[7]

602 28 0
                                    

Der Tag verging eigentlich recht schnell. Deutsch war doch ganz witzig,  da die Lehrerin nach Nieks Aktion keinen Bock mehr hatte und uns einfach arbeiten ließ. Was wir natürlich auch taten. Nicht. Beziehungsweise mehr oder weniger. Ich hatte keinen Bock alles Zuhause machen zu müssen also probierte ich, während ich Emilia den Tag gestern schilderte, zumindest etwas zu arbeiten.

In Mathe war der Unterricht ebenfalls okay. Etwas zäh. Aber zumindest kapierte ich den Stoff.
In der großen Pause gab es eine kleine Rangelei zwischen zwei Hauptschülern. Normalerweise hätte Niek daneben gestanden und sie übermütig angefeuert. Doch diesmal war er still. Auch sonst war er unwahrscheinlich still. Statt unnötige Kommentare von sich zu geben, saß er nur rum und meidete jedes Gespräch. Manchmal sah er sogar so aus, als würde er fast weinen. Allerdings kann es auch gut sein, dass ich mir das nur einbildete.

In Mathe wollte ich dann kurz aufs Klo gehen und als ich in dem Gang mit den Plakaten angekommen war, sah ich ihn dort auf der kleinen Couch sitzen, die weiter den Gang hinunter stand. Seine Augen hatte er starr auf sein Handy gerichtet, allerdings sah es mehr so aus, als würde er durch den Bildschirm hindurch schauen. Langsam schritt ich auf ihn zu. Er hob kurz den Blick und schaute mir in die Augen. Seine braunen Augen glänzten und ich konnte beim näher gehen erkennen wie sich eine Träne aus seinem Augenwinkel löste. Sein Blick wanderte wieder zum Handy. Ich setzte mich neben ihn. Da ich nicht so ganz wusste was ich machen soll, legte ich ihm meine Hand auf die Schulter und starrte die Wand gegenüber an.

"Hey, was ist los?" flüsterte ich unsicher in seine Richtung. Dann hörte ich ein unfassbar traurig klingendes Schluchzen. "Meine Mutter..." probierte er einen Satz anzufangen. Ich konnte nicht anders. Er klang so unglaublich verzweifelt, das ich ihn einfach umarmte. Zögernd legte er einen Arm um mich. Ich spürte, wie sich seine Finger in meinen Hoodie kralten und hörte seine Atem an meinem Ohr. "Sie ist nie da. Das hört sich an wie so ein Kleinkind. Aber eigentlich ist sie dann zumindest morgens immer da." Kurz schaute er mich an. "Sie weckt mich und verabschiedet sich zumindest noch von mir." Er versuchte zu grinsen, gab es aber schließlich auf und vergrub den Kopf an meiner Schulter.

"Das klingt so erbärmlich." nuschelte er. "Hey, das klingt nicht erbärmlich." murmelte ich und fuhr ihm durch seine kastanienbraunen Haare. "Und ich hab jetzt halt einfach das Gefühl das sie mich immer und immer mehr vergisst und dann muss ich vielleicht auch zu meiner Schwester ins Heim." Darauf hatte ich leider nichts zu sagen. Gerne hätte ich ihn beruhigt. Doch ich hatte keine Ahnung wie. Sowas konnte ich noch nie. Stattdessen schlang ich meinen Arm noch enger um ihn.

Ich wusste nicht wie lange wir so saßen. Doch ich war mir sicher das es mindestens die letzte Schulstunde kostete. Irgendwann standen wir jedenfalls auf. Marcels Augen waren rot vom Weinen und mein Hoody ein wenig befleckt. Aber das war mir egal. Ich machte mir einfach Sorgen um diesen Jungen. Diesen Jungen der mich gerade an sich drückte und mir ein "Danke" ins Ohr flüsterte. Nach einigen weiteren Minuten die wir so rumstanden lösten wir uns und er lief langsam nach rechts und links wanken zu Tür auf der anderen Seite des Gangs. Kurz blieb er dort stehen und lächelte mich an. Er seufzte. Dann lief er betont lässig den  aus dem Gang.

DAMNWo Geschichten leben. Entdecke jetzt