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«Du hast nicht an den Motorradhelm gedacht», ist das einzige was Diego zu mir sagt, als ich angefahren komme. «Dann würde ich einmal sagen, da hast du Pech gehabt», kommentiere ich das Ganze halbherzig. «Es ist dein Gehirn, welches zerstört wird», meint Diego und schaut mich grinsend an, «aber vielmehr kann ja nicht mehr verloren gehen.» - «Und trotzdem bin ich noch besser als du. Es braucht nicht immer Klugheit um alles gut zu machen, ich meine, vergleich einmal unser Leben. Du fährst seit du ein kleines Kind bist Motorrad, ich seit knapp drei Jahren und wir sind gleich auf. Du fährst seit du zehn bist immer wieder illegal Auto, ich fahre seit knapp drei Jahren Auto, darf schon legal und bin im Geschäft drin», gebe ich trocken von mir und schaue meinen Feind abwertend an. «Dein Vater ist reich und alle Reichen haben ein einfaches Leben und bekommen alles in den Arsch geschoben», wiederspricht mir Diego und verschränkt die Arme. «Talent kann man sich nicht erkaufen, genauso wenig wie Familie und Freunde», meine ich und schaue Diego zu, wie er darauf reagiert. Dieser reagiert genauso wie ich es erwartet habe: «Was beleidigst du meine Familie! Du kennst sie ja nicht einmal!» Wenn er nur wüsste, wie sehr ich seine Familie kenne. «Ich will jetzt nicht mehr weiter mit dir über so einen Blödsinn diskutieren, denn mit dir hat es keinen Sinn. Machen wir weiter mit meinem Hobby, dass ich dich sobald wie es nur geht los werde», sagt er, zieht sein Helm an und kickt sein Motorrad an, danach spielt sofort mit dem Gas. Augenverdrehend tue ich es Diego nach und kicke meine Maschine auch an.

«Wenn du Mut hast, kannst du ja auch über die Schanze springen, ansonsten kannst du einfach daneben vorbeifahren», meint Diego während er Sehnsüchtig zu der Springstrecke schaut. «Ich fahre Enduro, Diego, da muss man auch springen», seufze ich bloss augenverdrehend. Was hat der für Erwartungen an mich? Dass ich beim ersten Sprung gerade zu Boden stürze und sterbend da liege? Das passiert wohl nicht einmal Ace, und sie ist ein Mädchen. «Dann komm mir nach...» meint Diego ziemlich planlos und fährt an, ich fahre ihm schön brav nach, natürlich mit einem gewissen Abstand zwischen uns, falls er sich legen sollte. Bei der ersten Schanze fährt Diego ziemlich langsam an und springt auch nicht wirklich hoch, passt mir, dann ist er wenigstens safe und ich muss mich nicht um ihn kümmern, falls er sich legen sollte. «Auch als er zu der zweiten Schanze anfährt, ist er sehr kontrolliert über sein Motorrad und geht kein Risiko ein. Wird das heute noch spannend?

«und ja... ich hoffe ihr habt jetzt relativ viel über unsere Hobby mitnehmen können und ihr wisst jetzt, was wir in unserer Freizeit treiben. Natürlich haben wir auch noch ein bisschen mehr miteinander getan als nur ein bisschen Motorrad zu fahren, wir haben zum Beispiel noch die Freunde des anderen kennengelernt und ja. Es war für mich eine sehr spannende Erfahrung einmal mit jemandem etwas so persönliches zu tun, den ich eigentlich nicht so gerne bei mir habe», meine ich und schaue in der Klasse her, bevor ich zu Diego schaue und ihn somit auffordere zu reden. «Bei mir geht es genau gleich wie bei Nathan. Ja, ich hoffe dann einmal euch hat unser Vortrag gefallen und ja...», beendet Diego das Ganze und unsere Klasse beginnt zu klatschen. Wenigstens ist etwas einmal gelungen. «Gut habt ihr das gemacht Jungs. Also Klasse, ich habe euch zu Beginn der Stunde noch Blätter auf euer Pult gelegt, die ihr jetzt bitte löst, während ich mit den beiden gerade kurz den Vortrag besprechen gehe. Ich möchte gerne, dass ihr alle mitarbeitet und jetzt nicht gerade eine Party feiert, nur weil ich kurz rausgehe», meint Herr Morgan augenverdrehend und deutet uns dann, ihm zu folgen. Im Flur des Schulhauses steuert er dann gerade zu einem Pult hin, um das vier Stühle stehen. Eigentlich sind die Pulte im Flur dazu gedacht, dass man wenn es im Schulzimmer warm wird ein kühleres Plätzchen hat, aber unser Lehrer braucht sie immer, um die Vorträge und Tests zu besprechen. «Also Jungs, ich muss euch echt einmal einen Lob gegen, für euer Vortrag. Ich hätte das echt nicht von euch erwartet, auf jeden Fall nicht in dieser Kombination, weil ich ja schon vorher wusste, wie wenig ihr eigentlich mögt, aber ich habt das echt super gemacht», lobt uns Herr Morgan sofort und nickt stolz, während er auf sein Blatt hinunter schaut. «Also ihr hättet sicher noch mehr auch von der Zeit neben dem Motorrad fahren erzählen können, aber ich fand es trotzdem gut. Weil ihr auch gesagt habt, wie ihr es persönlich gefunden habt. Was ihr vielleicht besser machen könntet beim nächsten Mal, wäre es auch Fotos zu zeigen oder sogar ein Video.» Ich nicke bloss, ich hätte es echt filmen können, ich habe schliesslich auch eine GoPro zu Hause. Aber leider habe ich es vergessen, ich meine, wo hätte ich die GoPro befestigen sollen? Einen Helm hatte ich ja nicht an. «Aber trotzdem gebe ich euch eine 1-.» Ich bin froh mit dieser Note, mehr als froh. «Das zählt jetzt für welches Fach?», fragt Diego desinteressiert und kaut auf seinem Fingernagel herum. «Deutsch.» Deutsch ist schon bisher eines meiner besten Fächer gewesen und da kommt mir diese Note auch recht. «Gut, können wir dann auch wieder hinein gehen?», frage ich nach und deute mit der Hand zu unserem Klassenzimmer. «Diego kann schon einmal gehen, Nathan mit dir möchte ich noch kurz reden», ich stöhne auf als Herr Morgan das sagt. Was will er mir sagen? Will er etwas wegen dem Nachsitzen bei Frau Steinhof sagen? Mit einem Seufzer steht auch Diego von seinem Stuhl auf und torkelt langsam zum Schulzimmer. «Was ist? Ist es wegen dem Nachsitzen?», frage ich sofort und schaue Herr Morgan an. «Ja. Ich habe gehört was der Schulleiter erzählt hat und das passt gar nicht zu dir. Was ist geschehen und was für ein Anruf hast du bekommen, Nathan? Die Strafe die du bekommen hast finde ich nämlich gar nicht gerecht.» Ich seufze auf und verdrehe die Augen. «Was soll ich sagen, die Sache ist für den Schulleiter abgeschlossen und er glaubt Megan.» - «Vielleicht glaubt der Schulleiter Megan mehr als dir. Aber ich glaube dir mehr als Megan und wenn ich ihm etwas sage, dann wird er mir bestimmt mehr glauben, als Megan. Also erzähl es mir bitte Nathan, von Anfang an.» Ich schaue kurz auf den Boden bevor ich dann hinter Herr Morgan durch den Flur schaue. «Also, ich sass bei Frau Biberbach im Unterricht und habe anscheinend mein Handy vergessen abzustellen, was mir eigentlich noch nie zuvor passiert ist. Dann hat halt mein Handy geklingelt und ich habe noch auf dem Display gesehen, dass es meine Mom ist. Ich wollte halt gerade abnehmen, da ging mein Handy aus, weil der Akku leer war. Von Frau Biberbach habe ich dann zuerst einmal eine Standpauke bekommen, wieso ich am Handy sei und so und dann habe ich ihr halt gesagt wieso und so und dann hat sie mich zu Ihnen geschickt, weil sie sagte, dass Sie ein Ladekabel in ihrem Kästchen haben», meine ich und atme kurz tief ein, «dann haben Sie halt Megan mit dem Schlüssel mitgeschickt und sie wollte mich erpressen, dass erst wenn ich sie küssen würde sie die Türe auftue und das wollte ich halt nicht tun, weshalb sie aggressiv wurde und ich habe mich gewehrt und dann ist durch ein unglückliches Missgeschick ihr Fingernagel abgebrochen, woraufhin sie natürlich ein riesiges Drama darum gemacht hat. Leider ist in genau diesem Moment Frau Steinhof in das Lehrerzimmer gekommen und hat uns da erwischt. Daraufhin hat halt Megan ziemlich viel scheiße nacheinander gelabert und ihr wurde geglaubt. Weil Megan halt der Liebling von Frau Steinhof ist hatte es nicht einmal einen Sinn ihr zu wiedersprechen, also habe ich es über mich ergehen lassen.» Herr Morgan hat mich das Ganze ruhig erzählen lassen, ohne mich zu unterbrechen oder mir irgendwelche Vorwürfe zu machen, wofür ich ihm sehr dankbar bin, denn auf Vorwürfe kann ich ruhig verzichten. «Megan wollte also dich belästigen?», fragt Herr Morgan kurz nach und zieht eine Augenbraue hoch, was ich nur mit einem Nicken, ohne ein Wort beantworte. «Nathan», Herr Morgan atmet die Luft tief aus, «du musst dich auch einmal gegen jemanden wehren. Denn die Strafe gehört ganz klar an Megan und nicht an dich.» Ich wende meinen Blick wieder auf den Boden, ich will ihn einfach nicht anschauen. «Mir hätte eh niemand geglaubt. Wenn man einmal vergleicht wie Megan beim Schulleiter und bei Frau Steinhof steht, gegenüber von mir», meine ich leise und wende langsam meinen Blick während des Redens hoch zu Herr Morgan. «Du hattest Angst, dass du einen größeren Ärger bekommst?», fragt Herr Morgan leise, worauf ich leicht nicke. «Nathan, für Ehrlichkeit bekommst du keine größere Strafe...», seufzt Herr Morgan über mich. «Ich werde das aber für dich klären Nathan. Versprich mir aber, dass du dich in Zukunft mehr selbst wehrst. Ich weiss selbst wie schwer es ist sich durchzusetzen, aber du wirst es schaffen, ich glaube an dich. Würdest du dich nur halb so fest durchsetzen wie du dich im Motorradsport durchsetzt, dann wärst du jetzt wohl der Boss unter den Schülern», lächelt mich Herr Morgan aufmunternd an. «Ich werde es versuchen», flüstere ich nur. Jedes Mal kommen mir einfach wieder alle Bilder hoch, wie ich mich versuchte zu wehren, gegen das Mobbing. Ich drehe mich langsam weg, um aufzustehen und dann zum Schulzimmer zu gehen. «Nathan, warte noch kurz», hält mich aber Herr Morgan auf und ich drehe mich wieder zu ihm um, um ihn neugierig zu mustern. «Was für ein Telefon hast du bekommen?» Ich muss schwer schlucken. «Meine Mom hat keine Luft mehr bekommen.» - «Geht es ihr jetzt gut?» Ich zucke mit den Schultern. Was soll ich sagen? Grandios geht es ihr ja wirklich nicht. Aber sie lebt und ist fit. Das ist das einzige was momentan zählt. «Sie ist in einem stabilen Zustand, sagen wir es so.»

Driving is my drugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt