Das merkwürdige Verhalten meines Bruders

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Ich drehte mich so, dass ich nun Ash wieder direkt in die Augen blicken konnte und streichelte ihm leicht über die Wange, während ich ihm mitteilte, dass ich ganz schnell los müsste.

Erst schien er leicht traurig, dass ich schon gehen musste, doch er verstand auch, warum ich so schnell los laufen wollte und ließ mich los. Wenn auch mit viel wiederwillen. Das alles war einfach so süß!

Mit einer letzten, wohligen Umarmung verabschiedete ich mich vom ihn und nahm meine Beine in die Hand, um schnell nach Hause zu gelangen.

Meine Schritte beschleunigten sich immer mehr bis ich fast rannte und meine Gedanken rasten. Über das, was gerade passiert war, das was jetzt gleich passieren würde und das was irgendwann mal passieren wird.

Als ich bei der Biegung ankam, drehte ich mich nochmal um und sah, wie Ash immernoch dort stand und mir hinterherblickte. Wieder schlich sich ein Lächeln auf meinem Gesicht und ich wunk ihm nochmal zu.

Danach drehte ich mich wieder um und lief weiter. Eigentlich wollte ich ja nicht von Ash weg, aber leider musste es sein.

Wenn mein Bruder Hilfe brauchte, würde ich immer kommen. Egal, wo ich mich in dem Moment befand.  

Die zehn Minuten schienen, als würden sie einfach so verschwinden, da ich schon nach kurzer Zeit das fliederfarbene Haus sah und erkannte, dass das Licht im Flur brannte. Anscheinend wartete Max schon auf mich. Er hatte es wirklich eilig.

Auf den letzten paar Metern war ich ganz schön aus der Puste. Endlich vor der Haustür, freute ich mich darüber, dass ich nur wenige Minuten gebraucht hatte, um hierher zugelangen. Meine Finger tasteten wieder suchend durch meine Tasche, um meinen Haustürschlüssel ausfindig zu machen. Gerade, als ich mit einem klirren des aneinanderschlagenden Metalls, die Tür ausmachen wollte, wurde sie schon mit viel Schwung vor mir aufgerissen.

Ich hatte Glück, dass sie nicht gegen meinen Kopf gekracht ist. Vor Schock hatte ich meinen Oberkörper wieder schnell nach hinten gelehnt, um der Tür auszuweichen und meine Augen waren weit aufgerissen, da es wirklich knapp war.

Wow, was war mit meinem Bruder los? So hatte er mir auf jeden Fall noch nie die Tür geöffnet.

Als ich mich etwas beruhigt hatte, schaute ich mir Max genauer an und musste mit erschrecken feststellen, dass er ziemlich abgehetzt und wütend aussah. Seine Haare waren in alle Richtungen verteilt, seine blau-grauen Augen waren von einer Wut erfüllt, die ich vorher nicht kannte, da sie gegen mich gerichtet war. Als ich dies erkannte, war ich zutiefst betrübt und wollte es auch nicht glauben. Eigentlich waren wir nie wütend aufeinander. 

Das hört sich vielleicht komisch an, jedoch war es wirklich so. Unser ganzes Leben lang war es entweder nur ein Scherz oder wir haben uns gleich in der nächsten Sekunde wieder mit einer Umarmung vertragen.

Wenn wir ehrlich sind, überforderte mich die Situation sehr. So kannte ich meinen Bruder nicht und das, was ich da sah, machte mir Angst. Ich hatte Angst vor dieser neuen Seite, da ich sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Max packte mit einer ruckartigen Bewegung meinen Arm und zog mich an diesem in den Hausflur. Er drückte etwas zu fest zu und tat mir weh. Jedoch sah es nicht so aus, als ob er dies merken würde. Also machte ich ihn darauf Aufmerksam, da ich wusste, dass er mich niemals verletzen würde.

"Max, beruhige dich! Du tust mir weh. Lass mich los." Panik und etwas Angst begleiteten meine Stimme und diesmal schaute er wirklich zu mir und das wichtigste: in mein Gesicht.

Er erkannte, was diese Situation in mir auslöste und nahm sofort seine Hand von meinem Arm, wie als hätte er sich verbrannt und sagte mit leicht zitternder Stimme:" Es tut mir leid, Schwesterherz. Wirklich! Ich wollte dich niemals verletzen. Es ist nur so wichtig, dass ich jetzt gehe und ich kann hier nicht weg ohne, dass ich mir sicher bin, dass Mona gut versorgt ist. Ich muss jetzt auch schnell los. Hab dich lieb."

Er umarmte mich noch ein letztes Mal, wenn auch wieder zu fest und verschwand durch die Tür. Dadurch, dass er komplett angezogen gewartet hatte und mit dem Autoschlüssel in der Hand, ging alles ziemlich schnell.

Er ließ mich allein. Ich hatte keine Chance, eine Erklärung einzufordern, mich zu versichern, dass es ihn gut ging und er um jemand anderen sich so sehr sorgen machte und nicht um sich selbst. Im Grunde hatte er mir keine Zeit gelassen, irgendwas herauszufinden. 

Meine Beine standen immer noch an der gleichen Stelle, wo Max mich hingezogen hatte. Mein Blick immernoch starr auf die Tür gerichtet, realisierte ich erst jetzt so richtig, was passiert war.

Eine Zeit lang verweilte ich noch auf meinen Platz und bewegte mich dann langsam wieder los, in Richtung des Schuhschranks. Jeder Schritt weg von der Tür, fühlte sich so falsch an und es wurde mir immer schwerer, nicht doch hinter Max herzurennen. 

Ich hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend und wusste, dass etwas schlimmes passiert sein musste.

Als ich meine Schuhe endlich weggeräumt hatte, lief ich wie automatisch in das Wohnzimmer, wo Mona schon auf mich wartete und schwanzwedelnd zu mir tippelte auf ihren Pfoten.

Mechanisch streichelte ich ihr über den Kopf und kraulte sie hinter den blonden Ohren.

Ich bewegte mich, wie in Nebel und hatte keine Ahnung in welche Richtung ich musste, um wieder herauszufinden. Meine Sicht verschwamm reglmäßig und meine Beine gaben langsam, aber sicher unter mir nach und es schien, wie als würde sich alles wiederholen. Damals, als mein Dad ging und ich dies realisierte, war es genauso, nur schlimmer, da ich mich verraten fühlte.

Jetzt, hatte ich wieder Angst, allein in diesem Nebel zu bleiben und mich in diesen grauen Schlieren zu verlieren. Damals, kam mein Bruder und zog mich heraus.

Heute erkannte ich, dass in diesem Moment mir niemand helfen konnte und ich mich allein rauskämpfen musste. Ich konnte das schaffen! Ich musste es einfach. Ich war nicht allein auf dieser Welt und ich hatte noch viel wichtigeres zu tun in meinem Leben, als jetzt wieder in ein tiefes Loch zu fallen, nur weil ich so sensibel bin.

Also beschloss ich, schonmal jetzt damit anzufangen und ich versuchte die kalten Erinnerungen und die Zweifel, durch gute Momente und Liebe zu ersetzen.

Die Geschichte der wahren Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt