Warm scheint die Sonne auf Aileanas Gesicht. Eine sanfte Brise lässt die Halme im Wind vor und zurück schaukeln.
Der Sommer war warm gewesen und jetzt zeigt sich der Herbst von seiner besten Seite. Das Wetter ist beständig und die Ernte würde so gut ausfallen, dass man sich um den Winter keine Sorgen zu machen braucht. Lächelnd sieht sie auf die Männer in ihrer Nähe, die das Heu wenden, damit man es in den nächsten Tagen in die Ställe bringen kann. Sie tragen nur dünne Hemden, die schweißnass an ihrem Körper kleben. Einige Frauen sitzen am Rand, nähen dicke Mäntel für den Winter und tratschen über dies und jenes. Bei ihnen sitzt ihre kleine Schwester, Mary-Anne und plappert vor sich hin. Sie erzählt jedem, ob er es nun hören will oder nicht, dass sie mal eine große Kriegerin werden würde, so wie ihr Vater. Ihre beiden Brüder, Dougal und John sind wie immer verschwunden. Das war normal für die Zwillinge, die keine Chance ausließen, sich vor der Arbeit zu drücken und irgendwas anzustellen. Vermutlich würden sie sich wieder eine Strafpredigt anhören können und danach zu ihr kommen, damit sie sie tröstet. Aber sie waren ja auch erst 10 Jahre alt und würden es noch lernen.
Alles war so, wie es immer war. Und so soll es auch immer bleiben.
Nur eine Sache bereitet ihr Kopfschmerzen. Laird Griffyth MacKay, der grausamste Laird in ganz Schottland, war auf der Suche nach einer Frau. Er hat einen Jungen zu ihr geschickt, um sie zu umwerben. Aber sie würde nie einen zum Mann nehmen, der schon 3 Frauen hatte. Und diese sind alle umgekommen und niemand kann sich erklären wieso. Auch die anderen Geschichten, die man über ihn hörte, waren alles andere als ansprechend. Er ist hart zu seinen Untergebenen, grausam ist sein Urteilsspruch. Seine Leute hungern, frieren und verzweifeln. Wenn man flieht, wird man gejagt, gefoltert und aufgehängt.
Sie hatte seinen Antrag abgelehnt, nie würde sie sich so einem Mann hingeben! Aber es bringt auch nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen und sie wischt die lästigen Gedanken einfach weg. Schließlich ist sie in Schottland frei genug, ihren Mann selbst zu wählen.
Mit einem sanften Lächeln schaut sie zu den Männern, die beim Heuwenden helfen. Zum einem ist da ihr Vater, Acair, der für sie ihr Lebensmittelpunkt ist. Nach dem Tod ihrer Mutter, sie war bei der Geburt von Mary- Anne gestorben, hatte sie die Pflichten der Frau des Hauses übernommen. Sie führt nicht nur den Haushalt und kümmert sich um die Finanzen, sondern sorgt auch dafür, das es ihren Geschwistern gut geht und sie sich anständig benehmen.
Neben ihm arbeiten in stillschweigendem Einklang ein paar Männer aus dem Dorf. Unter ihnen auch Callum, ihr Verlobter. Er ist ein guter Mann, verantwortungsbewusst und fürsorglich. Sie kennen sich schon lange, sie sind miteinander aufgewachsen. Ihre Väter, Acair und Allistair, waren schon als junge Männer Freunde gewesen und hatten diese Freundschaft an ihre Kinder weitergegeben.
Als Callum sie bat, seine Frau zu werden, war sie überrascht, da sie ihn noch nie so gesehen hatte, aber sie hatte nicht gezögert. Er würde ihrem Vater eine gute Stütze sein und sie anständig behandeln. Den Traum von einer romantischen, stürmischen Liebe hatte sie früh aufgegeben. Wenn man mit 16 Jahren einen Haushalt führen und seine kleinen Geschwister erziehen musste, blieb nicht viel Zeit für solche Schwärmerein. Callum wird sie gut ergänzen und sie würde sich zumindest um die Feldarbeit keine Gedanken machen müssen.
Langsam macht sie sich auf den Weg nach Hause, schließlich würden die Männer hungrig vom Feld kommen und dann sollte im besten Fall das Essen auf dem Tisch stehen. Leise vor sich hinpfeifend biegt sie auf die Straße, die zu ihrem Haus führt.
Hinter ihr hört sie Pferdegetrappel und sie geht auf die Seite, um die Reiter vorbeizulassen.
Als sie die Pferde näher anschaut erkennt sie Griffyth und seine Männer.
Ohne nachzudenken dreht sie sich um und rennt sie auf das Feld. „Vater! Vater! Komm schnell! Bitte!" Sie schreit so lange, bis ihr die Luft wegbleibt. Gott sei Dank hat ihr Vater sie gehört und kommt mit den anderen Männern angerannt: „Was ist los, Lassie*?" Aileana schnappt nach Luft und sagt nur keuchend „Griffyth ist bei uns!"
Acair erbleicht. Er ist stolz auf seine Tochter, dass sie sich nicht an so einen Mann verkauft hat, aber ihm waren die möglichen Konsequenzen nicht klar gewesen. Er sieht die anderen Männer an und gibt knappe Befehle: „Callum, Allistair, ihr kommt mit mir. Bringt Mary- Anne zu einer von euren Frauen. Die anderen holen ihre Waffen und halten sich bereit."
Die anderen Männer nicken und eilen nach Hause. Alcair sieht seine Tochter an: „Liebes, du hast deine Wahl getroffen. Wir stehen hinter dir und werden dich beschützen, auch wenn es uns unser Leben kosten wird."
Erschrocken sieht Aileana ihren Vater an. Sie hatte nie gewollt, dass jemand sein Leben wegen ihr lassen muss.
*Lassie ist englisch und bedeutet Mädchen, wird auch als Kosename verwendet.
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Highlands: Schrei nach Freiheit
Ficción históricaAileana will einfach nur ein normales Leben führen. Aber als Griffyth, Laird der MacKay, sie zur Braut nehmen will, ändert sich ihr Leben auf einmal schlagartig. Und sie muss sich die Frage stellen, wie weit sie für ihre Familie und die Liebe gehen...