Die alte Eiche

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Ich schätzte, dass mein Weg circa zehn Minuten dauern müsste. Also ließ ich mir Zeit, da ich etwas früher von zu Hause weggegangen bin. Im Nachhinein stellte ich fest, dass das keine so gute Idee war, da ich Zeit hatte, mir Gedanken über das Treffen zu machen.

Ich wurde nervös und hatte wieder Angst vor der Verabredung. Was, wenn es was schlimmes ist, dass er mir sagen möchte?

Ich merkte, wie ich mich immer weiter in die ganze Sache hineinsteigerte und schon fast Panik bekam. Meine Hände schwitzten und ich fühlte, wie meine Bewegungen immer steifer und abgehackter wurden.

Eines war mir klar, ich brauchte jetzt jemanden, der mir Mut zusprach und mich beruhigte.

So schnell, wie noch nie holte ich mein Handy hervor und entsperrte es. Meine Beine bewegten sich selbstständig weiter und ich war froh darüber.

In meinen Kontakten suchte ich Miriams Name und drückte mit zitternden Fingern darauf.

Das Leerzeichen ertönte das erste mal und mir kam der Gedanke, dass sie vielleicht gar nicht rangehen könnte, weil ihr Handy nicht in ihrer Nähe ist.

Zweites Leerzeichen. Mein Verdacht erhärtete sich. Gleichzeitig droht die Panik wieder mich in Besitz zu nehmen.

Drittes Leerzeichen. Ich bin den Tränen schon nahe und zweifle immer mehr an meinem Vorhaben.

Das vierte Leerzeichen erklingt und ich will fast auflegen, als ich plötzlich eine Stimme höre, welche fragt:"Ja?"

Erleichtert wische ich mir kurz über das Gesicht, da meine beste Freundin wirklich rangegegangen ist.

"Miriam? Oh Gott sei dank bist du rangegegangen. Ich brauche deine Hilfe. Sage mir nochmal, warum das so eine gute Idee ist, mich mit Ash zu treffen." sagte ich mit einem flehenden Unterton in der Stimme.

"Ok, ganz ruhig Aurelia. Atme tief ein und aus. Ich höre ja selbst durch das Telefon deine Schnappatmung." sagte Miriam sanft zu mir.

Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, dass meine Atmung sich wirklich verschnellert hatte. Ich konzentrierte mich und befolgte Miriams Anweisung.

Ich beruhigte mich wieder etwas. "Aurelia, bist du noch dran?" hörte ich meine beste Freundin durch die Leitung fragen. "Ja. Ich bin noch da. Danke." antwortete ich ihr.

"Kein Problem. Du wolltest doch wissen, warum du das alles machst. Das kann ich dir ganz einfach beantworten. Sogar mit nur acht Wörtern: Weil etwas wunderschönes und einmaliges daraus entstehen kann." sprach Miriam mir nochmal Mut zu.

Ich ging in mich und ließ das Gesagte tief in mein Herz, um festzustellen, dass es stimmte. Dieser eine Satz von ihr hatte mich bestärkt, indem was ich tat. Schon wieder fühlte ich mich heute dankbar.

Meine Hände beruhigten sich wieder und meine Atmung hatte sich auch normalisiert. Meine Augen blickten entschlossen und ich lief mit einem sicheren Schritt weiter.

"Du hast recht Miriam. Ich danke dir. Ich weiß, warum du meine beste Freundin bist." Aus meinen Worten sprach die pure Wahrheit.

Als Miriam sprach, hörte man, dass sie lächelte. "Na dann ist ja jetzt wieder alles gut. Du schaffst das! Ruf mich an, wenn es vorbei ist oder schreibe mir einfach eine SMS."

Meine letzten Worte an sie, bevor ich auflegte, waren:" Danke. Ich gebe dir dann Bescheid. Tschau."

Ich steckte mein Handy wieder in die Jackentasche. Nachdem ich noch eine Weile gelaufen war, sah ich das Feld. Das war das Zeichen für mich, dass es nur noch ein paar Meter sind. Mein Herzschlag beschleunigte sich wieder etwas.

Nach weiteren zwanzig Metern kam eine Biegung. Als ich diese Kurve ging, erblickte ich die alte Eiche.

Ihre Rinde war dunkelbraun und mit Rissen durchzogen. Wurzeln hatten sich tief in die Erde gegraben. Es schien jedoch, als wollten manche das Licht erblicken, da sie durch die Erddecke brachen. Auf so einer ließ ich mich nieder und betrachtete die Baumkronen über mir. Die Blätter leuchteten in einem kräftigen Grün und verästelten sich mit anderen.

Was diesen Ort jedoch wirklich diese gewisse Magie gab, war, dass dieser ältere Baum der einzige weit und breit war. Man konnte sogar fast sagen, dass die Eiche den Mittelpunkt des Feldes kennzeichnete.

Die letzten Sonnenstrahlen des Tages schienen auf mein Gesicht und erwärmten es. Ich sog das alles auf. Die Schönheit des Ortes. Als ich näher darüber nachdachte, bedauerte ich, dass ich nicht öfter hierher kam. 

Ich prüfte anhand meines Handys die Uhrzeit und musste feststellen, dass Ash noch fünf Minuten hatte. Na ich bin mal gespannt, was er von mir möchte.

Ich steckte mein Handy wieder in die Tasche und blickte verträumt auf das Bild vor mir.

Ich war so darin vertieft, dass ich nicht merkte, wie jemand hinter mich sprach und seine warme Hand auf meine Schulter legte. Als ich dies jedoch spürte, zuckte ich kurz zusammen und drehte mich um.

Mein Blick fiel zuerst auf ozeanblaue Augen. Somit war schonmal klar, dass Ash gekommen ist. Meine Augen musterten ihn wieder und stellten fest, dass er genauso wie ich, nur ein T-Shirt und eine blaue Jeans anhatte.

Sein Gesicht zierte ein umwerfendes Lächeln, welches er mir schenkte. Man konnte nicht anders als dieses ihm zurückzugeben und so passierte es, dass wir uns gegenseitig angrinsten. 

Mit seiner beruhigenden Stimme sagte Ash zu mir:" Hi Aurelia. Ich bin froh, dass du gekommen bist. Danke."

Ich hätte mir gar keine Gedanken darüber machen müssen, ob wir uns verpassten. Nach dieser Feststellung, legte sich meine Aufregung. Es klingt komisch, jedoch nahm er mir mit seiner beruhigenden und lieben Art diese.

"Kein Problem. Was wolltest du denn mit mir bereden?" fragte ich ihn.

Ash schaute daraufhin etwas verlegen nach unten und sagte:" Eigentlich wollte ich Zeit mit dir verbringen und das Spiel weiterspielen."

Das war ja süß! Sanft lächelte ich ihn an und sagte, um ihm seine Unsicherheit zu nehmen:" Sehr gerne. Setze dich doch hin und wir fangen an."

Nun strahlte er wieder und ließ sich auf die Wurzel direkt neben mir nieder, sodass seine Schulter leicht meine streifte. Es entstand dort eine wohlige Wärme und ich beschloss mich nicht zu bewegen, um diese so lange es geht zu spüren.

Ich richtete meinen Blick wieder nach vorn und sagte:"Soll ich anfangen oder du?"

Daraufhin entgegnete er:" Fang du an."

Die Geschichte der wahren Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt