Hilfesuchend warf ich einen Blick zu Rita. Schulterzuckend sah sie mich an.
Ich hatte mich da selbst hineingeritten. Es war mir klar, dass er da sein würde, ich war nur so dumm und hatte gedacht, ich könnte ihm ausweichen. Ausgerechnet ihm, dessen Ego ich höchstwahrscheinlich angekratzt hatte.
Sometimes I feel like giving up, but I just can't,
It isn't my blood
Shawn Mendes' Stimme ertönte in Form eines Remix aus den Boxen. Den Song kannte und mochte ich. Die Message dahinter war eine Kampfansage gegen das Gefühl aufzugeben. Musik hatte mich schon einmal dazu verleitet auf V zuzugehen und nun würde sie mir helfen nicht vor ihm davonzurennen, sondern mich meiner Angst, meinen Fehlern, V und mir selbst zu stellen.
"Larees, ich nehme Wahrheit?"
Er will, dass ich ihm eine Frage stelle, die er ehrlich beantworten würde. Das war meine Chance. Das ist doch das, was ich wollte, oder? Wahrheit. Einiges hatte er mir schon erzählt, von dem ich jedoch nur vermuten kann, dass es die Wahrheit ist. Wie zum Beispiel, dass er schwul ist, dass er aber trotzdem mit Mädchen rummmacht. Einfach spaßhalber. Ich könnte ihn damit und mit vielem mehr konfrontieren, ihn als das größte Arschloch dastehen lassen, aber in seinen Augen glitzerte ein frecher Schimmer, der andeutete, dass er nur auf solch eine Frage wartete.
"Woher weißt du meinen Namen?"
Seine Augenbrauen schoben sich zusammen.
"Habs ohne deine Schritt-für-Schritt Anleitung geschafft"
"Das war nicht die Antwort auf meine Frage"
Sichtlich genervt fuhr er sich durch seine Haare.
"Ich hab halt herumgefragt, war jetzt nicht so schwer, aber warum fragst du so etwas, wenn du die Chance hast, die Wahrheit über wirklich Wichtiges zu erfahren?"
"Weißt du, du bist mir schon lange nicht mehr wichtig", grinste ich herablassend, stand auf und strich mein Kleid glatt.
"Bin gleich wieder da"
Ich warf mein schönstes Lächeln in die Runde, ließ dabei jedoch gekonnt Timeon aus. Rita machte Anstände, mir zu folgen, jedoch signalisierte ich ihr, sitzen zu bleiben. Ich wollte alleine sein.
Da es mir zu peinlich war, jemanden zu fragen, wo das Bad war, ging ich so schnell und unauffällig wie ich nur konnte, sodass mich möglichst keiner sah, die Treppen hinauf und wollte schon auf gut Glück alle Räume durchprobieren, als mir einfiel, was manche Menschen in solchen Räumen machen könnten. Also drückte ich mein Ohr an jede Tür, um mir auch wirklich sicher sein zu können, dass es dort drinnen gerade niemand miteinander trieb. Überraschenderweise war es schon bei der ersten Türe leise und als ich sie vorsichtig öffnete und in den Raum lugte, sah ich ein weißes Doppelbett. Es war dieses typische Metallbett mit Stangen zu Schnörkeln gebogen, das mittlerweile fast jedes Mädchen besaß. An den lila Wänden hangen Leuchtschnüre, an denen wiederum Polaroid-Fotos hangen. Eindeutig Elles Zimmer. Ich war verwundert, dass sie diesen Raum nicht zugesperrt hatte, aber andererseits froh. Hier konnte ich mich für den Moment zurückziehen.
Langsam ließ ich mich auf die, in ebenfalls violetter Farbe, Bettdecke sinken und strich gedankenverloren über sie. Der Anblick von Timeon hatte meine Gefühle wieder einmal auf Achterbahnfahrt geschickt. Ich wollte ihn nie wieder sehen, habe gewusst, dass er kommen würde und bin trotz allem auch gekommen. Langsam fühlte ich mich von mir selber verarscht. Vielleicht war gar nicht V das Arschloch, sondern ich selber. Wieso nahm ich mir alles immer viel zu sehr zu Herzen? Übertrieb ich? War ich zu emotional?
Wie auf Kommando perlten kleine Tränchen meine Wangen hinunter. Leise schluchzend ließ ich mich rücklings in das weiche Bett fallen. Und wieso weinte ich jetzt schon wieder? Es gab nicht wirklich einen Grund. Ich kannte mich einfach nicht mehr bei mir selbst aus.
Ich war damals wirklich in ihn verknallt. Die kleine, naive Larees war in den unglaublich attraktiven, schwulen Timeon verknallt, hat gedacht, sie könnte ihn von sich überzeugen, ihn seine sexuelle Einstellung überdenken lassen. Gott, sie war so dumm. Nachdem sie aber schließlich mit ihm getanzt und seine Nähe gespürt hatte, hat sie ihn zur Rede gestellt und realisiert, dass sie überhaupt nichts ändern konnte. Und es hat ihr das Herz gebrochen. Sie befahl Abstand und dachte einige Zeit später, sie wäre darüber hinweg, könnte neu anfangen, doch dann sah ihr Unterbewusstsein eine Chance ihn wiederzusehn, ergriff sie, und zeigte ihr, dass sie noch lange nicht darüber hinweg war.
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Dear V
RomanceWas tun, wenn du dich in jemanden verschaust, der dich nicht kennt ... oder zumindest nicht weißt, wie du aussiehst? Und wenn du dann noch erfahren musst, dass du bei ihm keine Chance hast. Und mit keine Chance meine ich auch keine Chance. L muss...