Claras Welt war zusammengebrochen. Reglos kniete sie am Boden, während ihr noch immer das Blut durch die Finger tropfte. Sie weinte nicht, sie spürte keine Wut, nur Leere und Trauer. Es rauschte so laut in ihren Ohren, dass sie kaum hören konnte, wie Jakes anfing, ihr die neuen Regeln aufzuzählen, die sie zu befolgen hatte, auch wenn sie wusste, dass es wichtig war, schaffte sie es nicht, ernsthaft zuzuhören. Zu sehr dröhnte ihr Kopf, zu sehr pfiff es in ihren Ohren. Verloren. Sie war verloren. Nichts weiter als eine Marionette an einem Faden. Von nun an würde auch ihr Rücken ständig von Striemen übersäht sein und sie würde nicht mehr rausgehen können, wie es ihr gefiel. Sie würde kein Klavier mehr spielen und keine Polizistin werden. Sie würde überhaupt nicht mehr werden. Gebrochen hockte sie am Boden, während Jakes kalte Stimme den Raum um sie herum füllte, doch sie war weit, weit weg. Wozu hatte sie die Sekte überlebt und ihren Namen gewechselt, wenn sie nun hier ein viel schlimmeres Schicksal ereilte? Sie schluckte schwer und wimmerte leise. Nur am Tonfall erkannte sie die darauffolgende Ermahnung und schwieg wieder.
„Was habe ich eben gesagt?", wurde Jakes lauter und zauberte von irgendwo eine kleine Peitsche hervor. „du hast um Vergebung zu bitten, wenn du etwas falsch machst!", stieß er über das Rauschen ihrer Ohren hinweg hervor. Ein klein wenig riss sie das in die Gegenwart zurück und sie fügte sich in ihr Schicksal. Was konnte sie tun, außer Schadensbegrenzung zu betreiben? Sie hatte unglaubliche Angst vor dem gedrillten Seil.
„Natürlich. Bitte vergebt mir, Herr", flüsterte sie artig und mit stickiger Stimme, während irgendwo tief, tief in ihrem tauben Inneren etwas schrie.
„Und hör auf zu heulen!", befahl Jakes und zum ersten Mal sauste die Peitsche auf sie nieder. Der Schmerz war so überraschend stark, trotz des Stoffes ihres Pullovers, dass sie nicht verhindern konnte, dass sie vor Schmerz erschrocken auf quietschte. Dafür fuhr der Riemen ein zweites Mal auf sie hinab und machte es eher schlimmer als besser, doch dann geschah etwas, was noch wesentlich unerwarteter war.
Die Tür des Arbeitszimmers flog auf und Clara starrte auf die schwer gerüsteten Schützen im vollen Ornat des SEKs. Dahinter stand Sophie in einer schusssicheren Weste und richtete ihre Waffe auf Dr. Jakes. Der hatte sich für einen Moment nicht geregt, dann griff er nach der Fernbedienung bevor irgendjemand es verhindern konnte und drückte mehrere Knöpfe. Erschrocken schrie Clara auf, als ihr bewusst wurde was er tat, doch sie wurde vom lauten Schall eines Schusses übertönt. Die Fernbedienung fiel zu Boden und Blut tropfte aus Dr. Jakes Arm, den die Kugel sauber durchschlagen hatte, ebenso wie das Fenster hinter ihm. Ohne nachzudenken krabbelte Clara nach vorn und griff nach der Fernbedienung, auf der ihre blutigen Finger Spuren hinterließen.
Sophie trat weiter in den Raum. „Auf den Boden", befahl sie Dr. Jakes. „Schön langsam, die Hände hinter den Kopf!" Ein lauter Knall ertönte und erschütterte den Boden für eine Sekunde und Clara weitete die Augen. Sie wollte aufspringen und zum Fenster laufen, doch sie wurde bereits von jemandem hochgehoben. Die Welt um sie herum drehte sich und mit Wucht schlugen all ihre Angst und ihre Verzweiflung auf sie nieder. Eine grauenvolle Gewissheit, dass Jakes noch schnell die Chance genutzt hatte, um ihr ihren Vater zu nehmen, sickerte in ihr Herz. Tränen rannen ihr über die Wangen, während sie hin und her geschaukelt wurde, weil einer der SEK- Kräfte sie forttrug. Sie wimmerte, doch setzte sich nicht zur Wehr. Der Schmerz saß so deutlich in ihrer Brust, dass sie nichts anderes mehr fühlen konnte. So merkte sie kaum, wie sie auf der Rückseite eines Krankenwagens abgesetzt wurde, die es hier schließlich zu Hauf gab, und wie jemand ihren Arm versorgte und ihr etwas zu trinken einflößte.
„Sie dürfen die Sonde nicht einfach entfernen", hörte sie eine bekannte Stimme sagen und sah auf zu Mr. Cabrel, der in Handschellen aber unbewacht neben dem Krankenwagen stand. „Sonst wird sie vergiftet", fügte er erklärend hinzu und der Sanitäter nickte und verband ihren Arm einfach weiter. Sie merkte gar nichts davon. Sie saß einfach wie betäubt hinten im Krankenwagen und starrte zum Krankenhausgebäude zurück, aus dem inzwischen mehr Leute gestürmt kamen um, wie sie, den Rauch zu betrachten, der aus einem Bereich des Kellers aufstieg. Der beißende Geruch zog bis zu ihnen hinüber und sie spürte, wie ihre Unterlippe bebte und ihr noch immer die Tränen übers Gesicht rannen. Gerne hätte sie geschrien oder wenigstens laut geschluchzt, aber sie konnte nichts tun, als leblos und traurig dort zu sitzen und den Rauch anzustarren. Aus der Ferne ertönten Feuerwehrsirenen und jemand sprach beruhigend auf sie ein und legte ihr eine Decke um die Schultern, doch sie achtete nicht darauf.
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Allegiance- Possenspiel
Mystery / ThrillerTeufel gibt es überall. Sie tragen keine Hörner und haben keine Ziegenhufe. Alle Teufel sind Menschen! Frei wer sich selber befreit, denkt sich Clara und zieht mit ihrem Vater in eine neue Stadt, für ein neues Leben. Doch schnell muss sie feststell...