Deli - Teil 12

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Gestern schien Deli unendlich weit weg. Wie in Trance hatte sie Alenas Geschichte aufmerksam zugehört, doch nun wünschte sie, die entsetzenden Worte aus ihrem Kopf verbannen zu können. Deli war mit den anderen aufgestanden, doch sie hatte sich bald verabschiedet und sich auf einen der vielen Bäume auf dem Gelände zurückgezogen. Ihr war schlecht bei dem Gedanken an den vergangenen Abend, und so war sie auch nicht zum Frühstück gegangen. Nun versuchte Deli, auf dem weitläufigen Gelände Ruhe zu finden. Sie setzte sich auf einen Ast, der ungefähr 3 Meter über dem Boden war, wo sie noch dickere Äste fand. Sie legte sich hin, um das Blätterdach bestaunen zu können. Die morgendlichen Sonnenstrahlen zwischen den Blättern musterten ihre Haut, die Äste und den Boden. Doch auch wenn Deli einen geradezu idyllischen Platz zum Entspannen gefunden hatte, ließen sich ihre Gedanken nicht vom umherschweifen abhalten. Genauer gesagt schweiften sie nicht umher, sondern fixierten sich auf den vergangenen Abend. Deli erschauerte allein bei dem Gedanken daran. Sie zog den Reißverschluss ihrer Jackentasche auf und holte ein kleines unbeschriftetes Tütchen heraus, welches sie glücklicherweise mit auf den Baum genommen hatte. Das Tütchen war weiß und aus Plastik sowie ein wenig ausgebeult. Deli öffnete dem wiederverschließbaren Verschluss der Tüte und ließ eine der darin befindlichen Kapseln auf ihre Handfläche rollen. Sorgfältig schloss sie das Tütchen wieder, steckte es in ihre Jackentasche und schloss den Reißverschluss, wobei sie darauf achtete, die rot-gelbe Kapsel auf keinen Fall von ihrer Handfläche rollen zu lassen. Dann fokussierte sie sich wieder ganz auf ihre Kapsel, dass was sie die Geschichte von Alena vergessen lassen sollte. Sie hob ihre Handfläche, öffnete ihren Mund, warf die Droge hinein und schluckte. Ja, es war eine Droge die sie da nahm. Noch vor einem Jahr hatte sie aufmerksam den Vorträgen der Vertreter von Anti-Drogen-Kampagnen gelauscht, doch das Gefühl, dass mit der Einnahme von der Kapsel einherging, war die Risiken Delis Meinung nach wert. Und so wirkte die Kapsel wie eine rot-gelbe Schutzmauer gegen Schulstress, Streit und Alenas Vater. Wobei diese Gedanken nicht mehr in ihrem Kopf auftauchten, wenn sie einmal high war. Alena senkte ihren Kopf wieder auf den Ast, die Hände hinter ihrem Kopf, und sog die Sonnenstrahlen, die ihr zehntausendmal intensiver erschienen, ein. Bunte Farben leuchteten in ihre Augen, und sie konnte sich nichts Lebenswertes an einer Welt ohne das strahlende Blau des Himmels, was sie nur mit Drogen wahrnahm, finden. Zehntausende Farben explodierten in ihrem Kopf, gaben Deli das Gefühl einer sauberen, farbenfrohen Welt ohne Grauschattierungen. Was war so falsch daran, die wahre Schönheit der Welt zu erkennen? Deli genoss die Farbströme, die sie bei jedem Rausch aufs Neue faszinierten. Der Ast, auf dem sie lag, war strahlend grün und zugleich von einem so sauberen braun, dass Deli sich wie in einem Traum fühlte. Drogen gaben ihr Hoffnung und ein Fenster aus Problemen in eine sorgenfreie Welt.

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