Kapitel 11

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Am nächsten Morgen wird Hermine durch ein gedämpftes Geräusch und eine darauffolgende Tirade an Schimpfwörtern wach. Sofort springt sie auf und geht in Richtung von Severus Schlafzimmer. 

Als sie den Raum betritt, sieht sie, warum Severus so geflucht hat. Überall liegen Glassplitter und er steht mittendrin. 

„Was ist passiert? Geht es dir gut?" fragt sie hastig. 

„Dir auch einen guten Morgen, Hermine. Ich habe bloß das Glas fallen lassen und bin in eine Scherbe getreten. Kein Grund zur Sorge", Antwortet er ihr mit einem leichten Lächeln. 

„Setz dich auf das Bett, ich kümmere mich gleich um deinen Fuß." Und mit einem flick ihres Zauberstabes verschwindet die Wasserpfütze und die Scherben des Glases gleich mit. 

„So, lass mal sehen", murmelt sie, als sie sich den Fuß ihres Patienten besieht. „Warte kurz, ich gehe etwas holen, um den Splitter herauszuziehen." Damit war sie auch schon aus dem Raum verschwunden. 

Nur wenig später kehrt sie mit einem Erste-Hilfe-Set zurück. „Das kann jetzt nochmal wehtun, Sev", warnt sie ihn, bevor sie die Scherbe aus seinem Fuß zieht und schnell Desinfektionsmittel auf die Schnittwunde aufträgt. 

Als nächstes tränkt sie einen Verband in einer gelben Flüssigkeit und wickelt ihn vorsichtig um seinen Fuß. 

„Was ist das, das brennt wie Feuer?", fragt Severus durch zusammengebissene Zähne. 

„Das, mein lieber Severus, nennt sich Murtlapessenz. Damit heilt deine Wunde schneller und es sollte nicht einmal eine Narbe zurückbleiben. Ein Hoch auf Heiltränke. Apropos. Du musst deine Tränke dann noch nehmen." Lacht sie ihn an. 

„Was hast du eigentlich gemacht?", fragt sie, als sie sich neben ihn auf das Bett setzt. 

„Ich hab mir ein Glas Wasser geholt und es auf den Nachttisch gestellt. Dann wollte ich danach greifen, aber irgendwie war alles verschwommen und ich habe das Glas aus Versehen heruntergestoßen", gibt er leise zu. 

Hermine schaut ihn sorgenvoll an. „Siehst du immer noch verschwommen, Sev?"

Der Schwarzhaarige schaut sie aus seinen unendlich tiefen schwarzen Augen an und nickt vorsichtig. 

„Alles klar. Du legst dich erstmal wieder hin und ich gehe Poppy fragen, woran das liegen könnte." 

Noch bevor Severus die Möglichkeit hatte, zu widersprechen, war sie schon aus dem Zimmer verschwunden. Wie sie es ihm gesagt hat, legt er sich wieder ins Bett und beschließt, seine Augen noch etwas zu schließen, bevor die Medihexe zu Besuch kommt. Vielleicht geht das ja von allein wieder weg.

Wenig später wird er von einem leisen klopfen an seiner Zimmertür geweckt. 

„Herein", sagt er mit verschlafener Stimme. 

Ein treten Hermine und die alte Medihexe von Hogwarts. 

„Na, Severus. Ich hoffe, du nimmst deine Medizin?", fragt sie auch gleich, woraufhin Angesprochener nur nickt. 

„Also, Hermine meinte, du siehst alles verschwommen?"  Wieder ein Nicken seitens des ehemaligen Professors. 

„Dann lass mal sehen", meint Poppy, bevor sie die Augen des Mannes gründlich untersucht. Nach einiger Zeit ist sie damit fertig. 

„Severus, ich befürchte, dass das eine Nebenwirkung des Giftes ist. Es hat deine Sehkraft beeinträchtigt. Du wirst in Zukunft Brille tragen müssen, sonst kann ich nichts für dich tun." 

„Das ist doch kein Problem, oder?" 

Mit einem Kopfschütteln greift Poppy Pomfrey in ihre Tasche und zaubert eine einfache Brille hervor, die sie dann an seine Augen anpasst. 

Anschließend ruft sie nach der jungen Hexe, die sich um ihren ehemaligen Professor kümmert. 

„Hermine, pass bitte auf, dass er die Brille trägt. Ohne wird er alles verschwommen sehen. Das ist eine Nebenwirkung von Naginis Gift. Ich nehme stark an, dass durch den Anfall, den er hatte, die Wirkung eingetreten ist. Das Gute ist: Er hat jetzt kein Gift mehr in seinem Körper. Das sollte also neben der Narbe das Einzige sein, das ihm noch vom Krieg bleibt. Ich gehe dann mal wieder in den Krankenflügel. Ruht euch beide noch etwas aus. Schönen Tag, Hermine, Severus", und damit ist sie auch schon wieder verschwunden. 

Jetzt dreht sich Hermine zu Severus um und erkennt ihn fast nicht mehr wieder. Auf seiner Nase sitzt eine helle Hornbrille mit fast runden Gläsern. Auch wenn Brillen die meisten Leute älter machen, scheint Severus mit Brille mindestens 5 Jahre jünger, als ohne. 

„Steht dir, Sev", gibt sie ihm mit einem Grinsen zu verstehen. 

Seine Antwort ist ein nervöses Lächeln, bevor er zum Sprechen ansetzt. „Hermine, ich möchte mich bei dir entschuldigen", meint er leise. 

Daraufhin tritt Hermine an sein Bett und fragt „Wofür denn, Sev? Du hast mir doch nichts getan." Erneut ein Lächeln, jetzt aber eines der traurigen Sorte. 

„Oh doch, Hermine. Für all das, was ich dir angetan habe, als ich dein Lehrer war. Ich war nicht fair. Nein, ich war grausam und gemein zu allen, aber vor allem zu dir, Neville und Harry. Und das tut mir unendlich leid. Bitte, kannst du... kannst du mir verzeihen?" flehend blickt er sie aus seinen schwarzen Augen an.  

„Sev, ich hab dir schon lange verziehen. In der Nacht, in der Albus gestorben ist, da wusste ich, dass du keiner von denen warst und dass alles bloß Fassade war. Du hättest Albus nie getötet. Ich hab es in deinen Augen gesehen, als du das Schloss verlassen hast. Und als wir dann in Hogwarts waren und du dich mit Minerva duelliert hast, da war ich mir sicher: Du hast alles getan, um die Schüler zu schützen. Um Harry zu schützen. In dem Moment hab ich dir dann endgültig vergeben. Außerdem habe ich sogar den Malfoys vergeben und die haben weitaus schlimmere Dinge getan. Bitte, Sev. Glaub mir, es ist in Ordnung", meint sie mit Tränen in den Augen und nimmt ihn vorsichtig in den Arm.

So sitzen die beiden eine ganze Weile da: Sie hält den weinenden Mann fest in ihren Armen, während er immer und immer wieder um Vergebung bittet. Immer und immer wieder sagt sie ihm, dass sie ihm vergibt, doch er scheint nicht zuzuhören. Schließlich verebben die Schluchzer des Mannes, der früher alle eingeschüchtert hat und der nie auch nur den Hauch einer Emotion gezeigt zu haben scheint, zumindest hat es nie jemand mitbekommen. Wie auch, ihm hat ja nie jemand in die Augen geschaut. 

„Severus, es ist in Ordnung. Du legst dich jetzt wieder hin und ich mache dir einen schönen Beruhigungstee. Danach sehen wir weiter", und schon war sie verschwunden.

Kurz darauf kommt sie wie versprochen mit einer Tasse Tee wieder und setzt sich an das Bett. 

„Weißt du, was mir gerade auffällt? Es ist der 24. Dezember und wir haben noch nicht das kleinste Bisschen geschmückt", damit reicht sie ihm seine Tasse Tee, welche er auch sofort an die Lippen setzt. 

Schließlich meint er: „Eigentlich bin ich nie so in Weihnachtsstimmung gewesen. Da hilft auch kein Schmuck." Leicht beleidigt schaut Hermine ihn an. 

„Nur, weil du Severus Snape bist, musst du noch lange nicht zum Grinch werden. Ich werde diese Räume weihnachtlich dekorieren und du, mein Lieber, wirst mir dabei helfen. Ob du willst oder nicht!" Am Ende kann sie sich ein Lachen nicht mehr verkneifen. 

Als sie dabei dann auch noch ihren Zeigefinger erhebt, kann auch Severus mit dem Lachen nicht mehr an sich halten und beide lachen herzlich drauf los. Wenig später ist zumindest einem von den Beiden nicht mehr wirklich zum Lachen zu mute.


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