das stach sehr in meinem Herzen, "Nehmt euch ein Zimmer.", lachte Sam und betrachtete die beiden. Er hatte womöglich meinen gekränkten Blick gesehen, als sie sich umarmten. Das Paar beschäftigte sich dennoch nicht weiter mit uns Anderen und verschwanden Hand in Hand aus dem Zimmer.

"Das geht mir so auf die Nerven mit den beiden.", beschwerte sich Jace, "Wir müssen Kate loswerden." "Liam würde dagegen sein, den Auftrag früher als geplant abzuschließen.", überlegte Jace. "Das interessiert mich doch nicht. Es wäre das Beste für uns alle, wenn sie gehen würde.", Sam bekam einen hochroten Kopf und klatschte wütend mit der Hand auf den Tisch, an den er sich angelehnt hatte. "Cas, was ist mit dir? Du sagst gar nichts.", stellte ich fest und ging einen Schritt näher auf ihn zu. "Ich will darüber nicht reden. Wenn sie glücklich sind, sollten wir uns nicht einmischen. Gute Nacht.", mit hängenden Schultern betrat er das Nebenzimmer. Ich tat ihm gleich und verabschiedete mich ebenso und verschwand im anderen Nebenzimmer.

"Lass dein Handgelenk locker. Genau so! Ich bin stolz auf dich, Francessca.", Francessca blickte ihren Vater mit dankendem Blick an und stoch in die Puppe. "Was macht ihr da?", fragte einer ihrer Brüder, als er den Raum betrat. "Ich übe mit einem echten Messer.", erzählte sie stolz. "Das ist ja toll.", Francessca lachte und betrachtete voller Eifer das Messer in ihren Händen.

"Guten Morgen.", rief mir Sam zu, als ich die Tür zum Bad öffnete. Ich grummelte nur leise vor mich hin und betrat das Bad. Tiefe Augenringe gruben sich in mein Gesicht und meine Augen hatten immer noch keinen Glanz. Als ich meinen Zopf öffnete, roch ich den Regen. Wie schön der Ausblick auf den See gestern war. So gerne wäre ich da reingesprungen und hätte alles von mir losgelassen, doch es geht nicht. Erst muss ich herausfinden wer ich bin und wer ich war, erst dann kann ich meinen leiblichen Eltern gegenüber treten, doch ich komme nicht voran und meine Träume verwirren mich nur noch mehr.

Mit kaltem Wasser wusch ich mein Gesicht und blickte erneut in den Spiegel. Ich sah so traurig aus, als hätte ich mir die Augen ausgeheult. "Kannst du dich beeilen? Wir fahren bald los.", Sam klopfte an die Tür. Wir wollten heute endlich nach Kanada fahren und ich hoffte dort mehr Antworten zu finden.

Ich verließ das Bad und zog meine Jacke an. Heute Nacht hatte es nicht aufgehört zu regnen und der Klang, als die Tropfen gegen mein Fenster prasselten, war wunderschön. So gerne hätte ich unter der Eiche gestanden oder wäre zum See gelaufen, auch wenn er Meilen entfernt war. Irgendetwas zog mich dorthin, aber ich wusste nicht was. Liam riss die Tür auf und betrat den Raum, "Wo ist Kate? Was habt ihr getan?", er schrie uns mit hochrotem Kopf an. "Sie war doch die ganze Zeit bei dir. Wir hatten zu ihr seit gestern Nacht keinen Kontakt.", erklärte ich sanft, um Liam zu beruhigen, "Sie macht bestimmt nur einen Spaziergang. In wenigen Minuten ist sie bestimmt zurück.", ich lächelte ihn an, doch er wandte sich ab und verließ den Raum. "Er hat sie doch nicht mehr alle. Beschuldigt er einfach seine besten Freunde der Entführung seiner Freundin. Mir reicht's.", rief Sam, man sah ihm an, dass er wirklich sauer war und, dass ihn die Situation bedrückt. Ich wünschte ich könnte etwas tun, um ihm die Last von den Schultern zu nehmen, doch ich wusste genau, dass ich nichts tun konnte. Liam hatte sich Hals über Kopf in Kate verliebt.

"Wir müssen los,", murmelte Sam und hob seine Tasche auf, "wir müssen noch was erledigen."


Verboten - Schicksal und VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt