Honeyheart

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Die Reise nach Litjässe war zu viel für deinen armen Magen. Nach 36 Stunden auf hoher See war dir übel, schwindelig und du konntest es kaum erwarten endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Verdammte unruhige See, es war zum kotzen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Der Hafen von Litjässe war der einzige Weg dein Heimatdorf direkt zu erreichen, da die Gebirgskette den Rest der Insel in Wildnis und Dorf trennte. Es war eine gut gesicherte Festung im Herzen des Gebirges, ein blühendes Tal voller Felder und Wiesen. Inmitten des Meeres aus wilden Bergblumen stand das Dorf, gebaut aus Langhäusern, Kriegerbaracken und Methallen. Diese Insel war die Zuflucht für jeden Halbriesen – zu oft wurde deine Art verfolgt und gefangen um auf Auktionen verkauft zu werden. Allerhand Halbriesen hatten sich auf dieser Insel niedergelassen und es war eine Ansammlung von schillernden Persönlichkeiten. Krieger, Handwerker und Familien hatten sich diese Insel zu ihrem Zuhause gemacht und du warst froh, dass du sie mit deiner Ehe beschützen konntest. Unter Big Mom's Schutz zu stehen war ein Segen für all die jungen Familien auf Litjässe und deine Entscheidung vor drei Jahren hatte sich auch für dich als glücklich erwiesen.
»Genau wie damals.«, seufztest du verträumt, als euer Schiff am Hafen anlegte. »Es ist wunderschön.«
»Das erste Mal, dass außerhalb des Archipels mal ein ganzes Dorf in meiner Größe ist.«, hörtest du Katakuri leise neben dir. Er stach durch seine enorme Größe unter den Menschen hervor und du konntest nur erahnen, dass er es genoss nicht das Zentrum der Aufmerksamkeit zu sein.
»Stell dir mal vor, ich wäre ein normaler Mensch.«, sagtest du, während ihr von Bord gingt. »Kaum zwei Meter groß... Das würde wohl nicht funktionieren.«
»Du müsstest viel Yoga machen.«, raunte er dir amüsiert zu und du konntest dir ein lautes Lachen nicht verkneifen. Über vierzig und trotzdem machte er noch schmutzige Witze – Männer!
»Katakuri, du bist unmöglich.«, sagtest du und wischtest dir eine Lachträne aus dem Augenwinkel.
Es kam euch auch schon einer der Krieger deines Vaters entgegen, um euch in Empfang zu nehmen. Er grüßte dich herzlich und auch Katakuri gegenüber war er sehr freundlich. Kurz erklärte er dir, dass Hannah mit der kommenden Hochzeit beschäftigt war und dich erst am Folgetag richtig würde begrüßen können. Bis dahin hattest du etwas Freizeit, konntest deinem Ehemann das Dorf zeigen und dich von der Reise erholen. Letzteres nahmst du mehr als dankbar entgegen – dein Magen schlingerte noch immer unheilvoll und du fürchtetest dich bereits vor der Reise zurück nach Flour Island.


»Keine Donuts?«

»Keine Donuts.«, bestätigtest du und unzufrieden knurrte dein Mann. Die herzhaften Mahlzeiten der Halbriesen hattest du schmerzlich vermisst und endlich gab es mal keinen zuckersüßen Kram! Süßigkeiten waren ja schön und gut, aber so ein anständiges Abendessen mit gegrilltem Gemüse und einem deftigen Eintopf war der Himmel auf Erden – doch Katakuri schien weniger begeistert über das Ausbleiben seines Leibgerichtes. Nach einem üppigen Abendessen beruhigte sich dein Magen ein wenig und die Übelkeit hatte sich schnell verzogen. Wie dein Vater immer sagte: Ein gutes Essen kuriert alles!
Eure Unterkunft war eine der luxuriösen Hütten nahe des Langhauses, dem Zentrum des großen Dorfes. Dein Vater hatte darauf bestanden, dass seine Tochter das beste Gästehaus der Insel bekam und sogar eine heiße Quelle zum Entspannen war im Garten. Trotz des Frühlings war es draußen noch frisch und kühl – keine Seltenheit für Litjässee. Es war eine kalte Insel und nur im Hochsommer kletterten die Temperaturen so hoch, dass man in Sommerkleidung unterwegs sein konnte. Umso schöner waren die heißen Quellen auf der Insel, man konnte das Wasser dann erst so richtig genießen wenn es draußen kalt war.
»Schmeckt es dir nicht?«, fragtest du Katakuri, der das gergillte Gemüse eher skeptisch begutachtete.
»Es ist nicht schlecht, aber... Es ist ungewohnt.«, sagte er und schob schließlich das Gemüse beiseite.
»Ich fand dieses ganze Zuckerzeug furchtbar am Anfang. Sirup hier, Glasur da.«, nuscheltest du zwischen zwei großen Bissen. »Wie kannst du nur andauernd Donuts essen?«
»Ich brauche viel Zucker.«, erwiderte er schulterzuckend, wechselte dann aber das Thema. »Wie war es, auf dieser Insel im Nirgendwo aufzuwachsen?«
»Langweilig.«, antwortetest du wahrheitsgemäß. »Ich habe gelernt wie man jagt, wie man fischt und wie man mit einer Waffe umgeht – obwohl ich darin nicht allzu begabt bin.«
»Wärst du es gerne?«, fragte er. Du ließt den Löffel in deiner Hand etwas sinken und schlucktest den riesigen Bissen in deinem Mund herunter. Gute Frage.
»Ich denke schon, ja.«, sagtest du nach einigen Sekunden des Grübelns. »Du bist so stark und ich kann nicht wirklich auf mich selbst aufpassen. Wenn irgendetwas passiert, müsstest du nicht nur dich, sondern auch mich verteidigen.«
»Es ist meine Aufgabe dich zu beschützen.«, stellte dein Mann fest und obwohl er Recht hatte, schütteltest du den Kopf.
»Ja und Nein. Ich sollte auf mich selbst aufpassen können.«, murmeltest du und sahst verlegen zur Seite. Was, wenn er mal nicht in deiner Nähe war? Was, wenn du die jüngeren Geschwister der Familie Charlotte verteidigen musstest?
»Ich kann es dir beibringen.« Du sahst auf und starrtest Katakuri für eine Sekunde verdutzt an.
»Wirklich?«, fragtest du nach und er nickte.
»Es wird anstrengend sein und lange dauern, aber – du bist gar nicht so hilflos wie du vielleicht denkst.« Der warme Tonfall in seiner Stimme ließ dich dahinschmelzen und leicht seufzen. Das goldene, warme Gefühl in deiner Brust tropfte zwischen deinen Rippen hervor und verdrehte dir völlig den Kopf. 

The Taste of CopperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt