9. Gutes Gefühl

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-Jolene's POV-

Mir fiel hier echt die Decke auf den Kopf. Ich hatte nichts zu tun. Gar nichts. Ich brauchte unbedingt einen Job. Deshalb wollte ich mir eine Zeitung besorgen. Ich lief nach unten und im Flur begegnete ich einer älteren Frau. Ich kannte sie. Sie war eine Bekannte meiner Oma. Aber wie war denn gleich wieder ihr Name? Achja!

"Hallo Frau Webner!", begrüßte ich sie lächelnd.

Sie zuckte vor Schreck kurz zusammen und schien zu überlegen wer ich war.

"Ich bins! Jolene Hemmilton." Jetzt schien bei ihr auch der Groschen gefallen zu sein.

"Och mein Gott Jolene! Wie lange ist das denn jetzt schon wieder her als wir uns das Letzte mal gesehen haben? 1 Jahr? Ein einhalb Jahre?", fragte sie und schloss mich in eine herzliche Umarmung.

"Ein halbes Jahr. Auf Omas Beerdigung." Das letzt sagte ich etwas traurig.

"Oh ja stimmt ja. Aber was machst du denn hier? Ach willst du nicht auf einen Kaffee oder Tee reinkommen?"

Ich mochte Frau Webner. Sie war nicht so eine mürrische, alte Frau (da gab es bei uns in der Gegend genügend ... ), sondern total nett und immer freundlich. Ich stimmte ihrem Angebot zu und lief ihr in ihre Wohnung hinterher. Von der Zimmereinteilung war sie ungefähr genauso, wie die von meiner Oma. Aber von der Einrichtung her war es komplett anders.

Bei meiner Oma war die Küche in hellem Eichenholz mit einer schwarze Marmorküchenplatte gehalten. Das Bad war weiß-schwarz und im Wohnzimmer stand eine schwarze Ledercouch mit Flachbildfernseher und weißen Schränken (ganz schön viel schwarz und weiß, aber dafür waren die Wände farbig gehalten).

Dagegen war die Wohnung von Frau Webner eher altmodisch gehalten. Die Küche in dunklem Holz, im Wohnzimmer stand ein alter Röhrenfernseher und eine greißlige (sorry dafür, aber mir gefiel es eben nicht) geblümte Couch und sowas halt.

"Kaffee oder Tee?", fragte sie mich, als ich am Küchentisch saß.

"Kaffee bitte.", antwortete ich.

Sie ließ einen Filterkaffee durchlaufen und gesellte sich zu mir.

"Also, wieso bist du hier?", stellte sie die Frage von vorhin noch einmal.

"Naja also ..."

Sollte ich es ihr erzählen? Ich kannte sie ja und vielleicht ist es ja doch mal ganz gut mit jemanden zu reden, der viel mehr Erfahrung, wie man selbst hatte. Ohne weiter darüber nachzudenken erzählte ich ihr von meinen Problemen.

"Vor ca. zwei Wochen hab ich erfahren, dass ich schwanger bin. Mein Freund spielt in der Schulmannschaft Fußball. Vor einer Woche war einer da, der die Spieler beurteilen sollte. Sie suchten gute Fußballspieler für die Academy, also Nachwuchsspieler für den FC Chelsea. Leon ist in die engere Auswahl gekommen und auch genommen worden. Und vor 3 Tagen bin ich abgehauen. Ich wollte Leons Karriere nicht kaputt machen und irgendwie hatte ich vielleicht auch Angst, dass er das Kind nicht wollte oder mich zu Abtreibung zwang, was ich mir aber beim besten Willen nicht vorstellen konnte."

Ich endete meine Geschichte und seufzte erleichtert auf. Es tat richtig gut mal mit jemanden darüber zu reden und einfach mal alle Sorgen und Probleme mit einer anderen Person zu teilen. Auch wenn diese Person mehr als das dreifache älter war, wie man selbst.

"Das heißt also dein Freund weiß gar nicht, dass du schwanger bist?", fragte sie sicherheitshalber.

"Nein."

"Glaubst du nicht, dass es unfair ist? Stell dir mal vor du wärst an seiner Stelle. Glaubst du er macht sich keine Sorgen? Glaubst du er würde nicht gerne Wissen warum du gegenagen bist? Wahrscheinlich macht er sich selber Vorwürfe. Er sitzt daheim auf heißen Kohlen oder fährt in der Gegend herum und sucht dich!"

Ich wusste, dass es kein Vorwurf sein sollte, aber allmählich stellte ich mir wirklich die Frage, ob ich richtig gehandelt hatte. Vielleicht hätte ich ja doch mit ihm reden sollen. Es hätte manche Sachen viel leichter gemacht. Aber ich konnte jetzt nicht einfach wieder nach Hause. Ich hab so viel Erreicht und Abstand tat mir sowieso auch mal gut.

"Ich kann das aber nicht. Ich kann nicht verantworten, dass Leon seine Fußballkarriere für mich bzw. das Kind aufgibt und dann in ein paar Jahren feststellt, dass das eine scheis Idee war. Ich würde mir immer Vorwürfe machen."

"Klar kann das passieren. Aber vielleicht stellt er auch selber fest, dass Fußball nicht das ist womit er seinen Lebensunterhalt verdienen will. Dass er bei seiner Familie bleiben will und sich um sie kümmern will, egal was es kostet. Für dich steht fest, dass seine Karriere das wichtigste ist, aber ist das für ihn auch so? Ich hab doch damals (sie sprach wohl extra von damals und nicht von der Beerdigung...) genau gesehen, wie wichtig du ihm bist. Die ganze Zeit hat er dich festgehalten. Dir Trost gespendet und war für dich da. Er war stark für dich. Wieso sollte sich das jetzt geändert haben?"

Irgendwie hatte sie ja recht. Was sollte ich jetzt denken oder tun? Wahrscheinlich wollte ich mir nicht eingestehen, dass ich vielleicht falsch gehandelt hatte. Okay das alles wuchs mir gerade ziemlich über den Kopf.

"Ich glaub ich muss das jetzt einfach nochmal alles im Kopf durchgehen und mir darüber im Klaren werden, was ich dachte und fühlte. Aber danke. Ich glaub das hat mir ganz schön weiter geholfen." Und das hatte es wirklich.

"Kein Problem. Hab ich doch gerne gemacht Liebes. Aber was hast du denn jetzt vor?"

"Ich werd nachdenken. Auf jeden Fall werd ich eine zeitlang hierbleiben und mir einen Job suchen. Ich brauch irgendwas was ich machen kann sonst verzweifle ich bloß noch."

"Weißt du das ist eine gute Idee." Sie stand kurz auf und kam dann mit einer Zeitung wieder. "Hier kannst du haben. Vielleicht findest du ja was was dir gefällt."

Ich lächelte sie ehrlich an. "Danke. Nicht nur für die Zeitung sondern für alles."

"Nichts zu danken."

Ich beschloss mich von ihr zu verabschieden. Ich war der festen Überzeugung, dass ich ihr die nächsten Tage noch ein paar Mal begegnen würde.

Away because of himWo Geschichten leben. Entdecke jetzt