Probenfahrt

Caro - Kapitel 13

Caro saß vor einer Trommel im Raum der Percussion AG. Konzentriert schlug sie in demselben, eintönigen und doch spannenden Rhythmus auf das Trommelfell. Nach einer Weile setzten die Trommeln kurz aus, und sie nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche.

Der vergangene Abend nagte doch mehr an ihr als sie Alena gegenüber zugeben wollte. Doch Caro war fest entschlossen, Alenas Geschichten zuzuhören, für sie da zu sein, wenn sie sich etwas von der Seele reden musste und nicht wie Cran ins Bad zu verschwinden. Caro hatte gestern Abend Alenas Bedürfnis gespürt, das Geheimnis kein Geheimnis bleiben zu lassen, die Scham ihren Freundinnen zu präsentieren und sich ihrem Urteil auszusetzen.

Obwohl es gestern so wirkte, als sei dieses Urteil von Cran schon getroffen, war sie heute Morgen besonders nett, rücksichtsvoll und einfühlsam. „Es ist nicht sie", hatte Cran heute Morgen zu Caro gesagt, „Es ist die Vorstellung von all diesen Sachen, die mich so abgeschreckt hat." Caro konnte ihr keinen Vorwurf machen, und doch hatte sie das Gefühl, Crans Platz an der Seite von Alena eingenommen zu haben. Sonst waren die beiden unzertrennlich, aber heute Morgen war allen klar, dass Alena mit Crans Reaktion nicht klarkam.

Caro stellte die Trinkflasche beiseite und nahm sich ihre Stöcke. 1-2-und-und-4-1-2-und-und-4 ging es achtmal hintereinander. Dann war ein Rhythmuswechsel in ein Schema, dass sie vor einer Stunde gelernt hatten. Caro war erfüllt von dem Rhythmus und trommelte den Gegenpart zur Trompetenstimme. Wurde Rachel an der Trompete leiser, musste Caro lauter trommeln, spielte Rachel laut, wurde das trommeln zu einem leisen Hintergrundgeräusch. Caro genoss dieses Duett, vor allem, da sie Trompeten sehr gerne mochte.

Doch leider wollte ihre Mutter nicht, dass sie Trompete lernte. „Konzentrier dich auf die Schule!", sagte sie oft. Caro verstand ihre Mutter; ihr war Schule auch sehr wichtig, doch sie hätte gerne Trompete gelernt. Wenigstens war sie in der Percussion-AG; da diese von der Schule organisiert war, hatte Caros Mutter zugestimmt.

Es kam wieder ein Rhythmuswechsel, und die gesamte Percussion-AG setzte ein. Nach ein paar Takten unterbrach Herr Traut das Stück: Weiter waren sie bisher nicht gekommen. „Das lief doch ganz gut", meinte er. „Rachel, du darfst noch ein bisschen mehr Unterschied zwischen laut und leise machen. Caro, du machst das schon gut. Nur das Solo bitte! 1-2-3-" Rachel setzte zeitgleich mit Caro ein. Und tatsächlich schaffte sie es, den Lautstärkewechsel noch dominanter zu machen. Caro steigerte sich ebenfalls, sodass die Gesamtlautstärke in etwa gleich blieb. „Super!", strahlte Herr Traut. „Ihr habt echt das Zeug dazu, die Bühne zu rocken!" Obwohl sie an der Trommel auch keine Anfängerin war, bewunderte sie Rachel für ihr geradezu angeboren scheinendes Talent, Trompete zu spielen. Doch sie erinnerte sich noch an Rachels erstes Stück auf der Trompete; damals hatte es selbstverständlich niemand ausgesprochen, aber es klang scheußlich. Doch Übung hatte auch aus Rachel eine wahre Meisterin gemacht.