Kapitel 12

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Selena

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Selena

Nancy ist tatsächlich mit ihrer Cousine nach Northeim gefahren. Natürlich freue ich mich für die Beiden, dass sie dort Spaß haben, aber ich hätte mich sehr gefreut, sie heute hier an meiner Seite zu haben. Also versichere ich ihr, dass wir das nächste Mal, sollte es ein nächstes Mal gegen,  zusammen ans Pier gehen. Dann  lege ich auf und schiebe mein Handy wieder in die Tasche.
  Als ich mich umdrehe, um zurück zu gehen, erstarre ich erschrocken. Ein dunkler Schatten nimmt mir die Sicht.
  Mir stockt der Atem, denn Killian steht nur wenige Zentimeter vor mir. Um ein Haar hätte ich ihn umgerannt. Ich spüre seinen heißen Atem an meiner kühlen Haut, rieche sein Aftershave. Er riecht holzig, süßlich und nach irgend etwas, das ich nicht deuten kann. Ein nervöses Kribbeln breitet sich in mir aus. Verlegen weiche ich zurück.

  „Sorry, mein Absatz…“, murmle ich so leise, dass ich befürchte, meine Stimme könnte im Wind komplett untergehen.

  „Ich wollte nur sehen, ob bei dir alles okay ist“, spricht er ruhig, „Regnar hat einen Anruf bekommen und musste los.“

„Oh, ich hoffe, es ist alles in Ordnung?“, erkundige ich mich.

„Ja, denke schon“, antwortet Killian wortkarg, „Du solltest auch besser wieder zu den Anderen gehen, statt hier alleine im Dunklen rumzuspazieren.“

„Kommst du nicht mehr mit rüber?“, frage ich verwundert.

Sein Blick wandert von mir zur Gruppe hinüber. Einen Moment scheint er das Treiben dort zu beobachten.

  „Nein, das ist irgendwie nicht mein Ding, weiß du?“, antwortet er schließlich ohne mich anzusehen.

  „Oh ja, ich weiß was du meinst“, sage ich mehr zu mir selbst, als zu ihm, wobei ich zwei Klassenkameraden beobachte, wie sie völlig betrunken durch den Sand schwanken.

„Wollen wir abhauen?“

Verblüfft schaue ich ihn an.

„Wohin denn?“, frage ich verwundert.

„Keine Ahnung, hier gibt’s ja nicht gerade viele Möglichkeiten. Lass uns einfach Laufen.“

Das hatte ich nicht erwartet. Wilde Partys scheinen doch eher genau das zu sein, was jemand wie Killian als Spaß bezeichnen würde. Da kommt es mir irgendwie seltsam vor, dass er einen Spaziergang bevorzugt. Er wirkt nicht gerade wie jemand, der sich zum Vergnügen die Beine vertritt.
Weil es aber eine gute Möglichkeit ist, ihn ein wenig kennen zu lernen und ich tatsächlich ein bisschen neugierig bin, was an den Gerüchten , die man über ihn erzählt, dran ist, stimme ich zu.

Eine ganze Weile gehen wir schweigend nebeneinander her. Allerdings ist das Schweigen nicht unangenehm oder peinlich. Es ist schlicht eine Ruhe zwischen uns, die sich sogar irgendwie gut anfühlt.

  „Was hat dich eigentlich dazu gebracht heute zu kommen, wenn du solche Treffen nicht magst?“, durchbricht Killian die Stille.

Tatsächlich muss ich kurz darüber nachdenken. Was hatte ich erwartet? Was hat mich gereizt hier aufzutauchen. Wirklich beantworten kann ich es mir selbst nicht. Ich wollte mutiger sein, taffer, damit ich später nicht bereue, alles verpasst zu haben. Das werde ich Killian jedoch so natürlich nicht erzählen.

„Ich wollte es mir mal anschauen. Aber ich glaube, ich bin hier einfach fehl am Platz. Und du?“

„Keine Ahnung, mir war langweilig zu Hause. Ich steh aber nicht mehr so auf den ganzen Trubel. Davon hatte ich in Leeds genug“, erklärt er.

Jetzt, da er Leeds selbst angesprochen hat, ergreife ich die Gelegenheit nachzuhaken.

  „Warum seid ihr eigentlich von dort weggezogen?“

  „Wegen meinem Dad“, antwortet er wieder nur knapp, „Das ist eine lange und komplizierte Geschichte.“

„Familie ist immer kompliziert. Besonders wenn…“, erschrocken von meiner Ehrlichkeit breche ich mitten im Satz ab.

  „Besonders Väter“, murmelt Killian, während sein Blick ins Leere geht.

Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Anspielung auf das, was er im Reiner’s gesehen hat ist, oder ob er von seinen eigenen Erfahrungen spricht. Jedoch spüre ich etwas Wehmut in seiner Stimme. Hat er ebenfalls schwere Zeiten durchlebt?
Weil ich aber nur zu gut verstehen kann, dass man nicht gerne über solch persönlichen Dinge spricht, frage ich nicht weiter nach. Immerhin kennen wir uns erst seit ein paar Minuten.

  „Regnar und du? Woher kennt ihr euch?“, wechsle ich das Thema.

  „Ach schon ewig. Er ist sozusagen ein Freund der Familie. Er ist wie ein bissiger Welpe. Wenn er erstmal deine Wade geschnappt hat, wirst du ihn schwer wieder los. Also, lass‘ ihn besser gar nicht erst zu nahe an dich heran“, berichtet er mit einem schiefen Grinsen, bei dem sich kleine Grübchen auf seinen Wangen bilden.

Als ich Killian fragend anschaue, weicht er mir allerdings wieder aus. Mehr Infos werde ich wohl auch zu diesem Thema nicht mehr bekommen.

  „Da drüben können wir uns hinsetzen.“

Ich folge ihm und setze mich neben Killian auf die Bank, der sich eine Zigarette anzündet. Langsam inhaliert er den Rauch, lässt den Kopf in den Nacken sinken und bläst ihn in den Himmel.
Außer uns ist niemand hier. Es ist dunkel und still. Und obwohl ich hier mit jemandem sitze, der mir eigentlich fremd ist, genieße ich diesen Augenblick. Der Wind weht über die Docks und trägt die frische, salzige Prise zu uns rüber. Ich fühle mich frei und unbeschwert, ohne Verpflichtungen. So könnte ich die ganze Nacht sitzen und aufs Wasser schauen.

Wir reden, lachen und vergessen dabei völlig die Zeit. Nachdem mein erster Eindruck von Killian alles andere als gut war, muss ich mir jetzt eingestehen, dass es wirklich schön ist, Zeit mit ihm zu verbringen.

  „Es ist schon spät. Ich sollte dich besser nach Hause bringen.“

Um ehrlich zu sein, würde ich lieber noch sitzen, bis die Sonne auf geht. So etwas habe ich noch nie getan. Aber ich will Killian auch nicht aufhalten. Also stimme ich zu.
Gemeinsam schlendern wir die Straße hinunter. Wirklich eilig hat es keiner von uns.

  „Was hast du nach der High School vor?“, möchte er wissen.

  Da muss ich nicht sehr lange nachdenken.

  „Ich hoffe auf ein Stipendium von der Universität in Kent“, sprudelt es aus mir heraus, „Aber ich will mich nicht darauf versteifen. Ich habe mich auch bei der Grosseteste University in Lincoln beworben. Wenn das nichts wird, werde ich ein Jahr Jobben und mich dann hier in der Nähe einschreiben.

  „Education Abschluss in Englischer Literatur, ja?“

Mit großen Augen schaue ich ihn an.

„Ja, woher …“

„Ich habe mein Glück bei der Goldsmiths University of London versucht. Wieder ein Stück näher an zu Hause. Aber so wie die Dinge laufen, sollte ich mir das besser nochmal überlegen.“

„Wow“, hauche ich, „ich hätte nicht erwartet, dass du gerne Romane liest.“

Sofort bereue ich es, den Satz laut ausgesprochen zu haben. Natürlich wollte ich ihn damit nicht beleidigen.

„Tut mir leid, ich wollte damit nicht sagen, dass du…“

„Schon okay“, lacht Killian.

Ein ganzes Stück laufen wir wieder schweigend nebeneinander her, bis wir schließlich in meine Straße biegen.

„Gibt es Ärger, wenn du so spät heim kommst?“, erkundigt er sich besorgt.

„Nein, mein Dad ist wahrscheinlich gar nicht da.“

Kurz mustert er mein Gesicht.

„Hast du schon mal das Gefühl gehabt, anders zu sein? Irgendwie nicht dazu zu gehören?“, fragt er plötzlich, wobei er mit den Zähnen am Ring in seiner Lippe spielt.

Eigentlich sollte mich diese Frage wohl eher  verwundern, wenn ich dieses Gefühl nicht allzu gut kennen würde.

  „Nur zu oft“, antworte ich leise, ohne ihn dabei anzusehen.

  „Weißt du, Selena, die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen“, ein verächtliches Lachen huscht über seine Mundwinkel, „Ganz und gar nicht. Und du…“

Seine dunklen Augen forschen in meinen, als könne er darin lesen. Gleich berühren seine Lippen meine. Schwindelig neige ich den Kopf zur Seite um zuzulassen, dass er die letzte Lücke zwischen uns schließt.

„…Du solltest dich besser von Regnar und mir fernhalten“, flüstert er mir mit gedämpfter Stimme zu.

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