Abziehen, hinziehen.

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Ich war mir trotzdem bewusst, dass es wohl kaum eine gute Idee war ihn einzuweihen.
Er konnte in einem Jahr in dem das Internet gerade mal ANFING Fuß in der Gesellschaft zu fassen nicht mit einem Laptop, oder Smartphone konfrontiert werden. Und er würde über die Zukunft und alles damit zusammenhängende bescheid wissen wollen.
Ich hatte drei Strategien gelernt:

1. Ihn nicht einweihen.
Ihn annehmen lassen ich sei vom FBI, oder ein Privatmann. Keinerlei Hinweise auf meine Herkunft, keine Eindrücke von neu modischer Technik des Jahres 2018. Jegliche Technik, jegliches Materielles von der Zukunft muss sobald Kurts Sicherheit garantiert ist vernichtet oder an die Bruderschaft weitet gegeben werden.

2. Ihn teilweise einweihen. Ihn annehmen lassen ich sei vom FBI, oder gehöre zu der Bruderschaft.
Keine Technik. Nichts von der Zukunft darf ihn beeinflussen können, ausgenommen ich nutze es, und er ist sich dem nicht bewusst.

3. Ihn einweihen. Ihn in die Bruderschaft einreihen. Ihm den Freigang und Kontakt zur Außenwelt verwehren. Technische Geräte etc. dürfen ihm gezeigt, sowie von ihm (sofern möglich) benutzt werden.

Es (die ganze neumodische Technik), würde ihm wohl auch einfach gar nicht gefallen, denn ich nahm an er würde es als Betäubung sehen.
Kurt tat was er wollte, wann er wollte, schien es mir. Ich dachte das schon kurze Zeit nachdem ich mir Dokumentationen über ihn ansehen musste - vorbereitungs-Dienstzeit -. Und seitdem er dieses Bild gemalt hatte, und natürlich verstärkend dazu noch, dass er nun einfach in meiner Küche kiffte (woher auch immer er das Zeug plötzlich hatte).
Ich hatte da tatsächlich einen der größten kreativen Freigeister, die ich je gekannt hatte, vor mir stehen.
"Ich bin Synyster Brooks.", stand es dann plötzlich im Raum.
" Und ich bin der ungeeignetste von allen 12 Personen gewesen."

Zurück in der Zeit:

Ich wusste kaum wie mir geschah, doch plötzlich flog ich.
Der Reißverschluss an meiner Jacke war geschlossen und ich spürte die Schwere der Tools, die ich mit mir führte. Hörte das Klimpern der Schlüssel.
Hörte Schreie, doch erkannte  nicht einmal das Geschlecht der Person von denen sie ausgegangen waren. Sie hörten sich dumpf und wie unter Wasser an.
Und dann zog mein Leben an mir vorbei. Ich sah meine Mutter und meinen Vater. Sah die Gewalt, und die Trauer, das Glück und die Niederlagen meiner Versuche die zerrissene Familie zusammen zu halten. Alles wieder zum laufen zu bekommen.
Ich hatte versucht das Elternpaar wieder zusammen zu kriegen.
Und dann, nach Jahren der Qual, der Häuslichen Gewalt, Vernachlässigung der Kinder, war sie dann verstorben.
Und ich war derjenige gewesen, der versucht hatte sie wieder zu beleben. Mama mit der klassischen Herzmassage zu reanimieren.
Kaum hatte ich den einen Gedanken über das eben so schnell aufgeblitzte Bild meiner Mutter, leblos am Boden, fertig gedacht, sprang mich auch schon das nächste Bild an. Und dann ging es Schlag auf Schlag.
Erster Kuss.
Erster Sex.
Erstes Mal tätowiert werden: ein Herz auf die Innenseite meines Oberarms. Und das besoffen auf der Couch eines Kumpels.
Erstes Mal die Welle surfen: Fuerta Ventura.
Erstes Mal Militärtraining: bis an meine körperliche Grenze.
Erstes Mal Auslandseinsatz.
Erstes Mal Kugel im Körper.
Erstes Mal aus Angst vererben wollen mit 21.
Erstes Mal meinem Vater einen Brief schreiben, als ich fast im Ausland an einer Ansteckung gestorben wäre. Alles während meiner Militär Zeit, die doch eigentlich nur einige Jahre gedauert hatte. Ich war weit gekommen, und dann:
Erstes Mal wieder zurück nach Deutschland.
Und die Bilder vor meinem innerem Auge hörten nicht auf hoch zu quellen. Unaufhörlich schienen sie ihren Rhythmus zu verschnellern.
Sie blitzen dann nur noch auf und auch wenn ich sie kaum mehr sehen konnte, fühle ich mein Herz an ihnen zerreissen, sich wieder zusammen fügen, wieder reißen, wieder heilen,-....und dann erwachte ich.
Und alle Anderen lagen bewegungslos um mich herum.
Ich erbrach mich auf dem Boden und hiefte dann zitternd zu einem Körper nach dem Anderen. Ich fühlte nach ihrem Puls, und horchte ihren Atem. Stellte den Tot aller Personen meiner Einheit fest. 

Kurt sah mich aufmerksam an.
"Ich weiß du willst jetzt,...mehr wissen, aber,...ich,...es geht nicht so schnell. Das braucht Zeit. Ich muss jetzt erst ein Mal mein Training absolvieren."

Kurt hatte zwar lautstark protestiert und war dabei wie ein sehr betagter, alter Greis rüber gekommen, der stur auf seiner Sache beruhte, aber letztendlich hatte er sich zu mir gesellt.
Das Erste was ich tat war joggen!
Ja genau! Joggen, joggen, joggen! Ich schaffte es drei Stunden am Stück, ohne zu trinken, ohne sich ablenken zu lassen.
Ich joggte aber nicht drei Stunden, sondern beließ es bei lediglich einer halben, dafür joggte ich aber sehr schnell.
Kurt hetzte neben mir her, bat mich auf den ausgetrockneten Ebenen um mein Haus herum, einfach ein paar Kreise um seine Achse zu drehen, und beteiligte sich wenig körperlich.
Wie sollte er auch? Er war sehr dünn, und ausgelaugt sah er auch aus.
Er hatte Augenringe. Akne. Fettiges Haar.
Ich bereute es fast nicht besser in Psychologie aufgepasst zu haben, denn ich hätte nun gerne eine bessere als nur Grundausbildung darin gehabt.
Mein Fach war schon immer Sport gewesen. Sogar im Kindergarten, wo es noch gar keine Fächer gab.
Hinterm Haus hatte ich einen kleinen Platz, auf dem ich immer gut meine Übungen machen konnte.
Kurt folgte mir verschwitzt, ich lief vorran.
Das nächste was ich machen würde war ein ganzkörper Work-out.
"Machst du das JEDEN Tag?!", fragte er steif.
" Nein. Ich habe auch Phasen in denen ich den Muskeln Ruhe gönnen muss. Es würde sonst eher einen negativen Einfluss auf meine Fitness haben.", erklärte ich ihm offen.
"Aja.", er setzte sich neben mich, und beobachtete.
Dann stand er plötzlich auf, und lief gen Haus.
" Ey! Bau keine Scheiße!", rief ich ihm nach, aber konzentrierte mich dann wieder auf die Übungen.

Kurze Zeit später kam Kurt zurück, er trug einen Block samt einiger Stifte bei sich. Es sah so aus, als ob er einfach alle Stifte die er in meinem Haus gefunden hatte eingesteckt und nach draußen mitgenommen hatte, denn die meisten waren einfach nur Kulis.
Er leerte sie vor mir aus, als ich plötzlich einen speziellen Stift entdeckte, der aber eigentlich gar keiner war. Es war eine kleine Waffe. Klischees erwartet kaum jemand.
Schnell griff ich nach ihr, und lies sie in meiner Shorts verschwinden.
"Was?", fragte Kurt angepisst.
" Ist ein Erbstück,...!"
"Naja,...was,...was hast du mir zu erzählen über das was gestern Nachmittag mit mir passiert ist? Bevor du kamst, meine ich! Ich wills wissen! Jetzt!"
Ich atmete betont langsam aus, und mein Blick wanderte über den Boden unter mir.
Ich harrte gerade in der Liegestützposition aus.
"Erzähl mir über deine Frau, Kurt. Erzähl über sie und Frances,...und natürlich dich, bitte."

Me Illamo | #Wattys2019 | abgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt