Cran - Kapitel 15

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Warum wollte sie nur jemals die Big-Band leiten? Cran sah sich einer zur Hälfte lustlosen und zur Hälfte aufmüpfigen Gruppe entgegen. Ein oder zwei Mädchen waren keins von beidem, doch sie waren zu schüchtern, um sich dem Rest entgegenzusetzen. In den vergangenen zwei Stunden hatte Cran noch weniger geschafft als Herr Schmitt. Langsam verlor Cran die Nerven. Herr Schmitt war auch irgendwo, nur nicht hier. „Was sollen wir jetzt tun?", rief Josh, der Posaune spielte. „Das Stück noch ein fünfzehntes Mal durchspielen?" Cran reichte es. Doch Leute wegschicken konnte sie nicht, schließlich war die Probenfahrt nicht dafür gemacht, dass Leute ohne AG dabei waren. Und so musste sie Josh zustimmen: „Noch einmal ,Fluch der Karibik' von vorne, bitte", rief sie. Halbherzig kamen einige Instrumentalisten zu ihrem Platz zurück, doch Cran spürte eindeutig eine Welle der Feindseligkeit. ,Wie lange wird es wohl dauern, bis wir auch nur mit ,Fluch der Karibik' durch sind?', fragte sie sich und versuchte, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Doch als sie in die Runde sah, waren die meisten schon wieder in ihren Grüppchen. Cran sank kraftlos auf ihren Stuhl. Was konnte sie nur besser machen. Josh war der Anführer der Gruppe, würde er mitarbeiten, würden alle anderen auch mitmachen. Doch Josh zum Spielen zu bewegen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Sie konnte ihm auch mit nichts drohen; Cran besaß nicht die Macht, Leute nach Hause zu schicken. Doch am Handy konnten sie auch anderswo spielen. Also öffnete sie die Tür zu einem fast ebensogroßen Nebenraum, der mit einem Fernseher und vier Sofas ausgestattet war. Josh schaute kurz von seinem Handy hoch, sah den Raum und grinste. „Geil!", sagte er zu Cran und schlenderte in den Raum. Eine große Gruppe Jungs und einige Mädchen, alles in allem etwa zwanzig Leute, folgten ihm. Cran schloss die Tür und lehnte sich erschöpft daran. Dann schaute sie in die Runde: Einige waren noch an ihrem Platz; Sie war die einzige verbliebene Trompete, drei Mädchen mit Saxophon, 2 Posaunen, ein Junge und ein Mädchen, eine Flötenspielerin, der Klavierspieler und das Horn sahen sie erwartungsvoll an. ,Es gibt also doch Leute, die wirklich spielen wollen!', dachte sie erschöpft, aber glücklich. Auch wenn es mit ihr nur neun Leute waren, das waren wenigstens welche, die hier nicht nur wegen ihren Freunden saßen. Noch ziemlich unsicher fragte sie fast: „Wollen wir noch einmal durchspielen?" Sie nickte dem Klavierspieler zu, der seine Finger auf die Tasten für den Anfangsakkord legte. Schon legte er los. Nach zwei Takten Klaviersolo musste Cran den Posaunen und dem Horn den Einsatz geben, eine Zählzeit später den Saxophonen und der Flöte. Nach einem weiteren Takt kam sie dazu. Zum ersten Mal klang die Big Band so, als würde mehr dahinterstehen als Lustlosigkeit und falsche Töne. Zufrieden mit sich selbst spielte Cran den Schlusston, den sogar alle richtig erwischten. Nein, das Stück war noch nicht gut, so präsentieren war absolut unmöglich. Doch der erste Schritt war getan und Cran staunte, wie viel er gebracht hatte.

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