Stitch me up

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Du starrtest auf den Boden, beobachtetest die Bluttropfen, die von deinem Oberkörper tropften. Schweiß rann über deine Stirn und deine Muskeln rebellierten unter dem enormen Gewicht des Stahlträgers. Sehr viel länger konntest du ihn nicht mehr stemmen und dir wurde schwindelig, deine Gedanken verschwommen bereits ineinander. Die stickige Luft und der Geruch von Blut waren zu viel, du konntest einfach nicht mehr. Du hattest Angst, dein ganzer Körper bestand geradezu nur aus Schmerzen und die Tränen in deinen Augenwinkeln bahnten sich ihren Weg über deine Wangen, vermischten sich mit deinem Blut auf dem Boden. Mit einem hilflosen Wimmern sankst du ab, ein Knie gab nach und du flehtest stumm um Hilfe.Wo waren die anderen Arbeiter? Hätte nicht schon längst Hilfe kommen müssen?!
»Katakuri!« Du sahst deinen Ehemann die Fabrik betreten, den Schal hoch ins Gesicht gezogen und er schien sich suchend umzuschauen. Als er deine verzweifelte Stimme hörte wandte er sich dir zu und du sahst die Überraschung in seinen Augen. Alles was er erwartet hatte, dich halb begraben unter einem riesigen Metallbarren zu finden gehörte wohl nicht dazu. Sofort war er bei dir, griff deine schwere Last und nahm dir den Träger ab. Augenblicklich sankst du zu Boden, hieltest deine pochende Schulter und stöhntest vor Schmerz auf.
»Bring ihn raus.«, krächztest du schwach und nicktest in die Richtung des Arbeiters. Katakuri zögerte, eine Hand an deiner blutenden Schulter.
»Du kannst nicht allein laufen?«, fragte er, woraufhin du den Kopf schütteltest. Deine Knie glichen Wackelpudding und deine Muskeln brannten wie das Feuer, das euch umgab. Noch immer zögerte er, bis er schließlich eine Entscheidung traf und dich vom Boden auflas. Ein schwaches Wimmern kam als Protest über deine Lippen, er musste doch den schwer verletzten Arbeiter retten!
»Er wird nicht überleben.«, erklärte Katakuri dir, erstickte deine kommenden Widerworte bereits im Keim - doch das beruhigte dich kein bisschen. Du hattest so viel gegeben um den Arbeiter am Leben zu halten und nun würde er trotz allem sterben – also war alles umsonst gewesen. Alles was du versuchtest schien zum Scheitern verurteilt. 


Magda war kreidebleich, als Katakuri dich nach Hause brachte. Sie wuselte um dich herum, ehrlich besorgt und hatte schon heißes Wasser und Verbände im Badezimmer bereit gestellt. Ihr mitfühlender Blick machte dir deutlich, dass du sehr mitgenommen aussehen musstest. Blutverschmiert, mit Mehl und Asche bedeckt und mit Schnitten an Armen und im Gesicht. Sie eilte den Flur voraus, öffnete die Tür zu deinem Schlafzimmer und Badezimmer, so dass Katakuri dich auf dem Boden absetzen und dich gegen die Badewanne lehnen konnte.

»Ich mach das schon.«, wandte er sich an Magda, die nervös und besorgt am Türrahmen lehnte. Sie nickte sofort, schien vollstes Vertrauen in Katakuris medizinische Fähigkeiten zu haben. Sie schloss die Tür hinter sich und du warst allein mit deinem Ehemann. Du warfst ihm einen erschöpften Blick zu – dankbar, dass er dich gerettet hatte und doch wütend, weil er den von dir beschützten Arbeiter so einfach aufgegeben hatte. Nur weil er einige Minuten in die Zukunft sehen konnte hieß das noch lange nicht, dass er allwissend war.
»Ist es in Ordnung, dass ich sie weggeschickt habe?«, fragte er schließlich etwas zögerlich, nachdem er sich dir gegenüber auf dem Boden im Schneidersitz nieder gelassen hatte. Du nicktest, auch wenn du kaum zuhören konntest. Was hatte er zu Magda gesagt? Was wollte er machen?
Er griff nach seinem Schal und zog nach einem kurzen Moment das Stück Stoff von seinen Schultern. Benommen vom Blutverlust hobst du den gesunden Arm und legtest die Hand an eine der Narben an seinem Mund, den Ansatz eines Lächelns auf deinem Gesicht.
»Die sehen ziemlich cool aus.«, murmeltest du, benebelt vom Schmerz und fasziniert von deinem Ehemann. Er entzog sich deiner Berührung nicht, schnaubte nur amüsiert und tastete vorsichtig die Wunde an deiner Schulter ab. Du zucktest unter dem Berührungsschmerz zusammen, doch er griff nach der Glasscherbe um sie heraus zu ziehen.
»Warte, nicht-!«, versuchtest du ihn von seinem Vorhaben abzuhalten – vergeblich. Er packte die Scherbe, zog sie vorsichtig, aber zügig heraus. Unter Qualen stöhntest du auf, deine Hand griff in seine Weste und du versuchtest ruhig zu bleiben, nicht zu schreien unter dem immensen Schmerz. Blut quoll hervor als die Scherbe draußen war und Katakuri drückte sofort eines der Handtücher darauf. Hilflos klammertest du dich an ihn, Tränen in den Augen und ein stummes Flehen auf den Lippen. Es tat weh, es tat so verdammt weh und du wolltest nur, dass es endlich aufhörte.
Dein Ehemann warf einen Blick auf die Wunde und runzelte die Stirn beim Anblick der tiefen Verletzung.
»Das muss ich nähen.«
»Bitte nicht.«, wimmertest du sofort, versuchtest ihn unter Tränen abzuwehren. Er packte dich möglichst sanft am Nacken, brachte dich dazu ihn anzusehen und Blickkontakt herzustellen. Die roten Augen waren sanfter als du es je gesehen hattest, doch beruhigen konnte dich das in diesem Moment nicht.
»Es wird weh tun, aber es muss sein.« Okay, das war auch nicht sehr beruhigend. »Du hast dich heute wirklich bewiesen und ich bin stolz auf dich – aber das musst du jetzt auch noch durchstehen.«
Weinend und erfüllt mit purer Panik starrtest du ihn für einen Moment an, überrascht von diesen netten und doch so ehrlichen Worten. Er war stolz auf dich und das gab dir ein unglaublich gutes Gefühl – du wolltest ihn nicht enttäuschen. Du wolltest, dass er dich mochte, denn genau genommen konntest du Katakuri inzwischen gut leiden. Ob du wolltest oder nicht, du mochtest den sturen Kommandanten wirklich sehr, wann auch immer das passiert war. Irgendwann hatte deine Abneigung abgenommen, du hattest dich an seine Anwesenheit gewöhnt und begonnen die Vorurteile gegen ihn abzulegen. Eigentlich war er ein guter Kerl, auch wenn er es geschickt versteckte.
»Dann mach aber schnell.« Schwerfällig zogst du deine zerfetzte Bluse hinab, achtetest aber genau darauf dass deine Brust gut verdeckt war – er mochte ja vielleicht dein Ehemann sein, aber so tiefe Einblicke würdest du garantiert nicht zulassen.
»Zähne zusammenbeißen.«, wies er dich an und du nicktest, bereit für die nächste Welle Schmerz. Wie erwartet tat es höllisch weh und du fragtest dich selbst kurz, warum du nicht nach Schnaps gefragt hattest, wenn es schon kein Betäubungs- oder Schmerzmittel gab. Ein gequältes Ächzen entkamen dir, jedes mal wenn die Nadel in deine Haut fuhr. Dein Plan, dir nichts vom Schmerz anmerken zu lassen funktionierte natürlich nicht, auch wenn du die taffe Frau mimen wolltest. Da konnten die Helden in deinen Büchern noch so tapfer sein, das Nähen einer Wunde ohne Schmerzmittel war die Hölle auf Erden!

The Taste of CopperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt