8. Kapitel, Teil 2: Heimreise

4.7K 194 0
                                    

Aileana reitet, als wäre der Teufel hinter ihr her. In gewisser Weise stimmt das ja sogar. Sie ist schon sein ein paar Stunden unterwegs und hat bis jetzt keine Pause gehabt.
Als sie gestern Nacht losgeritten ist, musste sie auf dem Weg bleiben, weil sie die Hand vor Augen nicht sehen konnte und es schlichtweg zu gefährlich war, in den Wald zu reiten. Aber sobald es dämmerte, ist sie in den Wald geritten, damit Griffyths Männer sie nicht finden konnten. Sie ist hundemüde und schon zwei Mal auf dem Rücken ihrer Stute eingenickt. Aber sie konnte es sich nicht leisten, jetzt schon eine Pause zu machen. Sie muss so weit kommen wie es nur geht, bevor die Männer aufwachen.
Es ist kurz vor Mittag und die Sonne strahlt zwischen den Blättern durch. Der Wald um sie herum ist in ein diffuses, grünes Licht getaucht. An einem kleinen Bach hält sie an und macht eine kurze Pause. Sie nimmt der Stute die Tasche mit dem Essen und den Sattel ab. Dann krault sie sie hinter dem Ohr: "Danke meine Schöne, dass du mich unterstützt. Vielleicht sollte ich dir einen Namen geben?" Sie überlegt kurz "Wie wäre es mit Bonnie?" Schnaubend reibt Bonnie ihren Kopf an  ihrer Schulter: "Jaa Bonnie, das gefällt dir." Aileana schnappt sich einen Apfel aus ihrer Provianttasche und gibt ihn ihr. "Wir müssen jetzt zusammen halten. Ohne einander werden wir beide nicht überleben, meine Schöne."
Am liebsten würde Aileana sich hier auf dem Moos zusammenrollen und ein wenig schlafen, aber sie weiß, dass sie das nicht riskieren darf. Wenn sie nämlich zu spät aufwacht, wäre der Vorsprung, den sie hat, verspielt. Deshalb holt sie sich nur ein wenig Fleisch und Brot aus dem Beutel und isst alles schnell auf. Bonnie hatte sich in der Zeit ein paar Meter von ihr entfernt hingestellt und angefangen zu grasen. Sie war wirklich ein schönes Tier. Zwar nicht besonders groß, ihre Schulter ging bis Aileanas Kopf. Ihr braun-graues Fell glänzt und ihre helle Mähne wirkt als schöner Kontrast dazu. Sie war noch nicht sehr alt, aber dafür schon ruhig und geführig. Sie hatte sich immer so ein Pferd gewünscht, wenn sie mit ihrem Vater auf dem ihrem alten Clydesdale rumgeritten sind. Aber er war ein Kaltblut, dass zur Arbeit verwendet wurde und hatte nichts von der Eleganz und Geschwindigkeit, die Bonnie hatte.

Erschrocken richtet sich Aileana auf. Es waren zwei Stunden vergangen, seit dem sie hier ihre Pause angefangen hatte. Das war viel zu lang und sie muss sofort weiter, wenn sie ihren Vorsprung nicht ganz verlieren will. Rasch packt sie ihre Tasche und. legt sie Bonnie hinter den Sattel. "Wir müssen weiter, Hübsche". Sie steigt auf und treibt Bonnie mit einem sanften Schenkeldruck an. Sie lenkt sie vom Bach weg und reitet mit ihr in den Wald.
Sie treibt sie an, heute Abend würden sie ein paar Stunden rasten. Bonnie war schon müde und Aileana war einfach zu müde. Sie würde noch zwei Stunden reiten und dann einen Platz zum Schlafen suchen. Ihr fallen jetzt schon die Augen zu, aber sie wollte so viel Platz zwischen sich und Griffyth bringen. Sie hat noch nicht viel über ihn nachgedacht. Seine Grausamkeit hatte sie, auch wenn sie es nicht gezeigt hatte, erschreckt. Sie ist behütet aufgewachsen, ihre Eltern hatten sie selten geschlagen. Und wenn, dann nur weil sie ungehorsam war. Ihre Brüder hatten öfters Mal den Hintern voll bekommen. Mit einem Schmunzeln denkt sie an die Streiche, die ihre Brüder ausgeheckt hatten. Einmal hatten die beiden Callum die Kleider gestohlen, als er Baden war. Splitterfasernackt war er den beiden hinterher gerannt und hatte sich laut fluchend seine Kleider zurück geholt. Zwar hatte ihr Vater auch gelacht, als er gesehen hatte, wie Callum nackt über den Hof gerannt ist, aber bestrafen musste er die beiden Racker trotzdem.
Bei dem Gedanken an ihre Familie laufen ihr die Tränen über die Wange. Wenn dieser vermaledeite Griffyth nicht gekommen wäre, wäre sie jetzt bei ihnen und würde die Ernte befeiern. Und sie hätte Callum geheiratet. Ihren besten Freund, der jetzt Tod ist. Sie hatte ihn nicht Mal zu Grabe tragen können. Ihr Herz zieht sich zusammen und sie fühlt sich, als ob eine große Klammer um ihren Brustkorb liegt und zudrückt. Das Atmen fällt ihr schwer und das erste Mal seit Tagen hat sie die Möglichkeit, sich ihrer Trauer hinzugeben. Bonnie läuft ruhig weiter, während Aileana schluchzt.  Sie klammert sich am Sattel fest, während ihr Körper geschüttelt wird. Sie denkt an ihre Familie, Callum und die Ungerechtigkeit, die ihnen wiederfahren ist.
Nachdem Bonnie eine Stunde vor sich hingetrotet ist, beruhigt sich Aileana langsam. Das Weinen hat ihr gut getan und ihr wird klar, dass es so nicht weiter gehen konnte. Sie musste zu ihrer Familie und dann würde sie schauen, wie es weiter geht.

Die Sonne geht langsam unter und sie braucht einen Ort für die Nacht. Bonnie kann nicht mehr und sie braucht auch eine Kappe voll Schlaf. Vor ihr eröffnet sich eine kleine Lichtung. Nicht sehr groß, aber ein kleiner Bach plätschert dort vor sich hin. Es wird langsam ziemlich kalt und sie will sich einfach nur noch hinlegen und schlafen. Müde steigt sie ab und löst die Taschen und das Plaid von der Stute und bindet diese locker an eine Baumstamm. Dann nimmt sie ein bisschen Brot und Trockenfleisch aus dem Beutel und verschlingt das hungrig. Bonnie fängt an zu grasen und läuft zu dem Bach, um gierig zu trinken. Aileana betrachtet sie uns läuft dann zu ihr. Sie fängt an, aus dem Bach zu trinken und betrachtet dann ihr Spiegelbild. Rasch zieht sie sich die Kappe ab und schüttelt sich die langen Haare auf. Sie fallen ihr bis zur Taille und waren sehr kräftig. Ihr Gesicht ist bleich und ihre Augen sind gerötet von dem vielen weinen. Müde wäscht sie sich das Gesicht und legt sich, in das Plaid gewickelt, zu Boden. Kaum berührt ihr Kopf den Boden fällt sie schon in einen tiefen Schlaf.

Highlands: Schrei nach FreiheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt