Kapitel 7

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Killian

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Killian

Schon den halben Nachmittag überlege ich, wie ich hier am Besten an Geld komme. In Leeds gab es genug Gelegenheiten, das Portmonee aufzugpolstern. Aber hier in Edinburn sieht das Ganze etwas anders aus. Soweit ich weiß, gibt es hier kaum Bars oder Clubs in der Nähe. Mal ehrlich, hier gibt es nur einen einzigen Bäcker, der vor 7 Uhr geöffnet hat. Und der lachhaft kleine Supermarkt schließt pünktlich um 19 Uhr. Kurz gesagt, meine Möglichkeiten sind sehr begrenzt.

  „Hey Killian!“, reißt mich die helle Stimme dieser Rebecca aus meinen Überlegungen.

Kurz nicke ich ihr zu, bevor ich ein bisschen schneller laufe, um beschäftigt zu wirken. 
Und da fällt bei mir der Groschen. Hatte Rebecca nicht etwas von einem Treffen am Pier erzählt? Nachdenklich ziehe ich die Augenbrauen zusammen. Doch, ich bin mir sicher, dass sie was vom Pier erzählt hat.

  „Ähm Rebecca!“ , rufe ich, worauf sie lächelnd auf mich zukommt, „Wo trefft ihr euch am Freitag nochmal?“

Ihr Lächeln wird breiter.

„An der alten Anlegestelle unten am Hafen. Das ist nicht schwer zu finden, einfach die Dam Road entlang. Von hier aus sind es keine 15 Minuten. Hast es dir überlegt und schaust auch vorbei?“

„Ja, mal schauen. Bis dann“, verabschiede ich mich schnell, denn die Idee in meinem Kopf ist mittlerweile ziemlich ausgereift.

Am Hafen gibt es Schiffe. Wo Schiffe sind, sind Seefahrer, und wo verbringen die ihre Zeit? In Hafenkneipen. Genau das, was ich jetzt brauche.
Also mache ich mich auf den Weg runter ans Pier, meinen Lebensstandard etwas aufpolieren.
Es dauert tatsächlich nicht lange bis ich das Schreien der Möwen höre und das Salz in der Luft regelrecht schmecken kann. Über ein paar modrige Planken, vorbei an drei kleinen, bunt gestrichenen Fressbuden, kommt man direkt an die Anlegestellen. Um diese Uhrzeit ist hier nichts los, doch aus einem der Backsteingemäuer weiter rechts kann ich leise Musik hören. Das ist dann wohl der Ort, den ich suche.
Schwungvoll öffne ich die Holztür. Im selben Moment stößt mir ein Gemisch aus Schweiz, Zigaretten und Schnaps entgegen. An der Bar sitzen ein paar ältere Männer, die auf dem kleinen Fernsehen an der Wand hinter dem Tresen ein Footballspiel mitverfolgen. Neben der Tür zur Toilette kauert ein anderer Mann betrunken und alleine über seinem Bierkrug. Im hinteren Bereich sitzt eine Gruppe Seemänner kartenspielend an einem runden Tisch.
Mit wenigen Schritten stehe ich bei ihnen.

„Ist der Platz noch frei?“, frage ich wortkarg, während ich den freien Stuhl an der Lehne zurückziehe.

  „Jungchen, wir spielen hier nicht zum Spaß“, antwortet einer der Kerle mit einem Zahnstocher im Mundwinkel.

  Unbeeindruckt setze ich mich.

  „Ich spiele nie zum Spaß“, entgegen ich ihm, „Also, Omaha oder Texas Hold’em?“

„Texas Hold’em, Blind ist bei 50 Pfund“, knurrt mein Nebenmann.

  „Dann los“, entgegne ich, während ich den Schein auf den Tisch werfe.

Runde für Runde läuft es natürlich fantastisch für mich. Gelassen sitze ich am Tisch und beobachte die Anderen. Auch wenn sie bemüht sind ihre Nervosität und Unsicherheit hinter ihren Zigaretten und schlechten Pokerfacen zu verbergen, entgeht mir nichts. Der Kerl neben mir und sein Gegenüber, Alex, sind weder gute noch erfahrene Spieler. Ich muss sie nur anschauen und weiß praktisch alles über die Beiden. Sie sind für mich absolut offene Bücher, offene Seelen. Matthew ist am schwersten zu durchschauen. Sein Gesicht ist mit Narben und tiefen Falten durchzogen. Seine leeren Augen verraten, dass er schon einige unschöne Dinge gesehen hat. Im Gegensatz zu allen anderen Männern hier am Tisch, hat er nicht wirklich etwas, wofür er zu brennen scheint. Das macht es so schwer in seine Tiefe zu blicken. Dennoch nehme ich sie alle gnadenlos aus. Schließlich brauche ich das Geld.

  „Verdammt!“, brüllt Alex plötzlich, „Du kleiner Mistkerl willst uns doch verarschen!“

Wütend springt er auf und stemmt seine beharrten Arme auf den Tisch.

  „Ja, der Scheißer zockt uns ab“, bellt Matthew.

Von meinen Beinen hoch durchzieht mich das bekannte Gefühl. Unaufhaltsam steigt es in mir auf, durch jede Ader, durch jede einzelne Vene meines Körpers. Mein Puls beschleunigt sich, mein Herz klopft fest gegen meine Rippen. Aber es ist keine Angst, kein Adrenalin.
Energisch balle ich die Hände so fest zu Fäusten, dass meine Fingerknöchel sich weiß verfärben, während ich versuche die pochende Ader an meiner Schläfe zu ignorieren.

„Lasst den Scheiß besser bleiben“, presse ich durch zusammengebissene Zähne hervor.

Ich klinge rauer, dunkel und bedrohlich. Ich spüre, wie sich die Wut ungezügelt in mir aufbaut. Ich muss sie aufhalten.
Tief ziehe ich Luft in meine Lungen. Ich muss mich beruhigen, bevor die Situation  außer Kontrolle gerät.

„Was ist denn mit dem los?“, murmelt mein Nebenmann, der vorsichtig von mir Abstand nimmt.

„Schon gut, schon gut, Jungchen“, brummt Matthew mit abwehrenden Händen.

Doch der Zorn durchfährt unaufhaltsam die angespannten Fasern meiner Muskeln. Es fällt mir schwer, mich länger zu beherrschen.

„Dad?“, erklingt eine Stimme im Eingangsbereich.

Ich wende mich von den Männern ab, und sehe zur Tür. Mein wilder Blick klärt sich. Schlagartig komme ich ins Hier und Jetzt zurück.

  „Da hinten“, nuschelt der kleine Barkeeper und deutet mit dem Kopf in Richtung der Toiletten.

Ein Mädchen stürzt auf den Mann zu, der abgetreten mit dem Kopf auf der Tischplatte liegt und auf das Holz sabbert.

„Dad! Steh auf, wir gehen nach Hause“, haucht ihre leise Stimme brüchig.

Vorsichtig rüttelt sie an seinem Arm, bis der Mann endlich den Kopf hebt.

„Komm Dad, das Taxi ist bestimmt gleich da. Ich bringe dich heim“, spricht sie liebevoll mit ihm, bevor sie sich an den Barkeeper wendet, „Was schuldet er dir denn noch, Karl?“

„Schon gut, ich schreib es an“, antwortet dieser, „Schau nur, dass ihr gut nach Hause kommt.“

Dankbar schenkt sie ihm ein zaghaftes Lächeln.
Erst da erkenne ich sie. Sie hat mich gestern an den Fahrradständern angesprochen.
Unbeholfen versucht sie ihrem Vater beim Aufstehen zu helfen. Dann stützt sie ihn, indem sie seinen Arm um ihre schmalen Schultern legt. Beide kommen ins Schwanken und wären fast gefallen. Blitzschnell stopfe ich das gewonnene Geld in meine Taschen und stehe bei ihnen, um sie zu unterstützen, während die Anderen nur weiter gaffen.

  „Danke, das geht schon“, murmelt sie verlegen, „Wirklich, das geht schon.“

„Es ist kein Problem, ich bringe ihn raus“, bestehe ich darauf, ihr zu helfen.

Ich habe zwar ein wenig Angst davor, dass mir ihr Vater auf die Schuhe kotzt, kann aber nicht länger zusehen, wie sie sich abmüht. Also greife ich selbst seinen anderen Arm und hieve ihn über mein Kreuz.
Langsam führen wir den Trunkenbold also durch die Kneipe raus an die Luft, wo bereits das Taxi wartet.
Mit angewidertem Gesichtsausdruck hilft uns der Fahrer, indem er wenigstens die Tür öffnet.

  „Da ist eine Tüte“, brummt er mürrisch, „Wenn er mir die Sitzbezüge versaut, zahlt ihr die Reinigung.“

Peinlich berührt entschuldigt sie sich bei ihm für die Unannehmlichkeiten, bevor sie sich an mich wendet. Verlegen kickt sie ein kleines Steinchen vom Gehweg.

  „Danke für deine Hilfe. Es ist nicht so… ich meine … er ist nicht immer…“, ringt sie nach Worten, während ihre Wangen rot anlaufen.

  „Schon gut, jeder trinkt mal einen Schnaps zu viel“, mache ich es ihr leichter.

  „Danke“, wiederholt sie.

Dieses Mal klingt ihre Stimme gefestigt, erleichtert.
Da schaut sie zu mir auf und ich kann ihr zum ersten Mal direkt in die Augen schauen, bevor sie mir den Rücken zudreht und ins Taxi steigt.
Ich schaue ihnen noch nach, bis das Auto um die Ecke biegt. Sie hatte etwas an sich, in ihren Augen, das ich nicht deuten kann. So etwas ist mir schon sehr lange nicht mehr passiert. Eigentlich ist es für mich ein leichtes andere Leute zu lesen.
Ein kühler Windhauch bläst über mich hinweg. Ich bin hier draußen nicht alleine. Ich weiß, dass er da ist, ohne mich umzudrehen.

  „Hallo Regnar, lange nicht mehr gesehen.“

“

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In your Darkness Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt