Nach meiner Frage, schaute er mich erstmal nur an und sagte gar nichts. Ich wartete. Versuchte die Geduld aufzubringen, um ihn erstmal nachdenken zu lassen. Er wirkte kurz überfordert und ließ meine Hand los.
Die Wärmequelle versiegte und für mich schien dieses Gefühl von Sicherheit zu fehlen. Was war nur mit ihm los?
Max drehte sich um und fuhr sich mit seinen beiden Händen fahrig über das Gesicht.
"Du solltest jetzt in dein Bett gehen. Es ist schon mitten in der Nacht." sagte er ungeduldig, wie als hätte er noch was vor und müsste dringend weg. Mal wieder.
Zu erst schien es mir, wie als hätte ich mich verhört. Ich wiederholte nochmals den Inhalt seiner Worte und kam bedauernswerterweise zum gleichen Ergebnis. Ich war total verstört und verstand einfach nichts mehr.
Wie konnte es nur sein, dass wir nun hier gelandet sind?
Je mehr ich über meine eigens gestellte Frage nachdachte, wurde mir umso besser bewusst, wie lange seine Verwandlung eigentlich schon anhielt. Er lernte und wirkte manchmal genervt, wenn ich in sein Zimmer hineinkam. Seine Augen schmückten dunkle Ringe und er wirkte des öfteren mit seinen Gedanken weit weg. Bis jetzt hatte ich mir nicht wirklich Gedanken darüber gemacht, aber jetzt fingen sie an. Schnell wirbelten sie durch meinen Kopf. Der eine Fetzen erschien und verschwand jedoch so schnell wieder, dass ich nicht mal erkennen konnte, was darauf stand.
Mein Kopf drehte sich und meine Sicht verschwamm schon wieder etwas. Durch mehrere Male hintereinander mit den Augen blinzelnd, versuchte ich sie wieder klar werden zu lassen. Jedoch schmerzten meine blau grauen Augen dadurch nur noch mehr. Ich hatte heute Abend eindeutig schon zu lange gewacht. Immmerhin hatten wir es schon so gegen fünf Uhr am Morgen.
Mein Bruder und ich standen immer noch mit den Gesichtern uns beiden zugewandt gegenüber und redeten nicht mehr. Ich, weil ich schockiert war und nachdachte, was uns an diesen Punkt gebracht hatte. Er, weil er schon wieder total wo anders war. Man merkte es daran, wie er einen Punkt fixierte, in seinem Fall die Fließen des Flures, und minutenlang darauf starrte. Jedoch schaute er sie nicht richtig an. Nein. Es schien, wie als würde er hindurch sehen. Etwas erblicken, was ich nicht sehen konnte und das machte mich in diesem Moment noch trauriger, als ich schon so war. Er ließ micht nicht teilhaben und das obwohl wir früher immer uns gegenseitig alles anvertraut hatten.
Die Zeit verging und je länger wir dortstanden, desto mehr befasste ich mich mit der jetzigen Situation. Was auch immer der Grund war, weshalb Max jetzt so zu mir war, er würde es mir schon erzählen. Irgendwann. Denn wir waren Geschwister und liebten uns. Darauf musste ich einfach vertrauen.
Immernoch stand mein Bruder wie versteinert da. Ich war mir unsicher, was ich nun machen sollte, da ich ihn nicht überfordern oder verärgern wollte.
Nach längerem hin und her überlegen, hob ich erst zögerlich, dann jedoch immer mehr und mehr zielgerichteter meine Hand, um ihn leicht über seine Schulter zu streichen.
Max zuckte zusammen und schaute mir verwirrt in die Augen. Gleich darauf runzelte er seine Stirn und machte einen Schritt von mir weg. Dies tat mir mehr in meinem Herzen weh, als ich es mir eingestehen wollte. Enttäuscht über unsere jetzige Situation richtete ich meinen Blick nach unten auf den Boden, damit er nicht meine aufkommenden Tränen sah.
Ich getraute mich nicht auch nur einen Finger zu bewegen und verharrte dort, bis ich eine Tür zuschlagen hörte. Mit dem lauten Knall lief mir auch schon die erste Träne über die Wange. Mein Kopf war immernoch nach unten hängend und meine Schultern bebten, als der erste Schluchzer kam.
Ich selbst gestattete mir fünf Minuten bis ich in mein eigenes Zimmer wankte. Auf dem Weg zu den Treppen wischte ich mir die Tränen von meinem Gesicht. Niemand sollte morgen früh erkennen, dass ich geweint hatte. Mit langsamen und schleppenden Schritten setzte ich immer einen Fuß vor den anderen. Immer nur weiter, dachte ich mir. Bis du angekommen bist.
Natürlich musste ich an dem Zimmer meines Bruders vorbei und hörte, wie etwas gegen seine Wand donnerte, als ich an seiner Tür vorbeilief. Ich wollte gar nicht wissen, was er dort drinnen veranstaltete.
Das Gewicht legte sich langsam, aber stetig wieder auf meine Schulter und drückte mich herunter. Ich hatte das Gefühl, wie als wären es jetzt noch mehr Sorgen geworden, da die Last fast doppelt so viel wog.
Endlich war ich an meiner eigenen Zimmertür angekommen und machte sie auf, um in mein schon warm beleuchtetes Zimmer hinein zu laufen. Sofort wanderte mein Blick zu dem größeren Dachfenster und ich musste feststellen, dass die Sonne schon ziemlich hoch stand. Jedoch empfand ich bei dieser Entdeckung nichts, da meine Gedanken sich immernoch mit meinem Bruder befassten.
Wie in Zeitlupe drehte ich meinen Kopf in die Richtung meiner Uhr und erkannte, dass es schon halb sechs war. Okay. Gott sei dank war heute Samstag. Das wiederum hieß, dass ich lange schlafen könnte und außerdem müsste ich mir schonmal keine Gedanken, um meine immernoch gut sichtbaren Tränenspuren zu machen.
Emotionslos tapste ich auf mein Bett zu und lies mich darauf fallen. Es war mir egal, dass ich immernoch meine normalen Sachen anhatte und dies vielleicht heute Nacht unnangenhem werden würde. Es war mir einfach alles gerade im Moment total egal.
Nun lag ich hier und versuchte mich zu beruhigen. Ein kaltes Lüftchen streichelte mir über den Nacken, sodass ich sofort Gänsehaut an dieser Stelle bekam. Aus diesem Grund, wurde mir bewusst, dass ich vergessen hatte meine Zimmertür zu schließen. Jedoch konnte ich mich auch nicht dazu aufraffen, sie zu schließen. Ich hatte doch eine Bettdecke, mit der ich mich wärmen konnte.
Automatisch griff meine Hand nach hinten und zerrte solange an dem roten Stück Stoff bis es sich halbwegs ordentlich über mich drapiert hatte. Sofort spürte ich, wie es etwas wämer wurde. Daraufhin zog ich die Decke noch enger um mich.
Mein Körper fror vielleicht nicht mehr, jedoch existierte die Kälte immmernoch in meinem Herzen.
Meine blau grauen Augen schlossen sich und meine letzten Gedanken verschwendete ich mit dem Hoffen, dass ich lange und tief schlief, um nicht so schnell wieder mit meinen Problemen konfrontiert zu werden.
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Die Geschichte der wahren Liebe
JugendliteraturWisst ihr was? Hättet ihr so eine tolle Oma wie ich, wärt ihr das glücklichste kleine Mädchen, das es auf Erden gibt. Meine Oma erzählt mir nämlich jeden Abend, wenn sie mich zudeckt, eine Gute Nacht Geschichte. Die Geschichte der wahren Liebe. So...