Here comes the bride

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  Eine Hochzeit. Deine Hochzeit.
Wieso warst du dann nicht glücklich? War es denn nicht der Traum einer jeden Frau, gekleidet in einem mit Rüschen besetzten Ballkleid ganz in weiß? Mit einer Tiara auf dem Kopf, das Haar zu einer edlen und eleganten Flechtfrisur gearbeitet – die Perlen auf dem Korsett des Kleides waren vom Grund des Meeres gefischt, direkt von der Fischmenscheninsel. Sie glänzten im fahlen Licht des Sonnenaufgangs, schimmerten in den schönsten und schillernsten Farben. Es wäre ein Traum, wenn es einer Anderen passieren würde.
Das sollte der schönste Tag deines Lebens sein, du solltest in freudiger Erwartung sein deinen zukünftigen Ehemann zu sehen. Stattdessen hatten dich zwei Dienerinnen früh geweckt, dich in dieses viel zu enge Kleid gesteckt, frisiert und geschminkt. Die Zeremonie würde erst zum Mittag hin abgehalten werden, doch aus irgendeinem Grund wurdest du bereits wie eine Anziehpuppe aufbereitet. Seitdem saßt du in diesem viel zu kleinen Raum, wartend und mit einem Stein im Magen. Den Bräutigam kanntest du nicht einmal und doch würdest du wohl den Rest deines Lebens mit ihm verbringen – ob es ein kurzes oder langes Leben war sei dahin gestellt.
Dein Vater hatte keine Wahl gehabt, er hatte dieser Zwangshochzeit zustimmen müssen. Es war kein Geheimnis, dass Big Mom schon seit Langem eine Beziehung zu den Riesen aufbauen wollte – nur war der Stamm der Riesen nicht sehr angetan von der Piratin. Die Gründe dafür waren dir nicht ganz klar, jedoch hatte sich Charlotte Linlin schließlich in den Kopf gesetzt einen Stamm von Halbriesen zu ihren Verbündeten zu zählen. Mit Gewalt war sie auf eure schöne Insel marschiert, hatte deinem Vater – den Stammesführer – deutlich klar gemacht, dass es klüger wäre sich Big Mom anzuschließen. Notgedrungen hatte er eingewilligt und sich doch sehr gewehrt gegen die Idee dich mit einem von Mom's Söhnen zu verheiraten. 


»Es ist in Ordnung.«, hieltest du beharrlich an deinem Standpunkt fest. Dein Vater, Aegir, jedoch ging auf und ab, bedacht darauf seine Gedanken nicht laut auszusprechen.

»Ich werde meine Tochter nicht diesem Monster überlassen.«, knurrte der Anführer des Zweigstammes grimmig und hielt kurz inne, um einen Blick aus dem Fenster des Langhauses zu werfen. Die Sonne ging langsam unter, warf wilde Farben über das Dorf und die Zeit wurde knapp. Zwei Tage hatte Mom euch gegeben um eine Antwort zu schicken. Zwei Tage, in denen Aegir darauf bestand dich zu verstecken und zu behaupten du wärst geflohen im Angesicht der Zwangsehe.
Du hattest abgelehnt, ihn mehrfach bearbeitet dich dies für das Dorf tun zu lassen, doch dein Vater wehrte sich immer wieder gegen deine Versuche ihn zu überzeugen.
»Vater, wenn wir nicht einwilligen...«, setztest du wieder an und der Häuptling blieb stehen. Die grauen, alten Augen huschten über dein Gesicht, welches steinern war. Keine Gefühlsregung war zu erkennen, auch wenn dein Magen vor Angst schmerzte. Es war deine Verantwortung als zukünftige Anführerin des Stammes – die Bewohner der Insel mussten sicher sein. Und wenn Mom nicht bekam was sie wollte, würde sie diese Insel dem Erdboden gleich machen.
»Bist du dir sicher?«, fragte dein Vater schließlich schwach. Er war zu der gleichen Erkenntnis gekommen: Hochzeit oder Auslöschung. »Es gibt dann kein Zurück. Wir sehen uns nie wieder, mein Kind.«
Du schlucktest. Nicktest.
»Ich weiß, Vater.«


Es klopfte.
»Bist du fertig?« Ah, Lola und Chiffon. Die wohl nettesten Personen in dieser Familie von Piraten. Sicher, sie waren noch jung – doch waren sie allem Anschein nach herzensgute Menschen. Im Gegensatz zu deiner baldigen Schwiegermutter Linlin, die dir ziemlich Angst einjagte. Dieses Monster von Frau war nur am essen, sie behandelte ihre eigenen Kinder wie Dreck und du wolltest gar nicht erst wissen wie sie mit ihren Feinden umging. 

»Seit einer Stunde.«, antwortetest du den beiden Schwestern und seufztest leicht. »Ich verstehe nicht, warum ich hier herumsitzen muss.«
Die Schwestern tauschten vielsagende Blicke aus.
»Mama möchte dich sehen, bevor es los geht.«
Oh.
»Wann?«, fragtest du, so gelassen wie nur irgend möglich. Noch nie hattest du allein vor Big Mom gestanden und allein der Gedanke an die Piraten machte dich nervös.
»Jetzt. Wir begleiten dich.« Lola und Chiffon hielten die große Flügeltür für dich auf, so dass du mit diesem Monstrum von Rüschenkleid hindurch passen konntest. Die Gänge des Palastes waren so wundervoll bunt und dufteten nach allerhand Süßigkeiten, aber das konnte dich in diesem Moment einfach nicht begeistern. Angst kroch deinen Nacken hoch und du klammertest dich hilfesuchend in die Rüschen des Hochzeitskleides. Es war so eng, du bekamst kaum Luft. Oder war es die Angst, die dir den Sauerstoff abschnürte?
Als Halbriesin warst du recht groß, wenn wohl auch nicht so gigantisch wie Big Mom selbst. Sie war wirklich einzigartig und da du sie erst zum dritten mal wirklich in voller Größe sahst, warst du eingeschüchtert. Zwar warst du doppelt so groß wie Lola und Chiffon, jedoch Big Mom war noch um einiges... mehr. Höher als du und noch wesentlich breiter als deine Wenigkeit.
»Meine zukünftige Schwiegertochter.«, wurdest du begrüßt und respektvoll neigtest du den Kopf. 'Alte Hexe!', schoss es dir durch den Kopf, doch dein Lächeln wurde etwas breiter. Mom griff zu ihrer Linken, dort stand ein Tablett gefüllt mit allerhand Süßigkeiten. Sie stopfte sich voll, Massen an essen in nur einem Bissen. Dabei ließ sie ihren Blick nicht von ihr ab, dieser kalte und stechende Blick auf dir. Sie könnte dich einfach in der Mitte durchbrechen wie einen Ast, dabei warst du nicht gerade klein und zart. Langsam dämmerte es dir, warum sie ein so reges Interesse an den Riesen hatte.
»Eine Schande, dass du keine richtige Riesin bist.«, fuhr Linlin fort. Dein Blick huschte über die seltsamen Gestalten hinter ihr – waren das etwa eine Wolke und eine Sonne? Mit... Gesichtern?
»Es tut mir sehr leid, dich zu enttäuschen.«, erwidertest du ruhig und neigtest erneut den Kopf. »Ich fürchte meine menschliche Mutter ist Schuld daran, dass ich keine vollblütige Riesin bin.«
»Eine Schande.«, wiederholte Linlin und musterte dich noch einmal von oben bis unten. »Aber das Kleid steht dir. Süß wie ein Sahnehäubchen.«
Sie meinte nicht, was sie sagte. Ihr Tonfall war so kühl und drohend, dass dein ganzer Körper unter einer Gänsehaut erschauderte.
»Danke, Mama.«, sagtest du. »Kann ich dir mit noch etwas helfen?«
»Wenigstens hast du gute Manieren, Kind.«, lobte sie dich kühl und stopfte eine weitere Ladung Eclairs in sich hinein. Das Schmatzen schmerzte dir in den Ohren, diese Frau war einfach zu widerlich. »Du wirst dich doch sicher schon auf die Zeremonie freuen?«
Dein Griff an den Rüschen wurde etwas fester.
»Aber natürlich, Mama.«
»Braves Mädchen. Benimm dich.« Du sahst zu Boden, hatte sie diese Worte schon benutzt als sie dich mit auf ihr Schiff genommen hatte. Als sie dich verschleppt hatte, fort von deiner Heimat und deiner Familie. Benimm dich.
Eine deutlichere Warnung hätte man dir nicht geben können. Spiel mit und wir lassen dich am Leben.
»Ja, Mama.«, antwortetest du sofort und bemühtest dich darum, möglichst aufrichtig zu klingen. Deine innere Stimme triefte nur so vor Wut und Verachtung, vor Angst und Verzweiflung. Nach außen hin war es unbedingt nötig, dass du die betörte Braut gabst. Beneidenswert schön zurecht gemacht, gefolgsam und schier endlos glücklich über die Ehe mit einem von Linlin's Söhnen.
Sie hat so ein Glück, einen der Kommandanten heiraten zu dürfen.
Katakuri ist ein guter Fang.
Er ist perfekt.

»Komm Schwester, wir gehen die Zeremonie noch einmal durch.«, traten nun Lola und Chiffon an dich heran, jede an einer deiner Seiten.
»Nehmt sie mit.«, Big Mom machte eine ausladende Handbewegung und entließ euch Drei somit ihrer Aufmerksamkeit. Du machtest einen höflichen Knicks in deinem Rüschen-Monstrum und ließt dich dann eilig von den beiden Zwillingen aus Moms Zimmer führen. Der Weg zurück zu deinem Ankleideraum war nicht allzu weit, doch es kam dir vor wie eine kleine Ewigkeit.
»Wie ist er so?«, fragtest du schließlich, zögerlich und kaum hörbar. Die jungen Frauen sahen zu dir hoch und legten den Kopf schief, bis sie schließlich verstanden was du meintest.
»Ah! Katakuri ist unser zweitältester Bruder.«, sagte Lola mit einem Funkeln in den Augen. »Er ist so cool! Er ist unglaublich stark!«
»Ruhig und sehr gesammelt.«, ergänzte Chiffon, ebenfalls wohl sehr beeindruckt von ihrem Bruder. »Er ist wirklich perfekt.«
»Und den soll ich heiraten?«, murmeltest du in dich hinein, doch die beiden hörten deine zweifelnden Worte. Sofort packte jede der beiden dich an einem Arm und versuchten dich augenblicklich aufzuheitern.
»Keine Sorge, große Schwester! Katakuri ist sehr geduldig mit all seinen Untergebenen, du wirst ihn sicher nicht enttäuschen.«, versprach Lola und Wut kochte in deinem Magen hoch, vergiftete deine Stimme mit Abscheu.
»Untergebene?«, fragtest du und bliebst mitten im Flur stehen. »Ich bin seine Frau, nicht seine Dienerin.«
Die Zwillinge sahen sich etwas bestürzt an und du wusstest, dass dein Tonfall viel zu harsch war. Sie wollten dich nicht unglücklich machen, sondern dir Mut zureden an diesem anstrengenden Tag. Doch etwas in ihren Augen gefiel dir nicht und ließ dich die Stirn runzeln.
»Nun, Katakuri ist dein Mann.«, sagte Chiffon schließlich kleinlaut. »Du musst ihn immer unterstützen, das ist die Aufgabe einer guten Frau! Wir müssen für unsere Männer da sein und ihnen helfen.«
»Das heißt aber nicht, dass sie seine Küchenfrau ist.«, erwiderte Lola daraufhin und warf ihrer Schwester einen trotzigen Blick zu, während beide dich weiter voran zogen. »Ein Mann ist doch nichts ohne eine starke Frau die ihm den Rücken stärkt!«
Noch kleinlauter stimmte Chiffon zu, doch das ließ deine Sorge nicht wirklich verschwinden. Was, wenn dieser Katakuri nur nach außen hin der perfekte Mann war und eigentlich ein ganz mieser Kerl? Was, wenn er keine Ehre kannte und dich am Ende noch prügelte wenn du nicht gehorchtest?
Du schlucktest gegen den Kloß in deinem Hals an und versuchtest ruhig zu atmen auf deinem Weg zurück zum Ankleideraum.
Langsam begannst du dein mutiges Opfer wirklich zu bereuen.

Mit zittrigen Fingern griffst du in den Saum deines Kleides und hobst es etwas an, um nicht drauf zu treten. Es wurde Zeit, gleich würde sich diese Tür öffnen und du würdest heiraten. Man würde dich mit Begeisterung empfangen; Die errötende Braut, ganz in weiß und drapiert mit allerhand Blumen. Elegant musstest du sein, ansehnlich und jeder Mann dieser Welt würde glücklich sein an Katakuri's Stelle stehen zu dürfen.
Unwissend, wie dein zukünftiger Ehemann überhaupt aussah, versuchtest du ihn dir vorzustellen – größtenteils um deine Nervosität zu unterdrücken. Wenn er Big Mom's Sohn war, war er sicher groß – und dick. Viele Familienmitglieder waren etwas breiter, was wohl am permanenten Konsum von Süßigkeiten lag. Und er war schon 40, viel älter als du! Ob er wohl schon an Haarausfall litt?
Hoffentlich nicht...
Deine Gedanken kreisten um sein Aussehen, als dir einfiel dass zu einer Hochzeit ja auch noch andere Tätigkeiten gehörten. Der Vollzug der Ehe, wie man es so schön nannte. Übelkeit kroch deine Kehle hoch, als du daran dachtest. Sex mit einem wildfremden Mann, der wahrscheinlich nicht im geringsten ansehnlich war. Du würdest dich ihm wohl oder übel hingeben müssen, so war es nun einmal Tradition.
Augen zu und durch, wie dein Vater immer sagte.


Braves Mädchen.


Es gab kein zurück mehr: Ab heute warst du eine Charlotte, wenn auch nicht mit ihrem Namen versehen. Durch diese Ehe wurdest du in die Knie gezwungen und musstest dich fügen. Ein Fehltritt und sie würden dich womöglich töten und dann deine Heimat in kleinste Einzelteile zerlegen. 

Ein knarrendes Geräusch, dann öffnete sich die Tür. Sonnenlicht blendetet dich für einen Moment, doch du blinzeltest dem entgegen und griffst deinen Blumenstrauß etwas fester. Die Luft war kühl und einige Kirschblüten blieben, vom Wind getragen, in deinem Haar hängen. Es war ein so wunderschöner Tag im Frühling und trotzdem wärmten dich die Sonnenstrahlen kein bisschen. 


Benimm dich.


Applaus empfing dich, hunderte Hände brachten dich dazu den nächsten Schritt auf die Dachterasse zu machen. Es war ein Meer aus Blumenschmuck, Süßigkeiten jeder Art und den seltsamsten Gestalten der Familie Charlotte. Eine gigantische Torte ragte im Hintergrund auf, direkt neben dem blumigen Altar am nördlichen Ende der Terasse und alle Augen waren nur auf dich gerichtet. 

Hier kommt die Braut.


The Taste of CopperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt