Kapitel 5

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Selena

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Selena

Ich fasse es nicht. Kurz kann ich meinen eigenen Augen nicht trauen. Ein paar Meter vor mir beugt sich der Verkehrsrowdy von heute morgen über sein Bike. An seiner Statur erkenne ich sofort, dass es sich um einen der Forwards des Rugby Teams handeln muss.  Diese arroganten Kerle gehen den Meisten hier mit ihrer respektlosen Art schon lange auf den Keks. Sie glauben tatsächlich, sie könnten sich alles erlauben, ohne jemals mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
Eigentlich bin ich eher schüchtern und zurückhaltend, aber beim bloßen Gedanken daran, wie knapp ich vorhin einem wirklich bösen Sturz entgangen bin, werde ich richtig sauer. Und da platzt es plötzlich aus mir heraus.

  „Hey du! Ja du, mit dem blauen Mountainbike! Stopp“, rufe ich, bevor mir selbst überhaupt bewusst wird, dass ich dabei auch noch ein paar Schritte auf ihn zu stapfe.

  „Hast du eigentlich schon mal was von Rücksicht gehört?“, blaffe ich ihn an.

Impulsiv dreht er sich um. Weil er sich in der selben Bewegung auch aufrichtet, verlagert sich seine Haltung weiter nach vorne. Fast wäre ich mit der Nase gegen seine Brust gestoßen. Zum Glück kann ich ihm noch ausweichen - zum zweiten Mal heute.

  „Es tut mir leid. Ich wollte es wirklich nur…“, kurz stockt er, „ausleihen.“

Seine Stimme klingt unbekannt, tief und rauchiger, als ich es von jemandem in meinem Alter gewohnt bin.
Perplex blicke ich zu ihm auf.
Da steht er, tiefbraune Augen, markantes Gesicht, Haare die so dunkel schwarz sind, dass sie selbst im Sonnenlicht kaum schimmern.
Mehr als überrascht, stelle ich fest, dass vor mir niemand aus unserem Rugby Team steht.
Das ist der Neue, ganz sicher.
Als mir auffällt, dass ich ihn anstarre, wende ich verlegen den Blick ab.
Süffisant lächelt er mich an und ich spüre, wie meine Wangen rot werden.

„Das ist echt dein Mountainbike?“, fragt er, während er mich kurz mustert.

  „Was? Nein, warum?“

Etwas an der Art wie er mich anschaut, macht mich nervös.

  „Ähm, schon gut“, winkt er ab, „was wolltest du von mir?“

Plötzlich schwingt ein ganz anderer Unterton in seiner Stimme mit. Direkt wirkt er etwas weniger freundlich, eher distanzierter und ein wenig gelangweilt.

  „Heute morgen hast du mich mit deinem Rad so abgedrängt, dass ich beinahe einen Unfall hatte.“

Obwohl er mich etwas aus dem Konzept gebracht hat, versuche ich weiterhin taff zu klingen.
  Für einen Moment steht er einfach so da und schaut mich an, während er auf dem kleinen silbernen Ring in seiner Lippe kaut.

  „Oh, sorry“, äußert er sich schließlich.

Ich warte darauf, dass er dieser halbherzigen Entschuldigung noch etwas hinzufügt. Doch das passiert nicht. Ohne ein weiteres Wort, lässt er mich stehen und schwingt sich auf sein Fahrrad.
Fassungslos schaue ich ihm hinterher, bis er  den Parkplatz überquert hat und außer Sichtweite ist.
In diesem Augenblick weiß ich gar nicht so wirklich wie ich mich fühlen soll. Natürlich bin ich noch zornig wegen heute morgen. Seine knappe Entschuldigung hätte er sich praktisch auch komplett sparen können. Er hat mich überhaupt nicht ernst genommen. Und jetzt komme ich mir richtig dumm vor, weil er mich so peinlich hat stehen lassen, als wäre ich ein Niemand.
Allerdings bin ich nicht nur wütend auf ihn, sondern auch etwas wütend auf mich selbst. Ich muss mir wirklich endlich angewöhnen, selbstbewusster aufzutreten.
Sichtlich angefressen steige auch ich auf mein Rad und mache mich auf den Weg nach Hause. Die Lust in der Bücherei zu Stöbern ist mir irgendwie vergangen.

Die Wäsche ist gewaschen und aufgehängt. Ich habe gekocht, gesaugt und Staub gewischt. Jetzt bin ich froh, endlich die Beine hochlegen zu können.
  Gemütlich sitze ich mit meinem Teller Makkaroni auf dem Schoß im Wohnzimmer vor dem Fernseher. So etwas kann ich nur machen, wenn mein Dad nicht zu Hause ist. Er hasst es, wenn auf der Couch gegessen wird. Das war schon so, als ich noch klein war. Damals habe ich beim Abendessen ab und zu heimlich Cartoons geschaut, wenn er bei der Arbeit war. Mom fand das alles okay. Sie war in den meisten Dingen um einiges  lockerer.
Mein Teller ist längst leer und der Abwasch wartet immer noch in der Spüle auf mich. Der Film gefällt mir aber so gut, dass ich bis zur nächsten Werbepause warten möchte, als mich etwas aufschreckt.
Ein Knarren, das aus dem Flur kommt.

„Dad?", rufe ich ins Dunkle.

Als ich keine Antwort bekomme, schiebe ich das Knarren aufs alte Holz und schaue weiter zu, wie die Ermittler in meinem Film den Mord aufdecken.
  Plötzlich knarrt es nochmals. Von einer Sekunde auf die andere fühle ich mich hellwach, mein Herz klopft heftig gegen meine Brust.

„H ... Hallo?"

Ängstlich lausche ich in die Stille.

  „Dad?", rufe ich noch einmal.

Dieses Mal klinge ich rauer, da sich mein Mund auf einmal schrecklich trocken anfühlt.

„Das hier ist ein altes Haus, ein sehr altes, morsches und ständig knarrendes Haus mit quietschenden Treppen und zugigen Fenstern", rufe ich mir beruhigend in den Sinn.

Ich sollte wirklich versuchen mehr Schlaf zu bekommen. Momentan bin ich oft etwas von der Rolle.
So wie vorhin an den Fahrradständern. So aufbrausend kenne ich mich gar nicht. Doch daran will ich nicht denken, sonst ärgere ich mich nur wieder über das Benehmen von diesem Neuen. Zumindest zu einer halbwegs aufrichtigen Entschuldigung hätte er sich durchringen können, statt mich wie einen Idioten stehen zu lassen.
  Entschlossen mich vernünftig, wie es sich für eine fast Achtzehnjährige gehört, zu benehmen, stehe ich auf und schalte das Licht im Flur ein, bevor ich mit dem Fuß die Tür zur Küche aufschnellen lasse.
Natürlich ist außer mir niemand hier.
Also schalte ich das Radio an und greife zum Spülmittel. Besser ich drücke mich nicht länger vor dem schmutzigen Geschirr, sondern erledige es gleich, damit ich mich danach direkt hinlegen kann. Das wird mir gut tun.
  Und mit Musik geht die Arbeit gleich leichter von der Hand. Zudem vertreibt es das Gefühl von Einsamkeit, wenn Lenny Kravitzs Stimme durch die Küche donnert.
  Ich lege gerade die letzte Gabel ins Besteckfach, als ich die Haustür zuknallen höre.
Schnell drehe ich die Musik leise. Da erkenne ich auch schon das Geräusch stolpernder Stiefel, die mir verraten, dass Dad betrunken den Flur entlang poltert.

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In your Darkness Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt