Harte Worte

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Ash

In meiner Hand befand sich ein Pinsel und ich versuchte die Schönheit des Abends in einem selbstgemalten Bild festzuhalten. Ich weiß auch nicht warum, aber als ich in mein Zimmer kam und die Staffelei sah, überkam mich dieses Gefühl einfach.

Bei jedem Strich musste ich an verschiedene wunderschöne Erinnerungen denken. Wo sie mir in die Arme fiel, wie wir das Spiel anfingen, wie schnell ich sie von wichtigen Sachen ablenken konnte mit nur einer Berührung bis hin zu unserem allerersten Kuss. Diesen würde ich nie mehr vergessen!

Manchmal fragte ich mich, warum ich plötzlich so viel Glück hatte, nachdem uns das Schicksal doch so getroffen hatte. Aber jedes Mal wenn ich mir die Frage stellte, dachte ich im gleichen Atemzug darüber nach, warum mir diese Gedanken durch den Kopf gingen und ich mich nicht einfach über die Situation freute.

Ein gelber Strich zog sich durch diese Gedanken nun von rechts oben nach unten. Bisher entstanden meine Bilder allein durch die Gefühle, welche ich in diesen Moment hatte. Dieses mal schmückten helle, strahlende Farben die sonst so weiße Fläche. Ein kleines Lächeln kam auf, als ich über meine Freundin nachdachte. Es hatte in letzter Zeit so vieles mit ihr zu tun. Einfach fast alles.

Blätterte ich alle schönen Erinnerungen durch, gab es jedoch leider auch die verwirrenden, weniger verständnisvollen Momente. Wieder ging mir das Streitgespräch mit meinem Vater durch den Kopf. Bis heute hatte ich nicht verstanden, was er damit meinte. Für mich war nur wichtig, dass ich Lia weitersehen konnte, denn sie war die erste, welche mich wieder glücklich machte.

Es passierte das, was immer in solchen Situationen geschah und ich kam auf einmal nicht mehr von diesem Gespräch zwischen meinem Vater und mir weg. Als ich weiter darüber nachdachte, überkam mich auf einmal die Wut auf ihn. Welches Recht hatte er, mir das einzige wegzunehmen, was mich verstand nach all der Zeit, in der noch nicht mal er selbst das von sich sagen konnte?

Von diesem plötzlich gekommenen Zorn getrieben, stand ich auf und legte meine Malutensilien weg, damit ich meinen Vater diesmal zur Rede stellen konnte. Heute würde es anders sein. Heute würde ich ihm Fragen stellen und er würde mir Antworten. Bei dieser Sache war ich mir sicher.

Polternt stapfte ich die Treppe hinunter und stand in null komma nichts vor dem Arbeitszimmer meines Vaters. Immernoch wie im Rausch der Gefühle trat ich ein, ohne vorher anzuklopfen und sah meinen Vater, welcher sich gestresst durch seine braunen Haare fuhr.

Er wirkte verzweifelt und merkte noch nicht einmal, dass ich hier einfach so reingeplatzt war, was im nachhinein auch besser für mich gewesen war. So, wie ich meinen Vater dort sitzen sah, verrauchte ein Teil meines Zornes und ich schaute mich nach dem Grund um, warum er so durcheinander zu sein schien. Das einzige was sich auf seinem Schreibtisch befand, war: sein Handy, ein paar Unterlagen und ein aufgeklappter Laptop. Vielleicht war irgendein Deal geplatzt oder so bei seiner Arbeit.

"Dad?" fragte ich ihn. Zumindest sollte er mich erstmal bemerken. Sofort riss mein Vater seinen Kopf hoch und schaute mich etwas gehetzt an. "Das ist doch super, dass du jetzt hier bist. Ash, setz dich hin und höre mir zu. Es ist wirklich wichtig. Ich wollte sowieso gleich nochmal bei dir vorbeischauen und das klären."

Verwirrt nahm ich etwas verzögert auf dem Stuhl platz und schaute ihn einfach nur auffordernd in die Augen. Er atmete aus und fing dann an:"Es geht um das, worüber wir schon einmal gesprochen hatten. Erinnerst du dich?" Ich schüttelte als Antwort einfach nur schlicht mit meinem Kopf. "Mein Gott, Ash. Es geht um Aurelia. Wie du dir vielleicht vorst..."

Ohne darüber nachzudenken, unterbrach ich ihn einfach und stöhnte genervt auf. "Nicht schon wieder. Reicht es nicht, dass wir das schon einal besprochen hatten?"

"Nein, es reicht nicht. Warum unterbrichst du mich eigentlich? Lass mich doch erstmal zu Ende reden. Vielleicht wirst du dann endlich vernünftig." Mit leichter Verärgerung sah er mir wieder in die Augen, nachdem er sich anscheinend wieder gesammelt hatte.

"Du kannst nicht mit Aurelia zusammen sein! Du hast diese einfache Forderung von mir nicht einhalten können und somit sage ich dir nun, was dich erwartet, wenn du meine Regeln weiter nicht beachtest. Du wirst auf ein Internat geschickt. Ich habe auch schon das schönste für dich rausgesucht.",sagte er mit einem kleinen Lächeln im Gesicht,"Es ist in Frankreich und es ist eine reine Jungsschule."

Entsetzt sah ich ihn an. In das Ebenbild meiner Augen."Was!? Warum? Nur weil ich mit Lia zusammen bin? Was ist denn das für ein Grund? Du kannst mir doch nicht meine erste große Liebe verbieten! Außerdem, warum denn Frankreich? Ich behersche doch noch nicht einmal die Sprache wirklich gut! Ich finde mich dort nie im Leben zurecht! Ich gehe da nicht hin!" Entschlossen lehnte ich mich auf dem Stuhl zurück und blickte meinem Vater mit trotzigem Ausdruck in die Augen.

Das konnte er sowas von vergessen! Ich würde doch nicht nur, weil mein Vater es so wollte, meine Freundin verlassen. Wie kommt er denn nur auf so eine Schnapsidee?

"Mit mir wird nicht diskutiert! Du gehst dort hin, wenn du dich weiter mit Aurelia triffst!" rief er sauer aus.

Ein schlichtes "Nein" war meine Antwort. In dieser Situation würde ich nicht nachgeben. "Warum sollte ich?"

Ich beobachtete meinen Vater ganz genau und sah auch den Wandel in seiner Stimmung. Sein fast schon aufrecht stehender Körper, welcher sich so positionierte, als wir diskutierten, sackte auf einmal in sich zusammen. Außerdem schlug er seine Augen ergeben nieder und fuhr sich nocheinmal durch die Haare, was sein Aussehen heute nicht gerade verbesserte.

"Ash, bitte glaub mir doch einmal. Vertrau mir. Es ist das Beste für Aurelia. Denk darüber nach und gehe jetzt in dein Zimmer. Ich will bis morgen früh eine Entscheidung. Du weißt, was die Konsequenzen wären."

Ich sah ein, dass es sich nicht mehr lohnte, weiter zu reden und verließ den Raum. Es sollte das Beste für sie sein? Was sollte das denn bedeuten?

Verwirrter als zuvor, lief ich in mein Zimmer.

Die Geschichte der wahren Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt