ALIÉNORMein Mund war auf einen Schlag trocken geworden. Das lag nicht daran, dass ich in ihn noch attraktiv fand oder gar in ihn verliebt war.
Nein, er hatte einen Platz in meinem Herzen behalten, aber ich würde ihn nicht mehr lieben wie damals. Oder gar berühren wie in dieser Nacht vor einigen Wochen, in der ich kindisch und naiv gehandelt hatte.
Seine meerblauen Augem, die mich an das glitzernde Wasser bei Tag erinnerten, sahen mich besorgt an. „Du solltest nicht hier sein", entgegnete ich schließlich.
Er schwieg. Fieberhaft überlegte ich, wie ich ihm erklären konnte, dass ich es nicht böse meinte. Nach wie vor ging ich davon aus, dass er zarte Gefühle für mich hegte. Diesbezüglich wollte ich ihn nicht verletzen. Zugleich war mir aber bewusst, dass ich dies nicht schaffen konnte. Jedoch kam er mir zuvor und fragte mich schließlich ganz offen: „Was empfindet du für mich, Aliénor?"
Erwartungsvoll blickte er mich an. Obwohl ich wusste, dass ihn diese Frage quälte, kam es unerwartet, diese Frage so offen ausgesprochen zu hören.
Zwar bemühte ich mich, seinem Blick standzuhalten, aber es erwies sich als mehr als schwierig. Meine Stimme zitterte leicht, als ich begann zu sprechen.
„Damals, als ich dich aus dem Gefängnis holte, da der Kaiser dich freiließ... - du hast stets geglaubt, dass ich meinen Gemahl immerzu mehr geliebt habe als dich. Doch dies war eine Lüge. Ich habe dir in dieser Nacht nicht erklärt, was ich wirklich für dich empfand. Für unser beider Wohl. Die Jahre zuvor konnte ich dich nie vergessen. Ich liebte dich mehr. Uns verband unsere Vergangenheit, die ähnlichen Charaktere."
Als ich merkte, dass sich sein Gesicht aufhellte, sah ich zu, die Angelegenheit schnellstmöglich klarzustellen.
„Aber nun hat sich die Lage geändert. Erst über die letzten zwei Jahre habe ich aufgehört, dich so zu lieben wie zuvor. Ich gestehe, dass diese Nacht vor einigen Wochen aus wenig Überlegung entstanden ist. Aus Gefühlen wie Wut und Enttäuschung. Es wird niemals in Ordnung sein, dass ich dich dafür benutzt habe. Ich hätte wissen müssen, dass ich mit deinen Gefühlen gespielt habe. Es passte einfach nicht. Wir sind ehemalige Geliebte."
Es herrschte Stille zwischen uns. Lange, unerträgliche Stille. Ich hatte es gewusst. Ich hatte geahnt, dass genau diese Stille uns beide nun für den Rest unserer Tage einnehmen würde, wann auch immer wir uns sahen.
Aber was sollte ich großartiges noch erwähnen? Jedes weitere Wort verletzte ihn wahrscheinlich mehr.
Sollte ich nun auch noch erklären, dass wir beide trotz unserer Ähnlichkeiten nur auf den ersten Blick zusammengepasst hatten und mir dies nun bewusst geworden war?
Genauso wie ich nun wusste, dass mich Louis-Antoine vervollständigte. Wie ihn ihn komplettierte. Und nicht Rafael. Antoine und ich waren unterschiedlich. Aber auch unglaublich gleich in vielen Dingen, die man nicht augenblicklich erkannte. Und für seine Eigenschäften schätzte und liebte ich ihn.
„Dass dein Herz deinem Gemahl gehört, verletzt mich nicht", erwiderte er schließlich, dass ich glaubte, mich verhört zu haben.
„Ich empfinde so wie du. Meine innigen Gefühle sind erloschen. Wir sind nun wirklich Freunde. So wie wir es sein sollten."Ungläubig blinzelte ich. Konnte es wirklich sein, dass er die Wahrheit sprach? „Nun schaut mich nicht so an, Majestät", forderte er mich glucksend auf. „Freut Euch doch!"
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PRINCESS OF LILIES ᵗᵉⁱˡ ᵛⁱᵉʳ
Historical Fiction❀ 𝐅𝐑𝐀𝐍𝐊𝐑𝐄𝐈𝐂𝐇 ─ 1821 Es hätte alles perfekt sein können. Doch selbst das Gebären eines lang ersehnten Thronfolgers birgt neue Probleme in der kaiserlichen Familie. Der Kummer Aliénors nimmt zu, sodass sie sich in das...