Vollmondnächte

476 11 3
                                    

Wir erfuhren nie was an jenem Dezemberabend im Hause Black vorgefallen war. Sirius verhielt sich an den folgenden Tage, als wäre er nicht eines Tages auf einmal in unserer Küche gestanden, sondern als ob sein Besuch lange geplant und nichts daran ungewöhnlich wäre. Zwar bedankte er sich bestimmt ein dutzend Mal bei Mum und Dad, die liebten James besten Freund aber sowieso und versicherten ihm, dass er kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte. Lily schien es besser zu gehen, sie lachte mehr und war fast wieder die Alte, auch wenn ich sie manchmal nachts weinen hörte. James wandelte wie immer auf dem schmalen Grad zwischen Charme und Arroganz wenn er mit Lily sprach und auch jetzt war sie nicht bereit mit ihm auszugehen, aber sie schien zumindest amüsiert über seine Annäherungsversuche. Der Tag der Abreise kam viel zu schnell und der Hogwartsexpress stieß schon das warnende Pfeifen aus, als ich meine Eltern das letzte Mal in die Arme nahm und ihnen versicherte so oft zu schreiben wie ich konnte. Auch Lily wurde umarmt und geküsst, doch jetzt war es anders als noch vor wenigen Tagen und sie schien fast erfreut über die Zuneigung. Aber nur fast. Ich rettete Lily und zog sie in ein leeres Abteil, wo wir es uns auf der gepolsterten Bank bequem machten. Sirius und James hatten sich, trotz James heftigen Protests, schon am Bahnsteig von uns verabschiedet, da sie Peter und Remus suchen wollten. Ich hatte das Gefühl, dass Lily Severus in der Menge zu finden versuchte, doch die einheitlichen Umhänge und sein unaufälliges Erscheinungsbild machten das fast unmöglich. Mittlerweile saß er bestimmt schon mit den anderen Slytherin in ihrem Wagon.
Auf Lilys Schoss lag ein gefalteter  Tagesprophet auf dem in großen Buchstaben die Schlagzeile »Voldemort: Will er das Ministerium an sich reißen?« prankte. Die Zeitungen verloren kein Wort über eine mögliche Muggelarmee oder ähnliches. Lily meinte, dass würde nur unnötig Panik erzeugen, doch ich war der Meinung, dass die Panik sowieso schon allgegenwärtig war. Viele Kinder wurden gar nicht mehr nach Hogwarts zurück geschickt, aus Angst die Schule könnte angegriffen werden, wobei ich fand, dass Hogwarts einer der sichersten Orten der ganzen Zaubererwelt war. Zu meiner Überraschung bekamen wir in den Ferien einen Brief, dass die Ausflüge nach Hogsmead wie geplant stattfinden werden, sofern unsere Eltern einverstanden waren. Ich freute mich auf das Drei Besen und den Scherzartikelladen, noch mehr freute ich mich gerade aber auf ein gutes Essen und mein Himmelbett im Mädchenschlafsaal.

Lily seufzte leicht neben mir auf, als Hogwarts in der Dunkelheit der bereits eingetretenen Vollmondnacht zu erkennen war. "Weißt du," begann sie und schob sich den letzten Schokofrosch in den Mund "Ich habe überhaupt keine Lust nach Hogwarts zurück zu kehren...Die ganzen Menschen, die so falsch beteuern wie leid es ihnen tut, was mit mir passiert ist und sich dann umdrehen um mit ihren Freunden über mich zu lästern. All diese falschen Menschen."
"Jetzt werd nicht pathetisch," erwiderte ich "Außerdem was willst  du machen? Weglaufen? Meld dich doch einfach gleich freiwillig bei Voldemort, das würde dir Zeit sparen."
"Ach, keine Ahnung," murmelte Lily und verstummte. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend, wie auch das Essen. Erst vor der Tür meines Schlafsaals drehte sich Lily zu mir und blickte mich nachdenkend an. "Was du da gesagt hast, übers Weglaufen...Das fände ich eigentlich ganz cool. Stell dir mal vor weg von an all dem, weg vom Krieg, weg von Voldemort."
"Du spinnst jetzt komplett," stellte ich fest und stieß die Tür zum Schlafsaal auf. Lily stand regungslos hinter mir und sah mir schweigend nach.

"Mer steh auf."
Verschlafen blinzelte ich durch den Vorhang meines Himmelbettes.
"Nicht schon wieder James," seufzte ich und richtete mich gähnend auf. "Sag mal findet ihr das nicht ein bisschen pervers, sich mitten in der Nacht in die Mädchenschlafsääle zu schleichen?" murmelte ich und blickte James und Sirius vorwurfsvoll an. "Pevers wäre wenn wir das machen würden um zu spannen, Schwesterchen, und das haben wir nicht vor, oder Tatze?," fragte er und stoß seinem Freund in die Seite. "Also ich auch nicht...Obwohl Pamela schon ziemlich süß ist wenn sie schläft," meinte dieser und warf einen Blick auf meine Zimmergenossin. "Ja, zuckersüß," erwiderte ich bitter und warf meine Decke zurück um  aufzustehen.
"Also, wenn ihr nicht spannen wollt, wieso seid ihr dann hier?" Ich trat zu den beiden an mein Kopfende und blickte sie erwartungsvoll an.
"Naja, dein Animagus ist ja ein Wolf," erklärte Sirius "Und Remus ist ein Werwolf, also dachten wir, wir könnten euch mal auf einer Wolfebene bekannt machen, wenn du verstehst was ich meine."
"Nein, eigentlich verstehe ich nicht was du meinst Sirius."
"Ihr seid euch auf einer Weise ziemlich ähnlich und vielleicht kannst du besser mit ihm kommunizieren und ihn besser beruhigen als wir."
Ich verstand. In den letzten Tagen hatte ich meine neuen Fähigkeiten besser kennengelernt, zwar immer nur über eine kurze Zeit, aber ich konnte mich mittlerweile relativ gut als Wolf bewegen.
"Wieso eigentlich nicht...Also wann und wie soll ich ihn in seiner Werwolfgestalt kennenlernen?" fragte ich, immer noch gähnend. James deutete mit dem Finger aus dem Fenster neben meinem Bett, genau auf den vollen Mond.
"Am besten jetzt."

Pfotenabdrücke || Rumtreiberzeit [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt