To be somewhere else

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»... haben wir uns heute hier zusammen gefunden, um ...«
Du hörtest kaum die Worte des Priesters, starrtest nur auf die Brust deines Ehemannes. Wie vermutet war er groß, geradezu riesig. Doch der befürchtete Haarausfall blieb aus, ganz im Gegenteil: Katakuri sah kein bisschen aus als wäre er bereits 40. Auf den ersten Blick hin hättest du ihn wohl eher auf Anfang 30 geschätzt, so muskulös und stattlich wie er war. Die untere Hälfte seines Gesichts war versteckt unter einem mit Fell besetzten Schal, doch seine Augen durchbohrten dich mit stechenden Blicken welche du bis ins Mark spüren konntest. Als ihr euch gegenüber tratet hattest du versucht ihm ein Lächeln zuzuwerfen, ganz schüchtern und möglichst erfreut.
Diese kalten, stechenden Augen bereiteten deinen Bemühungen schnell ein Ende. Etwas an seinem Blick ließ deinen Mut schmelzen, die Hoffnung auf ein erträgliches Leben starb langsam aber sicher in deiner Brust - dir war zum Weinen zumute. So stelltest du das falsche Lächeln ein und antwortetest gehorsam auf die dir gestellten Fragen. Ob du ihn lieben willst, ihn ehren in guten wie auch schlechten Zeiten.


Ja, ich will. 


Eine Lüge. Du wolltest verdammt nochmal nach Hause! Das alles war eine furchtbare Idee gewesen, du hättest weglaufen sollen wie dein Vater es vorschlug. Am anderen Ende der Welt hättest du dich vor dieser Verantwortung verstecken sollen, wenn kümmerte es schon wenn du ein Feigling warst?
Ob er dich lieben wollte, dich ehren in guten wie auch in schlechten Zeiten. 


Ich will.


Seine Stimme war rau, dunkel und so unglaublich kalt. Keine Wärme, keine Zuneigung, nicht einmal einen Hauch Sympathie konntest du darin hören. Du wolltest nach Hause – verdammt, wenn es sein musste dann sogar auf den Grund des Meeres! Nur weg von Katakuri und diesen schrägen Gestalten der Familie Charlotte, die euch beide teils sogar entzückt beobachteten. 

Natürlich hattest du bemerkt, wie respektvoll alle mit deinem Ehemann umgingen. Sie schienen Katakuri sehr zu schätzen und zu ihm aufzuschauen, so wie sie ihn umschwärmten. Mochte er zu seinen Geschwistern auch nett sein, du hattest keinerlei Garantie dafür, dass er auch zu dir so gut sein würde. Seiner Erscheinung nach zu urteilen war er kein Mann von großer Geduld, kein sehr zuvorkommender Ehemann und wohl auch ein ziemlich schlechter Mensch.
Du konntest nur darauf hoffen dich zu irren.

»Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau.«
Du erwartetest einen Kuss um die Ehe zu schließen, doch stattdessen wandte sich Katakuri nur von dir ab. Die Familie jubelte und hinterließ dich etwas verwirrt, aber mehr als erleichtert. Kein Kuss? Glück gehabt!
Umso erschrockener zucktest du zusammen, als er seinen Arm unter deine Hand schob. Automatisch wichst du etwas zurück vor dem einschüchternden Mann, der dich dazu brachte dich bei ihm einzuhaken. Wortlos nahm er deine Angst hin, begann aber dich vom Altar zur Festtafel zu führen.
Ah, ja. Das Bankett.
Die Köche hatten sich wohl selbst übertroffen, so wie über das Essen geschwärmt wurde. Viele süße Speisen wurden angeboten, doch auch einige herzhafte Gerichte fanden sich auf dem gigantischen Tisch. Es war eher die Anordnung vieler großer Tische in U-Form, so dass aus der Hochzeitsgesellschaft schnell eine rege Tafel wurde. Es wurde gelacht, geplaudert und nachdem Big Mom das Essen offiziell gestattet hatte – mit einem Toast auf das glückliche Paar – wurde überall fleißig gegessen. Ein wenig missmutig saßt du am Kopf der Tafel, in der Nähe Big Mom, zwischen Katakuri und einer rundlichen Dame namens Compote.
Dein frisch gebackener Ehemann begnügte sich mit etwas Tee statt Essen und ignorierte dich vollkommen. Hunger war das letzte, was dir in den Sinn kam, so stochertest du lustlos in deinem Törtchen herum, die Ohren gespitzt auf die Gespräche der umliegenden Gäste. Dass diese seltsamen Gestalten nun auch deine Familie waren versetzte dir einen heftigen Stich in der Brust, denn außer Lola und Chiffon hattest du noch nicht wirklich Kontakt mit einem der anderen Mitglieder gehabt.
»Schwester! Du siehst so hübsch aus!« Ein kleines Mädchen zupfte an deinem Kleid und du sahst zu ihr herab – oh. Hatte sie wirklich drei Augen oder bildetest du dir das nur ein?
Gruselig.
»D-Danke.«, erwidertest du schüchtern und schenktest dem Kind ein Lächeln. »Dein Kleid ist auch sehr schön.«
Das Mädchen grinste breit, winkte dann aber nur kindlich und sprang davon, um sich mit den anderen Jünglingen der Familie zu beschäftigen. Verwundert über die lebhafte kleine Tochter der Charlottes fuhrst du mit der Stocherei fort, bis du schließlich wagtest eine Frage zu stellen die schon länger auf deiner Zunge lag.
»Katakuri?«, fragtest du leise zu deiner Rechten und zum ersten mal seit der Zeremonie sah dein Ehemann dich an. »Wo wohne ich.. uh, wir.. denn?«
»So schlecht informiert das junge Ding.«, säuselte Compote, die deine zögerliche Frage gehört hatte. »Liebes, Katakuri ist der Minister des Mehls. Natürlich wohnt ihr auf Flour Island.«
»Ah, vielen Dank.«, murmeltest du und nahmst weiter das kleine Früchtetörtchen auseinander. Also auf einer der außen liegenden Inseln, überlegtest du und versuchtest dir eine Karte vom Archipel in Gedanken aufzurufen. Die Hauptinsel war das Zuhause von Big Mom selbst und auch wenn Chiffon dir nicht alles hatte erzählen können vor der Hochzeit, es gab mehrere Minister für die verschiedenen Arten von Süßigkeiten. Katakuri war Minister des Mehls, da war es ja klar dass er auf Flour Island residierte.
Immerhin warst du dann nicht in der Nähe von Big Mom, die sich zu diesem Zeitpunkt gerade über die Hochzeitstorte her machte.
Der Gedanke daran, ein Bett mit diesem Mann zu teilen trieb dir die Tränen in die Augen und mit all deiner Konzentration versuchtest du nicht in Tränen auszubrechen. 

The Taste of CopperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt