Kapitel 04 ❀ secret honteux

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ALIÉNOR

Ich würde nicht sagen, dass er sich geheimnistuerisch benahm, vielleicht traf eigenartig es etwas besser.

Eigentlich stand heute ein ganz normaler Tag an, der bis jetzt ebenso normal verlaufen war. Liliette, Florentina und ich hielten uns in den Gemächern der Spanierin auf, die mit vielen weißen und orangefarbenen Lilien geschmückt worden waren.
Die Brünette mochte die hübschen und edlen Gewächse so sehr wie ich Rosen, meine ältere Schwester Tulpen und Tante Marie-Thérèse Orchideen liebte.

Während ihre Bewohnerin und ich uns die Fingernägel machen ließen, hatte es sich Flora auf einem Sessel vor einem großen Fenster bequem gemacht und war in ein gutes Buch vertieft. Regen peitschte an die Glasscheiben und ab und zu blitzte es gewaltig, ehe ein ohrenbetäubendes Donnerrollen folgte.

„Findet ihr auch, dass sich mein Gemahl ziemlich komisch verhält?", stellte ich die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte, in den Raum und unterbrach dadurch die anhaltende Stille.

Verdutzt blickte Liliette von ihren Nägeln auf. „Um ehrlich zu sein, erscheint mir Seine Majestät in letzter Zeit eher besser gelaunt zu sein."

Nun blickte auch meine Schwägerin von ihrem Wälzer auf. „Gut gelaunt? Wenn Ihr mich fragt, Prinzessin, hat er was zu verbergen."
„Zu verbergen?", wiederholte Liliette glucksend, ehe sie ihre manikürten Nägel ins Eiswasser hielt. „Ich glaube, dass Ihr zu viel in irgendwelche Gerüchte hinein interpretiert, Verehrteste."

Flora hob eine Augenbraue in die Höhe.
„Ihr habt es also auch gehört."

„Ich kann Euch nicht ganz folgen", entgegnete ich irritiert. Obwohl ich über Klatsch und Tratsch so gut wie immer Bescheid wusste, waren mir in letzter Zeit keinerlei Gerüchte über meinen Gemahl an die Ohren gekommen. Nun war meine Neugier mehr als geweckt.

„Dass du...", begann die Italienerin und biss sich nervös auf die Unterlippe, ehe sich ihren Augen mit denen Liliettes verbanden. „... bald nicht mehr die einzige Frau an des Kaisers Seite sein könntest..."

„Wie bitte?", wiederholte ich ungläubig. „Sprichst du von einer Geliebter? Oder gar von einer Mätresse? Die Position einer Mätresse ist doch schon lange nicht mehr so angesehen wie damals. Denkst du, Tante Marie-Thérèse würde zulassen, dass sich irgendeine - verzeiht mir - Hure in Versailles einnistet und noch mehr Geld als ich verprasst? Und wem sollte Louis-Antoine denn bitte erlauben, mit ihm das Bett zu teilen?"

Für einen kurzen Moment hatte ich tatsächlich etwas Angst gehabt, dass Antoine mich ersetzen könnte. Bis mir in den Sinn gekommen war, dass er keine Person für solche Spielchen war. Außerdem vertraute ich ihm und glaubte nicht augenblicklich, dass er mich, wenn er sich seltsam verhielt, automatisch betrog.

„Es ist nur ein Gerücht", warf nun Liliette erneut ein. „Morgen wird schon wieder alles vergessen sein. Der Hofstaat spinnt sich ständig irgendwelche Geschichten zusammen."

„Ein Fünkchen Wahrheit ist jedoch immer erhalten", bemerkte Flora wenig von ihrer Freundin überzeugt. „Ich möchte Seiner Majestät nichts vorwerfen. Jedoch glaube ich, dass mehr dahinter ist. Es ist so ein Gefühl."

„Ich glaube, ich spreche ihn einfach darauf an", meinte ich schließlich. Das war doch eine gute Idee. „Möglicherweise hat er inzwischen einfach ein schlechtes Gewissen aufgrund... des kleinen Louis-François bekommen..."

PRINCESS OF LILIES  ᵗᵉⁱˡ ᵛⁱᵉʳWo Geschichten leben. Entdecke jetzt