11. Kapitel- Besuch

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Er hatte immer gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Er musste einem seiner verweichlichten Kollegen aushelfen, weil einer ihrer Sklaven so viel Mist gebaut hatte, dass sie es nicht alleine ausbügeln konnten. Hatte er Marcus nicht von Anfang an gewarnt, dass er seinen Sklaven lieber in den Keller sperren sollte, wenn er seiner Flamme nicht anvertrauen wollte, dass er einen Diener hatte, aber ihn doch bloß nicht in eine Kneipe schicken sollte? Es war doch nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der ungehorsame wandelnde Misserfolg einen Fehler machte. Seit Marcus ihm am Vortag von dem Vorfall erzählt hatte und schließlich auch seinen Rat eingeholt hatte, machte er sich Sorgen um die Geheimhaltung der Sache. Dr. Jakes ließ die Knöchel seiner Hände knacken. Oh, wie hätte er Spaß daran gehabt, diesen Jungen zu einem ordentlichen Sklaven zu erziehen. Er hatte es Marcus nie wirklich verziehen, dass er ihn ihm vor der Nase weggekauft hatte, also hatte er jede Gelegenheit genutzt, um die Erziehung auf Entfernung vorzunehmen. Es hatte nicht gefruchtet, dafür war es nicht regelmäßig genug gewesen, aber jetzt saß er hier, hatte bereits den Pächter der Kneipe angerufen und den Namen des Mädchens herausgefunden und war nun dabei, alles in Erfahrung zu bringen, was es über sie zu wissen gab. Einfach eine dumme, kleine, neugierige Schülerin, aber das bedeutete immerhin, dass sich genug Druckpunkte finden lassen würden. Er hatte einen Freund bei der Polizei angeschrieben und wartete nun auf dessen Antwort. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf die Armlehne und sah zu der Sklavin hinüber, die reglos neben der Tür stand und genau auf jede seiner Bewegungen achtete, um ja nicht zu verpassen, wenn er ihr bedeutete, etwas zu tun. Richard Jakes war der Erste in Chestersville gewesen, der einen Sklaven gehalten hatte. Bei dem Jungen war er damals auch zu gnädig gewesen, hatte Fehler ungestraft gelassen, bis er sich eines Tages gegen ihn gewendet hatte. Das war der Tag gewesen, an dem der Arzt erstmals ein Leben mutwillig beendet hatte, statt es zu retten. Wenn er in der Klinik war, was nun außer zur Visite selten vorkam, hatte er immer sein Bestes gegeben, die Menschen von ihrem Leiden zu befreien, aber es hatte ihm auch das notwendige Praxiswissen beschert, das er im Umgang mit seinen Sklaven täglich anwandte. Er wusste genau, wie viel ein menschlicher Körper ertragen konnte, wenn er musste, und wenn ein Sklave nicht stark genug dafür war, dann war das nicht sein Problem. Sie hatten zu gehorchen, egal was es war, und wenn der Befehl lautete, am Leben zu bleiben, hieß das Leben. Lautete er, zu sterben, bedeutete es Tod. Es gab nichts dazwischen.

Endlich gab der Laptop ein leises Piepen von sich, um zu signalisieren, dass eine neue Email angekommen war. Die Mail war denkbar schlicht:

Finger weg.

Richard hob die Augenbrauen. Er war kein dummer Mensch. Wenn ihm ein fähiger Kommissar riet, die Finger von der Angelegenheit zu lassen, gab es etwas Wissenswertes. Etwas sehr Wissenswertes, was für seine Absichten nur zuträglich sein konnte. Der Mann war ein Narr, wenn er dachte, er, Dr. Richard Jakes, würde so einfach aufgeben. Aber es hatte seine Vorteile weithin, als der einflussreichste Mann der Stadt bekannt zu sein: Er hatte mehr Kontakte. Und es wurde wohl Zeit, etwas tiefer ins Trickkästchen zu greifen. Erneut verschickte er eine Mail. Was die Polizei konnte, konnte er schon lange. Tatsächlich ließ die Antwort nur wenige Minuten auf sich warten. Das Telefon schellte und eilig rannte die Sklavin, um ihm den Hörer zu bringen. Interessiert nahm er ab.

„Jakes?", meldete er sich.

„Gibt ein Handy", antwortete eine junge und doch raue Stimme. Der Kerl musste einfach mal ans Tageslicht gehen oder etwas sprechen, anstatt Tage vor dem Computer zu verbringen. „War kein Problem. Die neuen Dinger haben alle Backdoor-Zugänge. Der Vater ist Rollstuhlfahrer und im örtlichen Register der Schwerbehinderten vermerkt. Mutter Tot. Nichts besonders Interessantes auf dem Handy selbst."

„Aber?", fragte er ruhig. Er wusste, dass dort noch mehr war. Er war ein Menschenkenner.

„Bin nicht der Erste, der es in den letzten Tagen gecheckt hat. Könnte interessant sein. Soll ich?"

Allegiance- Possenspiel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt