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„Hallo, Dad", sage ich und lasse die Türe hinter mir langsam in ihr Schloss, bevor ich mich erst einmal in der Werkstatt umschaue. „Na, wie geht es dir Nathan?", er wischt seine ölverschmierten Hände an einem Lappen, den er an der Hose hat, ab und streicht sich seine dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht. Obwohl mein Vater schon bald 50 Jahre alt wird, hat er immer noch sein dichtes dunkelbraunes Haar, welches ich als einziger von meinen Geschwistern von ihm geerbt habe. Ich hoffe ich habe seine Haare und bis ich alt bin noch so volles, dunkles Haar. „Gut, habe den Schultag überlebt", meine ich schulterzuckend und lasse meinen Rucksack in eine Ecke auf den Boden gleite, bevor ich zu meinem Vater gehe, der bei einem alten, roten Mustang steht, an dem er schon seit Wochen irgendetwas repariert. Dieser Oldtimer ist momentan sein Ein und Alles. „Schön, hast du Problemen mit irgendwelchen?", fragt er mich und ich schüttle seufzend den Kopf. Diese Frage kommt jedes Mal. Er ist der einzige von meiner Familie der vom Mobbing weiß. Es gab viele Abende an denen wir einfach mit einem Bier in der Hand dasassen und uns die Seele aus dem Leib geredet haben. Das waren noch schöne Zeiten.

Drei Jahre zuvor

„Du musst das verdammte Gas fester drücken! So schwer kann das nicht sein! Als ich so jung war wie du bin ich mit Sportwagen über die Straßen gebrettert!", mein Blick schweift neben meinem Vater vorbei. Ich kann das einfach nicht. Ich habe nicht den Mut voll aufs Gas zu kommen. Was passiert, wenn der Wagen ins Schleudern gerät? Oder ich irgendwie eine Vollbremse machen muss? „Ich probiere es ja schon, aber ich kann es einfach noch nicht! In einer Woche kann ich es bestimmt!", weiche ich aus. Ich weiss zwar, dass ich es in einer Woche noch immer nicht kann, aber das muss er ja nicht wissen. In einer Woche erzähle ich ihm einfach wieder dasselbe. „Das glaubst du dir selbst ja nicht einmal. Bring den Wagen in die dritte Garage und komm dann hinters Haus", seufzt mein Vater und geht augenverdrehend weg. Er weiß einfach, dass in mir nichts drinsteckt. Ich kann einfach nicht über die Piste rasen wie er. Ich schlage die Fahrertüre wieder zu und drehe den Schlüssel, sofort springt der Motor an. Langsam und mit Bedacht fahre ich über den Platz, bis zu den Garagen. Wenn mein Vater nur wüsste, dass ich das Garagentor offengelassen habe, dann wäre ich etwa so tot, wie wenn meine Mutter herausfinden würde, dass ich mich mit meinem Vater treffe. Mit Leichtigkeit und viel Erfahrung bringe ich den dicken Ford Mustang locker in die kleine Garage und steige dort bei wenig Platz aus. Diesmal schliesse ich aber das Garagentor und lasse somit den schwarzen Mustang mit einem weißen, fetten Balken in der Mitte in der Dunkelheit verschwinden.

„Hoffe du hast Bier gerne", mein Vater streckt mir ein Bier entgegen, während er schon in einem weißen Klappstuhl sitzt und an seinem Bier nippt, dabei ist sein Blick durchgehend zum Feuer gerichtet. „Wie geht es dir ausserhalb des Motorensportes?", er wendet seinen Blick vom Feuer und fixiert seine grünen Augen auf mich. Sofort bricht eine innere Unruhe aus. Alle Gedanken an die Schule kommen zurück. Ich lasse mich steif auf den Klappstuhl sinken und nippe auch an meinem Bier. „Scheiße", sage ich leise und diesmal schaue ich ins Feuer. Ich hasse es, dass ich mich nicht wehren kann und noch mehr hasse ich es, meine Probleme jemand anderem zu erzählen, der sich dann Sorgen machen wird. „Wieso geht es dir Scheiße Junge?", fragt mich mein Vater und ich höre aus seiner Stimme, wie es ihn wirklich interessiert und er nicht nur wegen der Nettigkeit nachfragt. Ich schlucke, ich habe echt keine Ahnung was ich sagen soll. Soll ich mich ihm anvertrauen, obwohl ich ihn erst ein paar wenige Monate kenne? „Mobbing", es ist nur ein Wort, mehr bringe ich nicht heraus, für mehr bin ich nicht in Stande. „Du wirst von den Älteren gemobbt, weil du anscheinend ein Schwächling und Nichtsnutz bist, was?", er wendet seinen Blick von mir, wofür ich ihm dankbar bin. Jetzt schaue ich aber kurz zu ihm. Von seinem Profil her wirkt er so nachdenklich deutlich älter als er ist, er zieht seine Stirn in Falten und reibt an seinem Kinn, welches von einem Dreitagebart bedeckt ist. Er zögert kurz, bevor er beginnt zu reden. „Wusstest du, ich wurde auch in der Schule gemobbt? Zehn Jahre von meinem Leben. Dann bin ich mit meinem Auto und einem gefälschten Ausweis abgehauen. Abgehauen von meinen Problemen", mein Vater erzählt es ohne mich anzuschauen. In seinen Augen erkenne ich durch das flackernde Licht des Feuers leichte Tränen. Zehn Jahre gemobbt zu werden klingt echt scheiße. „Aber Junge, lass dich von denen nicht runterkriegen. Die sind nur neidisch, dass du besser bist, wieso sollten sie dich sonst mobben? Zeig es ihnen, was in die steckt. Zeig es ihnen wie viel du kannst, verteidige dich gegen sie. Könnte ich jetzt noch einmal in die Vergangenheit, ich würde es ihnen zeigen wer ich bin. Was ich sagen will, lass dich nicht unterkriegen, Junge. Kämpfe gegen sie an und bekämpfe sie mit ihren eigenen Waffen."

Driving is my drugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt