Lap 16

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«Leute, das ist Aurora», stelle ich sie vor, die freundlich in die Runde lächelt. Ich habe sie jetzt das erste Mal mit zum Grenzgaenger-Gebäude mit genommen. «Hey, ich bin Ace», steht die kleine Blondie auf, und umarmt Aurora, die ziemlich überfordert die Umarmung erwidert. Sie mag zwar Aurora nicht wirklich, denkt sich aber bestimmt: Deine Freunde, meine Freunde. «Kann sie Motorrad fahren?», fragt Mason an, der seine Arme ausgestreckt über die Lehne des Sofas hat. «Nein», ich presse meine Lippen aufeinander. Meine Freunde sind so asozial gegenüber von meinen neuen Freunden. «Was machen wir dann jetzt, wenn sie nicht Motorrad fahren kann?», fragt Jace barsch nach. «Wir gehen trotzdem Motorradfahren. Sie kann ja bei mir drauf», meine ich und schaue kurz zu Aurora, die unsicher nickt. «Besitzt Sie einen Helm? Die nötigen Ausrüstungen?», fragt Mason noch und mustert sie von oben bis unten. «Nein, aber sie kann ja meinen Helm nehmen und auch meine Ausrüstung, ich habe ja mehr als genug», schlage ich vor. Meine Ausrüstung wird ihr zwar zu gross sein, aber lieber zu gross als zu klein. «Wenn du meinst, dass es gut kommt», zuckt Jace bloss mit den Schultern und steht vom Sofa auf, um seine Ausrüstung anzuziehen. Ich schaue kurz zu Aurora hinunter, die mich unsicher anschaut, bevor ich sanft meine Hand auf ihren Rücken lege und sie somit herum führe. Bis zu der Garderobe, dort suche ich meine Ausrüstung und übergebe sie Aurora, bevor ich noch mehr nehme, für mich. «Du meinst, das soll mir gehen?», fragt Aurora nach und hält meine Ausrüstung hoch. «Es wird dir gehen, glaub mir», sage ich bloss und ziehe die Ausrüstungshosen über meine Jogginghosen. Aurora schaut kurz die Sachen noch abwertend an, bevor sie in die Hosen schlüpft und sie hochzieht. «Hast du auch noch einen zweiten Helm, Nathan?», fragt Aurora nach und schaut kurz zu dem schwarz-weissen Helm mit der blauen Brille. «Nein, ich trage aber auch nur selten einen», antworte ich locker und ziehe währenddessen meinen Hoodie ab, um ihn gegen einen schon abgetragenen zu wechseln. «Dann komme ich aber nicht mit», meint Aurora und verschränkt die Arme unter der Brust. Mit einem festen Blick schaut sie mich an. Kurz kaue ich auf meiner Unterlippe. Bringt mich jetzt ernsthaft ein Mädchen dazu, einen Helm anzuziehen? «Was für eine Helmgrösse hast du?», seufze ich genervt und lasse meine Hände, mit dem neuen Hoodie sinken. «Keine Ahnung», sagt Aurora schulterzuckend. «Dann kommt mit», sage ich, ziehe mir kurz den Hoodie an und gehe dann in den Nebenraum. Dort haben wir unser kleines Lager und alles was wir brauchen, aber nur ungerne nehmen wir da Dinge hinaus. Auf dem Weg zu dem Karton nehme ich noch ein Messband mit. «Willst du jetzt ernsthaft meinen Kopf vermessen?», fragt Aurora verwirrt nach und schaut zu mir hoch. «Genauso sieht es aus», sage ich ruhig und lege das Messband um ihren Kopf. Grösse M braucht sie also. Kurz muss ich zwischen den Kartons die richtige Grösse suchen, bevor ich der Brünette ein Karton reiche. «Ehm... Danke?» Ich nicke ihr zu, bevor ich mich wieder auf den Weg aus dem Raum mache und ihn wieder abschliesse. Dann muss ich wohl oder übel heute einen hässlichen Helm anziehen.

«Bist du schon einmal auf einem Motorrad gesessen?», frage ich nach und mustere die Brünette. Sie sieht aus, als wäre sie in den Kleidern eingegangen. Die Jersey hängt an ihr hinunter wie ein Kartoffelsack. «Einmal, kurz ja. Ist das aber nicht ähnlich wie auf einem Pferd zu sitzen?», fragt Aurora nach. «Ich bin noch nie auf einem Pferd gesessen», sage ich ruhig. Ich mag Pferde nicht. Die sind so unberechenbar und man kann sie einfach nicht beherrschen. «Dann wird es wohl nicht ähnlich», sagt das Mädchen ruhig. Leider kann ich ihren Blick nicht sehen, da sie ihre Brille schon vor den Augen hat. Ich könnte mich aber an diesen Anblick gewöhnen, dass es noch ein zweites Mädchen hier hat. «Wird es wohl nicht», bestätige ich ihr und setze mich auf meine Enduro, um dann ungeduldig zu warten, bis sie aufsteigt. «Wie komme ich bitte auf dieses Gefährt hinauf?», fragt die Brünette verzweifelt und ihr Helm richtet sich zu mir. Ich muss kurz über sie schmunzeln: «Ein Bein darüber und dann halt dich an mir fest. Es ist ganz einfach.» - «Ist es nicht», sagt sie, schwingt aber dennoch ihr Bein über das Motorrad und krallt sich dann an mir fest, bevor sie runterfällt. Das wird eine harte Fahrt heute.

Nach etwa 20 Kilometer quer Feld ein machen wir eine Pause. Die Landschaft um uns sieht so unberührt aus, nur ein sanfter Wind weht durch das hohe Gras, ansonsten ist alles einfach unbelebt. Ich muss kurz warten, bis Aurora vom Motorrad gestiegen ist, bevor ich dann auch absteigen kann. Sofort ziehe ich meinen Helm ab. Ich hasse ihn so sehr. Der ganze Schweiss bleibt gefangen und der Kopf kann gar nicht abkühlen. «Jungs, ich bin KO», seufzt Ace und lässt sich in das Gras zurücksinken. Dort wo sie liegt, wird das Gras niedergedrückt, ansonsten steht es immer noch in voller Pracht da. «So unglaublich weit war es jetzt wirklich nicht», gibt Jace seinen Senf dazu und lässt sich neben Ace auf den Boden sinken. «Und, wie hast du es gefunden ?», frage ich Aurora und drehe mich ein bisschen von meinen Freunden weg. Die können schliesslich ihre eigenen Gespräche führen. Aurora zuckt leicht mich den Schultern und lächelt: «mir ist reiten lieber. Aber es ist auch Mal cool etwas anderes zu erleben.» - «Was findest du am Reiten besser?», frage ich interessiert nach und mustere ihre Gesichtszüge, wie sie dasteht und überlegen muss, was sie antworten soll. «Den Kontakt zum Pferd. Beim Reiten hast du wirklich ein Lebewesen unter dir, welches für dich sterben würde. Beim Motorrad fehlt es mir einfach. Du sitzt auf etwas, was zwar auch extrem stark ist, kannst aber keine Bindung dazu aufbauen. «Ich verdrehe leicht die Augen. Glaub mir, zum Motorrad kannst du eine stärkere Bindung aufbauen als zu manchen Menschen. Ein Motorrad bedeutet für den Fahrer alles.» Aurora zuckt leicht mit den Schultern und schaut kurz zu meinen Freunden, bevor sie etwas sagt: «Jeder hat eben eine eigene Leidenschaft. Du das Motorradfahren und ich das Reiten. Nicht alle müssen alles gerne haben.» Da hat sie auch wieder recht. Ich zum Beispiel kann nicht verstehen, wie sie so von einem Pferd schwärmen kann. Ich meine, ein Pferd hat seinen eigenen Kopf, man muss sich darum kümmern und man ist nicht so schnell unterwegs wie mit einem Motorrad. «Du hast Recht.»

«Wollen wir uns langsam auch wieder einmal auf machen und nicht den ganzen Tag hier chillen?», fragt Mason noch, ohne sich aufzusetzen. Wie alle liegen einfach im Feld, die Augen geschlossen und die Ruhe am Geniessen. Ich würde gerne mehr solche Situationen in meinem Leben haben, in denen ich einfach die Ruhe geniessen kann und mein Leben an mir vorbei ziehen lassen. «Wäre eine gute Idee, wenn wir nicht so faul wären», seufzt Ace. Jap, sie hat Recht. Widerwillig setze ich mich aber trotzdem auf und schaue mich erst einmal kurz um. Alle anderen haben die Augen geschlossen, oder die Brille vom Helm an, was verständlich ist, denn die Sonne scheint echt nicht gerade wenig. «Wollen wir nicht einfach noch hier bleiben? Ich meine, was bringt es jetzt schon wieder zu gehen und dann zu Hause herum zu sitzen und nichts zu tun? Dann können wir ja besser hier rum sitzen und nichts tun», meldet sich Alec zu Worte. «Also ich hätte etwas zu tun», gebe ich leicht ironisch von mir und fahre mir durch meine Haare. Ich muss wohl gerade echt aussehen, als hätte ich geschlafen, doch dies tat ich nicht. Ich kann einfach nicht schlafen. «Du bist immer beschäftigt, also halt deine Schnauze», gibt Ace von sich und stützt sich leicht auf die Ellbogen auf, «und geniess doch einmal einfach das nichts tun, denn das tut auch so einem wie dir gut.» - «Dafür muss ich dann alles später nachholen», gebe ich leicht genervt von mir und lasse mich wieder auf den Boden zurücksinken. «Das ist dann aber nicht mehr unser Problem», gibt Ace von sich und ich beobachte sie mit einem Seitenblick, wie auch sie sich auf den Boden zurück gleiten lässt.

«Leute, wir sollte vielleicht noch unseren Camping-Ausflug planen», seufzt Alec. Wir sind jetzt knapp eine halbe Stunde zurück in dem 'Hauptgebäude' und schon beginnen sie wieder mit dem stressen. «Wohin wollen wir überhaupt fahren?», seufze ich und schaue von der Hängematte aus zu meinen Freunden. Wir sitzen nur noch zu fünft im Raum. Aurora ist gerade nach dem wir hier angekommen sind, nach Hause gegangen. «Müssen wir immer alles genau planen und hinterfragen, wohin wir wollen? Können wir nicht einfach losfahren, mit einem Zelt dabei und genug Essen und dann einfach dort campen, wo wir es gerade schön finden?», seufzt Ace nicht gerade begeistert. Jap, sie hasst definitiv, wenn alles zu genau geplant ist. «Wer hat überhaupt ein Zelt und wer nimmt es mit? Wir sind mit dem Motorrad unterwegs, nicht mit einem Auto», seufzt Mason und spricht somit gegen Ace. «Ich habe zu Hause ein genug grosses Zelt für sechs Personen und dann nehme ich das halt mit, dafür nimmt jemand anderes mein Zeug mit, als Wechselklamotten und so», sagt Ace locker und streckt ihre Beine über Jace Oberschenkel, der ziemlich eingequetscht auf dem Sofa ,neben der liegenden Ace, sitzt. «Machen wir es so, wir treffen uns einfach am Morgen, jeder nimmt das mit, was er braucht und dann schauen wir, wie wir es aufteilen, dass alle mehr oder weniger angenehm fahren können», schlage ich vor. Irgendwie habe ich einfach gerade keine Lust mehr zu diskutieren, wenn es schlussendlich eh nicht so hinauskommen wird, wie wir es planen, weil wir alle so chaotisch sind. «Ich stimme Nath zu, bringt eh nichts, etwas zu planen.»

Driving is my drugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt