Kapitel 17

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“Hey.“, sagt Timo strahlend als wir uns gegenüber stehen.

Seine positive Ausstrahlung, das ist eines der Dinge, die mich an ihm so faszinieren. Er wirkt so ausgeglichen, als würde ihn rein gar nichts aus der Ruhe bringen. Dafür bewundere und beneide ich ihn zugleich.

“Hi.“, erwidere ich, vermutlich genauso strahlend. Sein Lachen ist wirklich ansteckend.

Er wirkt ein wenig unsicher über seinen nächsten Schritt. Nach einem Augenblick der Unsicherheit zieht er mich dann in eine kurze Umarmung.

Er kann wirklich gut umarmen. Falls das überhaupt eine Sache ist, die man können und nicht können kann. Im Prinzip schlingt man einfach seine Arme um eine andere Person und drückt sie an sich. Aber es gibt einfach diese Menschen bei denen man so ein wohliges Gefühl bekommt, wenn sie einen umarmen. Und da gehört er dazu.

Wir laufen gemeinsam wieder zu der Bank zurück, auf der ich bis eben noch saß. Auf dem Weg unterhalten wir uns über seinen Beruf.

Er und Elena sind Kollegen, beide schreiben für ein sehr erfolgreiches Klatsch-Magazin.

Wir setzen uns auf die Bank. Ich setze mich vor ihm hin, weswegen er kurz stehen bleibt und zu überlegen scheint wie groß der Abstand zwischen uns sein sollte.

Schließlich setzt er sich mit einem kleinen Abstand, der nicht so eng ist, dass wir quasi schon aufeinander sitzen, aber auch nicht so groß, dass wir wie fremde wirken.

Ich zünde mir eine Zigarette an. Timo tut es mir gleich.

“So, jetzt erzähl mal wie du es aushalten kannst, dich so intensiv mit dem Leben anderer Menschen zu befassen?“, frage ich ihn. Es interessiert mich wirklich. Ich habe Menschen, die irgendwelche Klatsch-Zeitschriften lesen, um sich darüber zu informieren welcher Z-Promi jetzt mit wem zusammen ist, wer sich getrennt hat oder was auch immer, noch nie verstanden.

“Im Grunde ist es das gleiche was du auch machst.“
“Ist es nicht. Wir befassen uns vorwiegend mit der Musik der Künstler.“, verteidige ich mich. Ich liebe meine Arbeit wirklich sehr, deswegen könnte ich es auch auf keinen Fall auf mir sitzen lassen, wenn er das mit seinem Schundblatt vergleicht.
“Gut, in der Zeitschrift nicht, aber auf eurem YouTube-Kanal. Wie heißt der Typ noch mal?“
“Meinst du Arian?“, frage ich, obwohl ich eigentlich schon genau weiß, dass er Arian meint.
“Genau!“, stimmt er nickend zu.

Arian ist ein Kollege von mir, der den YouTube Kanal zu unserem Magazin regelmäßig mit Videos versorgt. Man kann schon sagen, dass er sich eher mit typischen Klatsch-Themen befasst. Wer hat mit wem Beef, wer hat was in seine Instagram Story gepostet. Sowas halt. Ich persönlich halte davon nicht viel, aber Pablo meinte, dass wir auch solche Themen abhandeln müssten um mehr Reichweite zu generieren.

“Gut, mit dem YouTube Kanal habe ich aber nichts zutun.“, verteidige ich mich erneut.
“Weißt du, wenn man einmal in dieser Welt drin ist, ist es wirklich interessant. Außerdem kann ich mir dadurch Essen kaufen und meine Miete zahlen. Was will man mehr?“, meint er.
“Gut, das ist ein Punkt. Dennoch werde ich dein Interesse für solche Dinge wohl nie teilen können.“, gebe ich ihm zumindest teilweise recht.

Kurz herrscht Stille.

“Hast du auch hunger?“, ergreift er nach kurzer Zeit das Wort.

In all dem Trubel, den der heutige Tag mit sich gebracht hat, habe ich ganz vergessen, dass ich heute noch nichts gegessen habe. Was eigentlich überhaupt nicht zu mir passt. Denn ich liebe es zu essen!

“Ja, schon ein wenig.“, gebe ich zu.
“Ein bisschen weiter hinten, vielleicht 100 Meter von hier ist ein kleiner Kiosk, da könnten wir uns etwas zum essen holen.“, rede ich weiter.
“Gern.“, meint er nickend.

Also stehen wir auf und laufen zu dem von mir angesprochenen Kiosk.

Wir kaufen uns beide typisch berlinerisch Curry Wurst mit Pommes und ein Bier. Timo hat darauf bestanden zu bezahlen, was ich mehrmals abgelehnt habe. Aber er ist ziemlich hartnäckig geblieben. Scheint als hätten Elena und er eine Gemeinsamkeit.

Wieder zurück bei der Bank angekommen, lassen wir uns nieder und essen in einer angenehmen Stille. Ich schaue in den Himmel und sehe wie er sich rot/lila färbt. Ich weiß, irgendwie ist kitschig, aber für mich haben Sonnenuntergänge etwas romantisches.

Nachdem wir beide aufgegessen haben, unterbricht Timo schließlich die Stille.

“Was war eigentlich gestern Nacht mit dir los? Ich meine, du bist einfach von jetzt auf gleich abgehauen und ich hab mir Sorgen gemacht.“, sagt er und klingt ziemlich unsicher. Als wäre er sich selber nicht so ganz sicher, ob es richtig ist das Thema jetzt anzusprechen oder nicht.

Ich muss schlucken. Scheiße! Eigentlich habe ich mir mit Elena doch genau ausgemacht was ich ihm sage. Aber irgendwie kann ich das nicht. Irgendwie habe ich das Bedürfnis ihm die komplette Wahrheit zu sagen.

Ich mag Timo wirklich und sollte sich aus uns beiden etwas entwickeln will ich nicht, dass das alles auf einer Lüge aufgebaut ist, die eigentlich zwar keine Lüge ist, aber irgendwie schon eine Lüge ist, da ich den entscheidenden Teil der Geschichte verschweige.

Sollte ich es ihm sagen? Früher oder später muss er es erfahren. Welchen Unterschied macht es also, ob ich es ihm jetzt oder erst in ein paar Wochen sage. So kann er sich früh genug überlegen, ob er mich weiter kennen lernen will oder eben nicht.

Ich sage es ihm. Ich muss es ihm sagen.

“Also...“, fange ich an.

Besser zu früh als zu spät, Julia.
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Ich hoffe es gefällt euch!❤💎

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