„CHARLOTTE!"
Holy Guacamoly. Wie spät war es? Welches Zeitalter hatten wir und wo war ich? Ich rieb über meine Augen und als zwei Minuten später mein kleiner, jetzt neunjähriger Bruder, in mein Zimmer stürmte, hatte ich diese Welt schon fast wieder verlassen. Luke rüttelte an meinem Bein und ich fragte mich, wie schwer ich ihn verletzten würde, wenn ich ausversehen auskicken würde. „Mom und Dad warten schon."
Ich rümpfte meine Nase. Dann riss ich die Augen auf. Collegeumzug. Heute. Ich sah auf die Uhr. Es war schon kurz nach drei. Wow, ich musste wohl eingeschlafen sein, als ich versuchte hatte mich umzuziehen. An meinem weiten Shirt und meiner Hose konnte ich erkennen, dass das nicht so wirklich geklappt hatte. Luke stand immer noch vor mir und sah mich mit großen Augen an. Ich würde ihn ziemlich vermissen. Auch wenn ich ihm das jetzt bestimmt nicht sagen würde. Vor allem nicht, weil er mich einfach geweckt hatte, obwohl ich noch mindestens zehn Minuten hätte schlafen können. Ich stupste ihn an und kitzelte ihn am Hals. Luke wandte sich hin und her und zischte dann aus meinem Zimmer.
Ich sah mich um. Meine Wände waren leer und meine Schrankschubladen standen weit offen. Mein Bett war komplett leer und es sah genauso aus, wie es aussehen sollte bei einem Umzug. Ich konnte es gar nicht fassen. Ich würde umziehen, in eine andere Stadt, ohne meine Eltern. Ich denke nicht, dass ich mich je ängstlicher und gleichzeitig stolzer gefühlt habe als in diesem Moment. Ich seufzte und zog mich um. Als ich meine Jeans und mein Top angezogen hatte, band ich meine Haare zu einem lockeren Dutt.
Ich sah aus dem Fenster. Es war Mitte September und es war bewölkt. Genau mein Wetter. Ich schulterte mein Rucksack, lief zur Tür und sah mich nochmal um. Ich meine, es war ja nicht so, dass ich niemals mehr herkommen würde, aber dennoch musste ich mir mein Zimmer nochmal ansehen. Ich lief langsam die Treppe herunter. Mein Dad stand unten und durchstöberte viel zu viele Papiere. Ich lehnte mich auf seine Schulter: „Kann ich dir helfen?" Er wirkte gestresst: „Ich finde, die Kopie von eurem Mietvertrag nicht." Ich lachte: „Die habe ich in meinem Rucksack, Dad." Mein Dad seufzte: „Natürlich."
Ich küsste ihn auf seine Wange: „Aber danke für die ganze Mühe." Er kniff mich in die Wange: „Für meine Kleine doch immer." Ich klatschte seine Hand weg: „Ab heute bin ich offiziell nicht mehr deine Kleine. Ich bin eine erwachsene Frau, die ab heute auf sich alleine gestellt ist." Mein Dad schüttelte den Kopf: „Versuch es nicht mal, du wirst immer meine Kleine bleiben." Ich verdrehte lächelnd die Augen: „Nen Versuchs war's wert..." Meine Mom eilte in der Küche umher. Warum waren alle so gestresst, während ich fast die Ruhe selbst war? Es war fast so, als würde meine Familie umziehen und nicht ich.
Als ich die Küche betrat, fielen mir die vielen vollen Tupperdosen auf und ich seufzte: „Ich werde ganz sicher nicht alle von diesen Dosen mitnehmen." Meine Mom sah mich tadelnd an: „Und wie du das tun wirst. Ich möchte nicht, dass dein erstes Essen in deiner Wohnung, Pizza und Pommes sein wird." Ich schaute unschuldig gegen die Decke. Ich packte die Dosen in meinen Rucksack, als von draußen eine Hupe ertönte.
Jetzt fing mein Herz an höher zu schlagen. Ich schlüpfte in meine Vans und öffnete die Tür. Und da war er. Er hing halb aus seinem Fahrerfenster und grinste über beide Ohren. Seine etwas längeren Haare flogen in der leichten Septemberbrise und er bewegte seinen Kopf lächerlich zu der Girlie-Musik, die aus seinem Wagen tönte. Ich biss mir auf die Lippe und grinste zurück. Ich hüpfte die Stufen hinunter und Carter sprang ernsthaft aus dem Fenster.
Er rannte um das Auto auf mich zu und breitete seine Arme aus. Kurz bevor er bei mir angekommen war, hob ich meine Hände und stoppte ihn. Ich sah ihn böse an: „Was sollte das werden?" Carter zuckte die Schultern: „Ein romantisches Ich-freu-mich-auf-unsere-gemeinsame-Zukunft-und-auf-unsere-gemeinsame-Wohnung-und-auf-unsere-drei-Kinder-Wiedersehen?" Ich schüttelte lachend den Kopf: „Das ist so falsch." Carter schob die Unterlippe vor: „Was ist daran falsch?" Ich trat einen Schritt näher an ihn heran: „Wir werden zwei Kinder haben."
Carters Augen blitzen auf und er nahm mein Gesicht in beide Hände und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Ich konnte es gar nicht richtig glauben. Ich würde tatsächlich mit Carter Finley Jones zusammenziehen und auf ein College gehen. Konnte irgendetwas noch komischer sein? Bevor ich weiter über all das Nachdenken konnte, zog Carter ein kleines Kästchen aus seiner Hosentasche. Ich starrte ihn an.
Carter lachte: „Das hier wird kein Antrag, und schau bitte nicht so als wäre das das Schlimmste was passieren könnte." Ich lächelte unsicher, bei Carter konnte man nie wissen, was gleich passieren würde. Er öffnete das Kästchen und ich biss mir vor Rührung auf die Lippe. Es war ein Schlüsselanhänger mit dem Schlüssel zu unseren neuen Wohnung. Der Schlüsselanhänger war in einem hübschen Rot zu einem C geformt.
Carter sprach leise: „Ich will ja jetzt nicht egoistisch klingen, aber da unsere beiden Namen mit C anfangen, muss ich wohl klarstellen, dass das C natürlich für Carter steht." Ich stupste ihn an, aber in Wahrheit fand ich das wahnsinnig süß. Carter flüsterte in mein Ohr: „Wir haben es übrigens seit 6 Monaten geschafft, ohne uns umzubringen." Ich sah ihn mit Tränen in den Augen an: „Du hast nicht ernsthaft nachgerechnet."
Carter zuckte mit den Schultern. Ich boxte ihn: „Wir haben gesagt, wir machen das nicht." Carter sagte gespielt verletzt: „Du verlangst von mir meine romantische Ader zu unterdrücken, du Unmensch." Ich lachte leise, dann küsste ich ihn rasch: „Es ist perfekt, danke." Dann zog auch ich ein Kästchen heraus.
Carter sah erst das Kästchen an und dann mich. Er schüttelte lächelnd den Kopf: „So viel zu „Wir machen das nicht."" Ich lachte leise und öffnete das Kästchen. Carter starrte den Inhalt eine Weile an und dann musste er lachen. Ich lachte auch und hob den grünen Schlüsselanhänger, der zu einem C geformt war mit dem Schlüssel, heraus. Irgendwie passten wir schon ziemlich gut zusammen.
Er nahm den Schlüssel in die Hand und drehte ihn einmal vor seinem Gesicht hin und her: „Wir sind schon sehr kitschig." Ich küsste ihn als Antwort. Dann sah ich über seine Schulter, seine Mom stieg gerade aus dem Auto heraus und ich musste gestehen, dass ich sie gar nicht gesehen hatte. Ich lachte bei der Vorstellung, wie Carter ihr befehligt hatte im Wagen zu warten, solange er seinen großen Auftritt hinlegte.
Ich wusste, dass es schwer für sie war, Carter gehen zu lassen, weil sie sonst niemanden mehr hatte und ich war ihr umso mehr dankbar, dass sie ihn mit mir gehen ließ. Ich lief auf sie zu und umarmte sie herzlich. Sie lachte und klopfte mir auf den Rücken: „Ich sagte doch, du sollst keine Schuldgefühle mehr haben, mein Kind." Ich sah sie neckend an: „Darf ich dich nicht mehr umarmen?" Sie lächelte: „Aber natürlich."
Ich umarmte sie gleich nochmal und als ich Carters Arme um uns spürte, drohte ich schon wieder zu weinen. Wie hatte ich nur so etwas verdient? Ich löste mich, nur um Carters Gesicht in meine Hände zu nehmen und ihn zu küssen. Ich löste mich wieder, bevor es für alle Umstehenden unangenehm werden konnte. Ich starrte in seine tiefen blauen Augen und ich musste sagen, dass ich darin meine Vergangenheit sehen konnte und nun auch meine Zukunft.
Ich biss mir auf die Lippe: „Ich hasse dich." Er lächelte: „Ich hasse dich mehr." Und während meine Eltern und seine Mutter unsere Taschen in Carters Wagen räumten, standen Carter und ich da und konnten nicht aufhören einander zu sagen, wie sehr wir uns hassten. Ich schätze, Hass liegt dann doch nicht so weit entfernt von Liebe. Und das war eigentlich schon ziemlich genial.
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"Ich hasse dich mehr."
RomanceKompliziert. Das war vielleicht gerade das richtige Wort, um Charlotte Hamptons und Carter Jones' Leben zu beschreiben. Herauszufinden dass der eigene feste/beste Freund schwul ist und Charlie ein ganzes halbes Jahr betrogen hat und das jetzt so zi...