Lap 18

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«Also, wie kam es dazu?» Mein Zeitplan wäre schon ohne diesen Zwischenfall mehr als aufgebraucht, aber natürlich musste es noch stressiger werden. «Megan hat meine kleine Schwester geschlagen und ich als grosser Bruder musste sie verteidigen. Das ist doch verständlich.», sage ich noch einmal mit Nachdruck und schaue der jungen Polizistin emotionslos in die Augen. Ich hoffe dieser Zwischenfall wird niemals in den Medien kommen, ansonsten bin ich meine Karriere wohl auch gerade wieder los. «Aber man muss doch nicht gerade die Nase brechen!», seufzt die Polizistin und schaut mich auffordernd an. Was erwartet sie von mir? «Es hätte ja sein können, dass sie das ungeborene Kind meiner Schwester getötet hätte, ich war mir eben nicht sicher!», sage ich noch einmal verzweifelt und lasse mich in den Stuhl zurück sinken. Wenigstens sind auf dem Revier hier die Stühle angenehm. «Dann hätten Sie sich ja vergewissern können, dass es Ihrer Schwester gut geht und danach mit Megan reden können. Man muss nicht immer alles mit Gewalt lösen.» Manchmal ist Gewalt eben die bessere Lösung. «Ja, hätte man können», sage ich seufzend und verdrehe die Augen, «was ist jetzt meine Strafe?» Ich glaube, man merkt langsam, dass ich ungeduldig werde. Und wenn ich ungeduldig bin, kommt es garantiert nicht gut. «Sozialstunden und eine Geldstrafe, aber genaueres müssen wir erst noch besprechen. Du hast jetzt erst einmal Ruhe, zuerst muss mit Megan und ihrer Familie geredet werden, bevor jedes weitere Urteil getroffen wird», sagt die Polizistin und tippt etwas in ihren Laptop ein. Dann kann ich endlich gehen! Seufzend stehe ich vom Stuhl auf, schnappe mit noch meine Jacke von den Grenzgängern und ziehe mir sie an, bevor ich den Raum verlasse. «Du kannst nicht nach Hause gehen, Nathan. Deine Zeit musst du hier absitzen und dann wirst du die genauen Konsequenzen erfahren», ermahnt mich die Polizistin noch in letzter Sekunde. Wie bitte? Ich muss meine wertvolle Zeit hier verbringen? «Na Danke.»

«Musstest du ernsthaft so einen Mist machen? Ich könnte meine Zeit viel sinnvoller verbringen als auf dem Revier zu sitzen und darauf zu warten, bis die Strafe für dich entschieden wird», motzt mich auch mein Vater sofort an, als ich zurück zur Cafeteria komme. «Ich musste doch bloss meine Schwester beschützen!», stöhne ich sofort. Wieso kapiert das niemand? Ich wollte gar niemand verletzen, ich wollte doch bloss meine Schwester beschützen! «Unter beschützen verstehe ich etwas anderes als jemand anderen zu verletzen», sagt mein Vater trocken und schaut auf das Glas vor sich. «Wie hätte ich dann Rache nehmen sollen?», seufze ich und lasse mich gegenüber von ihm auf den Stuhl sinken. «Gar keine Rache nehmen», sagt mein Vater trocken, «eigentlich bin ich ja auch für Rache nehmen, aber du musst wissen in welchen Situationen es angebracht ist und in welchen nicht und wenn es angebracht ist, in welchem Ausmass. Weil so wie du es getan hast, ist es definitiv übertrieben, egal wie leid es mir tut, dies zuzugeben. Es ist übertrieben.» Na toll, danke. «Dann ist es eben übertrieben. Ich bereue es nicht und ich würde es jederzeit wieder tun», gebe ich ehrlich von mir und kaue auf meiner Unterlippe. Megan hat es nicht anders verdient, da gibt es keine Ausrede.

Etwa zwei Filme später – Cars 1 und Fast and Furious 5 – werde ich wieder abgeholt und in den Urteilsraum mitgeschleift, dort sitzt jetzt auch Megans Mutter und mein Vater. Die beiden Erwachsenen schauen ziemlich ernst auf ihre Hände, während Megan und ich beide ziemlich gelangweilt überall hinschauen, ausser in die Gesichter irgendwelcher Leute. «Also wir haben uns mit der Familie Jones auf das Urteil bezogen, dass du, Nathan Johnson, 40 Sozialstunden leisten musst und alle Arztkosten bezahlen musst, ansonsten wird mit dir nichts grösseres passieren, ausser, dass du natürlich Megan aus dem Weg gehen musst», sagt die junge Polizistin und schaut mich mit Nachdruck an. Die Geldkosten sind mir sowas von egal, was mich eher stört sind die Sozialstunden, denn wirklich viel Freizeit habe ich sonst schon nicht und mit diesen Sozialstunden wird es auch nicht wirklich besser und angenehmer. «Okay, ich habe es verstanden. Wann muss ich wo antreten?», seufze ich und klatsche auf meine Oberschenkel mit Nachdruck und setze mich auf, nachdem ich halb liegend auf dem Stuhl gesessen bin. Die junge Polizisten blättert in ihren Dokumenten herum. Eine unangenehme Stille herrscht in diesem Raum und ich frage mich immer mehr, wieso Megan und ihre Mutter noch im Raum sind, ich meine sie geht es ja nichts mehr an, was mit mir geschieht. «Du wirst in der Werkstatt von Herrn Almond die 40 Arbeitsstunden leisten, jeden Tag nach der Schule eine Stunde für acht Wochen. Herr Almond wird schauen, dass du auf die 40 Stunden kommst, falls du einmal nicht kannst oder einmal eine Überstunde machst», sagt die Polizistin locker und schliesst dann ihre Dokumente, wenigstens kann sie jetzt nicht mehr darin herum blättern. «Okay, gut, dann auf Wiedersehen», sage ich locker und stehe von meinem Stuhl auf, woraufhin ich meinen Vater mit einem mahnenden Blick anschaue, der auch aufsteht und sich freundlich von allen im Raum verabschiedet, davon halte ich aber nichts. Ich weiss schliesslich meine Strafe und muss zu niemandem mehr nett sein. «Ich werde in der Werkstatt von Mason's Vater arbeiten», seufze ich, als ich mit meinem Vater durch den Gang schlendere. «Das ist doch gut? Dann kennst du ihn ja schliesslich», sagt mein Vater und probiert mich somit aufzumuntern. Ja toll, ich kenne meinen Boss und ich kenne auch das, was ich tun muss, aber es wird trotzdem nicht besser, denn ich muss meine Freizeit daran geben. «Besser ist es trotzdem nicht», sage ich verzweifelt und halte die Tür gegen aussen für meinen Vater auf, bevor ich mich danach auch durchquetsche. «Für dich wird's auch nicht besser, wenn du so weiter jammerst.»

«Und, was für Konsequenzen trägst du jetzt?», fragt Ace mich als ich mich gerade auf das Sofa fallen lasse. «40 Sozialstunden in der Werkstatt von Mason's Vater. Acht Wochen jeden Tag unter der Woche ein Stunde, meine Fresse, keine Lust», gebe ich gereizt von mir und nehme einen Schluck von meinem Bier, sofort überkommt mich eine leicht Ruhe. «Auch in den Ferien?», fragt Ace nach und schaut mich neugierig an. Die kleine Blondine sitzt im Schneidersitz auf dem zweiten Sofa in unserem Hauptquartier und schlürft an ihren Cola herum. «Nein, ich werde erst nach den Ferien beginnen, aber es ist trotzdem scheisse», antworte ich ihr augenverdrehend. Wieso muss man den Jungen immer alles nehmen? Immer wird einem die Freizeit geraubt. Nie kann man abschalten. «Nathan, Sozialstunden sind immer beschissen, sei aber froh, wenn die Medien von dem nichts mitbekommen», seufzt Ace und wendet endlich ihren Blick von mir ab. Ja, da habe ich wirklich Glück, wenn die Medien nichts mitbekommen.

Driving is my drugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt