Kapitel 20

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Auf dem Weg in ihr Büro spricht keiner der beiden ein Wort. In Hermines Büro ruft sie erst einmal einen Hauselfen, der ihnen zwei Tees bringen soll und nur wenige Augenblicke später sitzt sie hinter ihrem zukünftigen Schreibtisch in dem Büro, das eigentlich noch Professor McGonagall gehört, ihr gegenüber Blake Destler, der sehr interessiert in seine Teetasse schaut. 

„Nun, Blake. Ich möchte, dass du weißt, dass, egal was du jetzt hier drin sagst, du fürs Erste keine Bestrafung zu erwarten hast unter der Bedingung, dass du mir alles erzählst. Einverstanden?", fragt sie ihn. 

Er schaut sie zuerst etwas überrascht an, nickt dann jedoch in Zustimmung. 

„Also Blake. Was hast du in dem Badezimmer genau getan?", fragt sie und er senkt seinen Blick erneut. 

Nach einer etwas längeren Pause antwortet er schließlich: „Ich habe einen Zauber geübt." 

„Welchen Zauber, Blake?", fragt sie und lehnt sich etwas vor. Der Junge vor ihr schluckt merkbar, bevor er antwortet.

„Illusionierungszauber", murmelt er kaum hörbar. 

„Blake, den Zauber lernt man erst in der siebenten Klasse, du bist fünfte. Warum übst du diesen Zauber Nachts, wenn du im Bett sein solltest, in einem Badezimmer?" 

Insgeheim ist Hermine schon sehr besorgt, noch mehr jedoch, als er ihr nicht antwortet. 

„Blake, wenn du mir nicht sagst, warum du einen Illusionierungszauber auf deinen linken Arm gelegt hast, werde ich ihn rückgängig machen, das weißt du?", fragt sie und er nickt, sagt dennoch nichts. 

Mit einem Seufzen zückt sie ihren Stab und spricht den Gegenzauber. Vor ihren Augen wird die Hand, die halb im Ärmel seines Umhanges versteckt ist, dick und nimmt eine bläulich rote Färbung an. Schockiert schaut sie den Jungen an, der beschämt zu Boden schaut. 

„Was ist da passiert? Schieb den Ärmel bitte weiter hoch, damit ich mir das mal ansehen kann", sagt sie fürsorglich und begutachtet den Schaden an der Hand des jungen Zauberers, der weit in den Ärmel hineinreicht, sodass er auch seinen Hemdärmel hochschieben muss. Darunter sieht man, dass der ganze Arm blau und rot und angeschwollen ist. 

„Wer war das, Blake?" 

Doch der Schwarzhaarige schaut nur auf den Boden unter seinen Füßen. 

„Blake. Ich kenne jemanden, der seine ganze Schulzeit nur verachtet, erniedrigt und vor allem physisch verletzt worden ist. Er hätte beinahe das Schicksal der ganzen Welt verändert und wenn er nicht im richtigen Moment zu Sinnen gekommen wäre, wären wir tot und Voldemort würde die Welt regieren. Ich will nicht, dass es noch einmal zu so etwas kommen muss. Also, wer war das?", fragt sie, nun mit etwas mehr Strenge in der Stimme. 

Nach einem tiefen Durchatmen beginnt der Fünftklässler schließlich, zu erzählen. 

„Mein Vater hat meine Mutter verlassen, bevor ich geboren war. Er war Zauberer und hat so gehofft, ihr nicht erklären zu müssen, dass die Möglichkeit besteht, dass auch ich magische Veranlagungen besitze. 

Seit ich denken kann, wohnen wir bei meinem Onkel, dem Bruder meiner Mutter. Er geht arbeiten, verdient das Geld, gibt es für Schnaps und andere Sachen aus und meine Mutter kümmert sich um den Haushalt. 

Seit ich klein war und diese Unfälle mit Magie geschehen sind, hat er mir mehrmals den linken Arm gebrochen, weil ich Linkshänder bin. Er hat gehofft, mir die Magie so auszutreiben. 

Mit der Zeit hat er immer mehr und mehr getrunken und mich geschlagen. Seit ich allerdings auf Hogwarts bin, ist auch meine Mutter auf seiner Seite und schlägt mich, wenn ich zu Hause bin. Scheinbar möchte sie nicht wieder das Opfer sein, das seine Schläge einsteckt, wenn ich hier bin und so hofft sie, verschont zu bleiben. Deswegen bleibe ich über die Ferien immer hier", flüstert er mit gesenktem Blick. 

Nachdem Hermine den ersten Schock verdaut hat, trinkt sie erst einmal einen großen Schluck aus ihrer Teetasse, um sich zu beruhigen. 

„Warum hast du nie jemandem etwas gesagt, man hätte dir bereits damals helfen können? Warst du deswegen wenigstens im Krankenflügel?", fragt sie mit fragender Geste in Richtung seines Armes. 

Er schüttelt jedoch nur den Kopf und Hermine seufzt. 

„Wir gehen jetzt zu Madam Pomfrey und lassen dich durchchecken. Danach werde ich mit der Schulleiterin reden und mit ihr besprechen, wie wir mit der Situation mit deinen Eltern umgehen", sagt sie und floht die beiden in den Krankenflügel, wo sie ihren Schüler mit kurzer Erklärung bei der Schulkrankenschwester in Behandlung gibt und selbst in das Büro der Schulleiterin floht.

„Hermine, wie komme ich denn zu der späten Ehre?", fragt die ältere Hexe hinter ihrem Schreibtisch. 

„Tut mir leid, dass ich störe, aber es ist wichtig", sagt sie und die Schulleiterin weist auf den Stuhl ihr gegenüber. 

„Severus und ich waren vorhin auf Patrouille und haben in der Nähe des Ravenclawgemeinschaftsraumes einen Schüler im Badezimmer gefunden, wie er Illusionierungszauber gemurmelt hat. Ich habe Severus weiter geschickt und mich mit dem Jungen unterhalten. Wie es scheint, gab es durchaus Gründe für Mister Destlers Verhalten hier in Hogwarts." 

Daraufhin hebt die Ältere beide Augenbrauen. 

„Ich habe mich mit ihm unterhalten und ihn dann zu Poppy gebracht, damit sie sich um ihn kümmern kann. Sein Arm schien ziemlich übel zugerichtet und das scheinbar nicht zum ersten Mal. 

Er wohnt mit seiner Mutter bei seinem Onkel. Die Verhältnisse, die er mir geschildert hat, sind ähnlich denen, die bei Severus geherrscht haben. Sein Onkel schlägt ihn und seine Mutter aufgrund seiner Fähigkeiten und mit der Zeit hat sich seine Mutter eine Strategie ausgedacht, um nicht mehr das Opfer zu sein. Blake ist Linkshänder. Da allein das für seinen Onkel abnormal ist, bricht er ihm den Arm, damit er mit rechts schreiben muss. 

Minerva, der Junge braucht Hilfe, du musst ihn da herausholen", erklärt Hermine und Minervas Augen weiten sich vor Schreck über die Behandlung, die dem jungen Ravenclaw zu schaffen macht. 

„Ich würde gern, aber wer soll sich in den Ferien um ihn kümmern. Wir können ihn dort nicht einfach wegnehmen", sagt sie traurig an ihre Auszubildende gerichtet. Diese überlegt und kaut auf ihrer Unterlippe herum. 

„Was wäre, wenn ich jemanden finde, der ihn bei sich aufnimmt und um ihn kümmert?", fragt sie schließlich mit einem fragenden Gesichtsausdruck. 

„Wenn du jemanden findest und Blake damit einverstanden ist, warum nicht. Um Onkel und Mutter können wir uns dann kümmern, wenn es so weit sein sollte", meint sie mit einem tiefen Seufzen. 

„Danke, Minerva. Ich mache mich dann mal zurück zu Severus, bevor er losgeht und mich suchen geht. Gute Nacht", und damit floht sie zurück in Severus und ihre Wohnung. 

+++++++++++++++++

Severus ist kurz davor, aufzuspringen und das ganze Schloss auf den Kopf zu stellen, wenn Hermine nicht in den nächsten Minuten auftaucht. 

Seine Hände umklammern die Lehne seines Sessels mit eisernem Griff, sodass seine Knöchel bereits weiß werden und seine Augen wandern im Sekundentakt von seinem Kamin zum Eingang seiner Wohnung. 

Schließlich hält es ihn nicht mehr auf seinem Sessel und er beginnt, auf und abzulaufen, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt. In Gedanken versunken bemerkt er nicht, wie die Flammen in seinem Kamin grün aufleuchten und die junge Braunhaarige, auf die er so sehnsüchtig wartet, heraustritt. 

Erst als sie ihn ruft, dreht er sich um und umarmt sie ohne ein Wort äußerst fest und stürmisch. 

„Wo warst du so lange?", fragt er sie schließlich. 

„Ich habe mich mit Blake Destler unterhalten und er hat mir alles erklärt. Dann habe ich ihn zu Poppy gebracht und Minerva über die Ereignisse aufgeklärt. Hast du etwas dagegen, wenn wir morgen kurz zu meinen Eltern gehen?", erklärt sie ihm die kürzeste aller Kurzfassungen der Erlebnisse, die ihr gerade einfällt. Mit einem Nicken gibt er seine Zustimmung.

„Das können wir machen aber jetzt gehst du ins Bett und ruhst dich aus. Morgen musst du schließlich auch in der Lage sein, zu unterrichten", scheucht er sie in ihr Schlafzimmer und folgt ihr. 


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