Kapitel fünfundzwanzig

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Das kann nicht sein. Warum sollte er nach mir suchen. Die Erinnerung an damals bereitete mir Kopfschmerzen. Mir wurde schlecht und ich musste mich zusammen reißen nicht sofort los zu heulen. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und da meine Arme verschränkt waren, war es für Außenstehende nicht sichtbar. Mein Herz schmerzte bei seinem Anblick. Er ist groß geworden und sah unserem Vater ziemlich ähnlich.

"Wärst du Jimins Bruder würdest du bestimmt nicht nach ihm suchen", sagte ich kühl. Durch den Aufruhr eben kamen auch die anderen zu uns und beobachteten das Spektakel. Yoongi warf mir einen verwirrten Blick zu und drückte mich näher an sich. Hyunjun stellte sich direkt hinter mich. Im Augenwinkel sah ich wie Tae etwas sagen wollte doch Kookie hielt ihn noch rechtzeitig zurück.

"Warum sollte ich nicht nach ihm suchen? Er ist mein Bruder. Ich suche schon seit Jahren nach ihm. Jetzt wo ich dachte ich hätte ihn endlich gefunden, scheint er nicht hier zu sein."

"Baby..." setzte Yoongi an doch Jihyun unterbrach ihn.

"Baby? Ist er dein Freund?"

"Ja, etwas dagegen?", sagte Yoongi angepisst.

"Nein, er ist süß. Aber zurück zum Thema. Wo ist Chimchim?"

"Chimchim, wo bist du?" rief mein Hyung. Ich versteckte mich im Bad und wartete bis er näher dran war.

"Nicht hier", rief ich ehe ich aus meinem Versteck sprang.

"Nicht hier", kommentierte ich lediglich. Sofort schnellte sein Blick zu mir und seine Augen wurden groß. Eilig lief er auf mich zu und umarmte mich stürmisch. Ich spürte wie er in meinen Nacken weinte jedoch war ich nicht in der Lage zu reagieren. Da ich nach einigen Minuten noch immer nicht reagiert hatte, löste er sich von mir und guckte mich mit glasigen Augen an.

"Warum bist du hier?" Meine Stimme blieb kalt. Er sollte nichts mit mir zu tun haben. Er soll sich von mir fern halten. Das alles hatte er nicht verdient.

"Warum bist du so?" Erneut war er den Tränen nah.

"Wie bin ich denn?"

"Kalt. So wie du es nie warst."

"Jihyun, ich bitte dich. Du kanntest mich vier Jahre lang. Damals war ich noch ein Kind. Das ist über zehn Jahre her. Du solltest gehen. Das wäre das Beste."

"Du hast Recht, ich kannte dich nur vier Jahre aber dennoch gut genug um zu wissen, dass du niemals so bist. Du bist genau so wie Eomma. Wenn du etwas nicht an dich ran lassen willst, tust du so als würde es dich nicht bewegen." Ich sagte daraufhin nichts. Ich wusste, dass er recht hatte aber es war besser so. Würde er mich erneut sehen, würde ich ihn nur unnötig an früher erinnern. Ich starrte ihn unverändert an bevor ich ins Wohnzimmer gehen wollte. Schneller als ich reagieren konnte, hatte Jihyun mich am Arm gepackt und somit gestoppt.

"Lauf nicht weg von mir. Was habe ich dir getan, dass du mich so verabscheust?"

"Ich verabscheue dich doch nicht. Es ist einfach besser so."

"Inwiefern ist das besser?"

"Dann kannst du in Ruhe dein Leben genießen ohne zurück zu denken."

"Was? Weißt du was für eine scheiße du laberst? Ich denke so oder so immer wieder an diesen Tag zurück und ich weiß auch, dass es dir nicht anders geht. Ich wette mit dir, dass du fast jede Nacht davon träumst und jede freie Sekunde von dieser Erinnerung geplagt wirst."

"Wenn du immer dran denkst warum bist du dann hier? Warum hasst du mich nicht?" Ungewollt wurde ich lauter. Erneut lagen alle Blicke auf mir aber diesmal waren sie geschockt. Es hatte wohl keiner mit dieser Frage gerechnet und am wenigsten Jihyun.

"Wie kommst du darauf das ich dich hassen könnte?"

"Weil ich es tue. Ich hasse mich für das was damals passiert ist."

"Jimin, es ist nicht-"

"Natürlich ist es meine Schuld. Wäre ich damals nicht gewesen, hätte Eomma sich nicht abgeschnallt. Wäre ich nicht gewesen, hättet ihr euch nicht gestritten. Wäre ich nicht gewesen, wären sie noch am Leben." Jetzt war ich derjenige der weinte. Wie so oft in letzter Zeit. Viel zu oft. Ich hatte meine Grenze erreicht.

"Spinnst du? Es ist und war nie deine Schuld. Wenn dann ist es die Schuld des LKW Fahrers, der am Steuer eingepennt ist. Hör auf so eine Scheiße zu denken. Weder ich noch sonst noch wer, hat dir jemals die Schuld gegeben."

"Ich gebe mir selber die Schuld weil ich weiß, dass es stimmt. Ich hätte nicht rumheulen müssen wegen so einer Kleinigkeit. Gott und ich heule wieder. Ich bin ein kompletter Nichtsnutz und eine Heulsuse. Wie haltet ihr das überhaupt aus? Ich hätte es damals wirklich beenden sollen." Das waren meine letzten Worte ehe ich aus dem Haus lief. Diesmal ohne von jemandem aufgehalten zu werden. Durch meine noch immer nassen Haare spürte ich deutlich die Kälte draußen. Auch die Schmerzen die ich noch wegen gestern Nacht habe wurden wieder deutlich spürbar. Dadurch und durch meine Kopfschmerzen war ich nicht allzu schnell unterwegs. Ich machte mich auf den Weg zum dem Wald den ich schon so lange nicht mehr besucht hatte. Mit jedem Schritt schmerzte mein ganzer Körper mehr. Ich war schon kurz davor aufzugeben, wollte aber nicht riskieren, gefunden zu werden weshalb ich einfach weiter lief. Nach etwa zwanzig Minuten kam ich an dem Platz an, an dem ich mir damals den Knöchel verstaucht hatte.

Sofort legte ich mich auf den Boden und starrte in den Himmel. Ich ließ die letzten tage Revue passieren und wollte wieder in Tränen ausbrechen. Alles war perfekt. Ich hatte mein erstes Mal mit Yoongi, dem Mann den ich über alles liebe. War auf einem wundervollen Date. Dann erfahre ich, dass mein eigener Bruder der Ex-Freund von Yoongi ist. Mein eigener Bruder hat mit Yoongi geschlafen und das mehrmals. Was wenn Yoongi wieder Gefühle für ihn entwickelt? Was ich aber am wenigsten verstehe ist, warum Jihyun mich nicht hasst. Ich hasse mich so sehr dafür. Hätte ich nicht nach unserer Mutter gerufen, wäre all das nicht passiert und sie wäre vielleicht noch am Leben. Ich war vier damals und trotzdem erinnere ich mich fast jede Sekunde an diesen Moment. Dieser eine Fehler von mir, hat mich meine Familie gekostet. Es reicht. Es wäre so viel leichter für die Leute um mich herum, wenn ich gar nicht da wäre. Sie könnten ein unbeschwertes Leben führen, müssten sich keine Sorgen machen und wären erlöst von mir. Vielleicht sollte ich einfach nicht mehr zurück gehen. Sie werden auch ohne mich klar kommen und ein besseres Leben führen. Ich werde dafür sorgen, dass sie sich nie wieder um mich kümmern müssen. Nie wieder. Und dafür muss ich nur eine Sache tun ...











... verschwinden.

Do you love me? - Yes, I do ~ YOONMINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt