Kapitel 6: Vernebelt

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Loki dachte an nichts.
Rein.gar.nichts.
Er fühlte sich generell eher stumpf, fast als wäre all das nicht real.
Oder als wäre er ohnmächtig.
Und Luft bekam er auch nicht richtig, aber das war ihm egal und überhaupt alles war ihm egal.
Nichts zählte mehr, nichts hatte mehr einen Sinn.

"Warum.", murmelte er und atmete ein, wobei sein Atem rasselte.

Captain Marvel ließ ihn los, damit er vernünftig Luft holen konnte.
Sie wusste ja nicht, dass nicht sie Schuld war, dass Loki dieses furchtbar bezwängende Gefühl in der Brust hatte.
Sie nahm einfach an, dass die Haltung in der sie sich umarmten ihm irgendwie die Luft abgeschnürt hatte.
Sie wusste nichts von den Alpträumen und da sie versuchte nicht so sehr auf Lokis sehr blaues, ziemlich gruseliges Aussehen zu achten waren ihr die Würgemale an seinem Hals nicht aufgefallen.
Sie konnte nicht ahnen, dass Thanos Loki in seinen Träumen heimsuchte und seine Gedanken vergiftete.
Das hatte nur Thor gewusst und der war...

Loki vergrub sein Gesicht in den Händen und fluchte.
Captain Marvel erwartete einen weiteren Ausbruch der Trauer, doch als Loki die Hände sinken ließ, erkannte sie, dass er grinste.
Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinab.
Die roten Augen des Gottes funkelten und das Grinsen war nahezu...wahnsinnig.

"Also Captain Marvel.", knurrte er und sprang auf die Füße.
Irritiert erhob sie sich ebenfalls, hielt aber einen gehörigen Sicherheitsabstand von dem Mann.

"Wie heißt du eigentlich?", lächelte er, die Luft vor ihm flackerte wie an einem heißen Tag und die Illusion legte sich wieder über ihn.

Hatte er diese Hörner vorhin schon getragen?, wunderte die Frau sich.

"Carol.", sagte sie. Es klang mehr wie eine Frage als eine Antwort, Lokis plötzlicher Launenwandel verunsicherte sie stark.

"Carol...a-ha...", murmelte er.

"Ca-rol. Caroool. Caarol...", summte er.

Sie beobachtete verstört, wie die Illusion über ihm flackerte und immer wieder sein wahres Aussehen zeigte.
Was sollte das?

"Hm jaah. ", grinste er.
"Carol passt zu dir."

Sein Blick verfinsterte sich und die Illusion verstärkte sich erneut, nur um seiner nächsten Bewegung nicht schnell genug zu folgen und erneut aufzuflackern.

Die roten Augen wirkten teuflisch.

"Nun denn.", flüsterte er, kaum hörbar.

"Thanos wird dafür büßen."

Carol glaubte ihm das sofort.

Sie traute sich nicht wirklich ihm näher zu kommen und wahrte immer einen Meter Abstand.
Vermutlich nützte ihr das nicht wirklich, denn er beherrschte Mittel die sie vermutlich sofort töten könnten, wendete er sie an.
Sie versuchte sich irgendwie von diesen Gedanken ablenken.

Sie mochte Loki nämlich eigentlich.
Als Thor ihr damals erzählte, er müsse seinen Bruder retten, der...nunja...schwierig wäre, hatte sie sich den Gott vollkommen anders vorgestellt.
Thors Geschichten hatten Loki mal als Wahnsinnigen und mal als Bruder dargestellt und sie wusste damals nicht, was sie von dem Gott des Schabernacks halten sollte.

Doch sobald sie ihn gesehen hatte, den hochgewachsenen, drahtigen Mann mit den rabenschwarzen Haaren und den Hellblauen Augen, verstand sie, dass keine Erzählung, keine Geschichte dieses Mysterium jemals erklären könnte.

Hinter diesen Augen lagen so viele Emotionen, hinter der hohen Stirn so viele Gedanken die niemals jemand zu hören bekommen würde.

Und nun fürchtete sie sich vor ihm.
In ihren Gedanken hallte seine Wort vom Vortag nach:
"Diese Hände haben fürchterliche Taten vollbracht...Ich wirke vielleicht nicht so, aber ich bin kein Schuft..."

Sie beobachtete den Gott, wie er vor der Fensterfront auf und ab lief.
Als er sich zum etwa 83. Mal umdrehte um in die andere Richtung zu laufen, sprang sie auf und lief zu ihm.
Er machte Anstalten sich wegzudrehen, doch sie packte ihm am Kragen und fauchte:
"WAS SOLL DAS!"

Er starrte sie mit leerem Blick an und sie ließ ihn los.

"Hör zu Loki. Du darfst jetzt nicht die Nerven verlieren, okay?
Wenn du dich jetzt nicht konzentrierst, gibt es keine Rettung mehr für niemanden!"

Loki hob den Kopf.
Er fühlte nichts, hörte alles als ob er halb- taub wäre und nahm seine Umgebung kaum war.
Über alles schien sich ein dunkler Schleier gelegt zu haben.

"Loki!", hörte er Carols Stimme durch den Schleier dringen.
"Loki, ohne dich schaffe ich das nicht."

Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit, doch er konnte nicht reagieren.
Er war wie festgefroren, konnte sich nicht rühren, nichts sagen, nicht vernünftig denken...

Ein Luftstrom schoss an seinem Ohr vorbei und ein scharfer Schmerz zog sich über seine linke Wange bis zum Ohr hinauf.
Ein greller Ton dröhnte in seinem Kopf und plötzlich, es war als würde sich ein Schalter umlegen,
konnte er wieder klar sehen und hören.

"Loki!", rief Captain Marvel verzweifelt und holte erneut aus.
Er hielt ihr Handgelenk fest und sie guckte ihn mit großen, verängstigten Augen an.

"Es tut mir so leid.", sagte er leise und ließ sie los.

"Ich bin der wohlmöglich schlechteste Partner zum Aufmuntern und Weltretten."

Carol lächelte unsicher:
"Ich bin auch nicht Miss Sunshine. Aber überleben würd' ich trotzdem gern."

Der große Mann fuhr sich über die vor Schmerz glühende Wange:
"Aber bitte, könnten wir das mit den Ohrfeigen in nächster Zeit lassen? Das soll doch nicht zur Gewohnheit werden!"

"Nur wenn du ein lieber Gott bleibst."

Einen Moment lang starrten die beiden sich lächelnd an, dann, fast gleichzeitig, fingen sie an irgendwelchen Mist vor sich hinzureden und verschwanden äußerst schnell aus Thors ehemaligem Zimmer und somit auch aus der peinlichen Stille.

Carol Danvers bereitete das Schiff soweit auf den Zeitsprung durch Lichtgeschwindigkeit am nächsten Tag vor und Loki verdrückte sich in sein Zimmer.

Er mochte die Menschenfrau. Er mochte sie tatsächlich.

Aber woher kam das denn plötzlich? Keiner Person aus Asgard hätte er jemals diese Freundschaftsgefühle entgegenbringen können und jetzt...
Gerade eine Menschenfrau!
Und er vertraute ihr, stellte der Gott überrascht fest.

Wann war es geschehen, dass er wieder jemanden Vertrauen schenken konnte?

____
Maheinungeeen!!??

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