Chapter 9

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Don't borrow money from a neighbor or a friend, but of a stranger where, paying for it you shall hear of it no more

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Don't borrow money from a neighbor or a friend, but of a stranger where, paying for it you shall hear of it no more.
- William Cecil, 1. Baron Burghley

14th May, 1568

Von Tag zu Tag wurde ich besser; irgendwann schaffte ich es sogar, Lady Blanche richtig anzukleiden. Ich hatte mich an die Dienerschaft angepasst. Niemand zweifelte an, dass ich in Wirklichkeit gar nicht dazu gehörte. Paul hatte es irgendwie geschafft, mir eine Unterkunft im Palast zu besorgen, die ich zwar mit einigen anderen Kammerzofen teilte, doch hatte ich immerhin ein Bett – und das war das Wichtigste.
»Du wirst mich heute begleiten«, sagte Lady Blanche auf einmal, als ich gerade ihr Bett neu bezog.
»Wohin?«, fragte ich verwirrt und setzte noch hastig ein »M'lady?« hinten ran.
»Zur Königin«, sagte Blanche mit solch einer Ruhe in der Stimme, als wäre es das Normalste auf der ganzen Welt. Während sie sich etwas Tee eingoss und die Tasse schließlich langsam zu ihrem Mund führte, ihre Haltung aufrecht und den kleinen Finger gespreizt (so wie es sich für eine Lady gehörte), pochte mein Herz schneller als erwartet. Doch war dies keine Freude – eher erfüllte mich leichte Panik.
Mit der Dienerschaft konnte ich leben. Niemand würde sich an ein Mädchen erinnern, welches einmal in den Diensten der Obersten Kammerfrau gestanden hatte. Doch vor die Königin zu treten, war etwas anderes.
»Was ist?«, wollte Blanche auf einmal wissen, die bemerkt hatte, dass ich inne gehalten hatte.
»Ich ...« Ich stockte.
»Kind, ich habe dir schon einmal gesagt, dass du nicht jedes Mal stillschweigen sollst. Sprich, und zwar schnell!«
»Ich glaube kaum, dass ich so vor die Königin treten sollte.« Ich zeigte an mir herab.
Lady Blanche lachte – teils verwundert, teils belustigt. »Du bist eine Zofe. Man erwartet nichts anderes von dir. Du hast keine Audienz bei der Majestät, du begleitest mich. Als meine Dienerin.«
Das beruhigte mich nur ein wenig, dennoch nickte ich verstehend und beendete meine Arbeit.
Kurz darauf begaben Lady Blanche und ich uns auf den Weg zur Königin, die sich in ihrem Arbeitszimmer aufhielt. Ab und an kamen uns einige Diener und Zofe entgegen, die sich demütig vor Lady Blanche verbeugten. Die Frau genoss hohes Ansehen bei den Leuten am Hofe und auch verdienten Respekt, denn mit ihrer ernsten, eindringlichen Art und ihren ehrlichen Worten wagte man es kaum, ihre zu widersprechen.
Vor dem Arbeitszimmer der Königin waren zwei Wachen postiert, und gerade als wir auf dieses zugingen, öffnete sich die Tür und ein Mann mit roten Haaren und einem leichten Spitzbart am Kinn trat heraus.
»Lady Blanche!«, rief er und breitete verzückt die Arme zum Gruß aus. »Wie erfreut ich doch bin, Euch zu sehen.«
»Lord Thomas«, sprach Blanche nur, und ihrer Stimme schwang ein schneidender Unterton mit.
»Ihr wollt zur Königin?«, fragte er, ohne dass sein Lächeln verschwand.
»Wie jeden Morgen, M'lord. Denn ich habe Aufgaben zu erledigen. Was tut Ihr noch einmal?«
Sein Lächeln verschwand und Lord Thomas' Kiefermuskeln spannten sich an.
Ich musterte den Mann. Irgendwie war er mir unsympathisch.
»Was guckst du so, Mädchen?«, fuhr er mich plötzlich an, und hastig ließ ich den Blick sinken.
»Verzeihung, M'lord«, entschuldigte ich mich sofort.
»Ihr solltet Euch vielleicht eine andere Zofe suchen«, meinte Thomas an Blanche gewandt, »diese scheint mir keine Manieren zu haben.« Mit gestraffter Haltung und erhobenen Kinn lief er ohne Weiteres an Lady Blanche und mir vorbei.
»Wer war das?«, wollte ich vorsichtig und mit leiser Stimme wissen.
»Thomas Howard«, erklärte Lady Blanche mit kühler Stimme, während sie dem Mann hinterherblickte, »der vierte Duke of Norfolk. Ein grauenvoller Mann, heimgesucht von Eifersucht und Arroganz. Die Königin gewährt ihm nur begrenzt Einfluss auf die Politik, was ihm zuwider ist, da er, wie er immer wieder allen erzählt, der höchstrangige Adlige des Reiches ist und zudem der einzige Herzog.« Sie wandte sich an mich. »Halt dich von ihm fern, Kind. Dieser Mann besteht aus nichts weiter als aus einer heimtückischen, schwarzen Seele.«
Mit diesen Worten schritt sie los. Die Wachen öffneten uns die Tür und wir traten ein; ich lief hinter Lady Blanche, so wie es sich für eine Zofe gehörte. Die Frau drehte sich einmal um neunzig Grad, ich tat es ihr nach, und als ich einen Schritt nach rechts machte, sah ich sie – Elizabeth Tudor, die letzte Tudor auf dem königlichen Thron Englands. Eine Frau, die Geschichte geschrieben hatte.
Das rote Haar, welches, wie ich wusste, eine Perücke war, saß perfekt. Das schwere rote Kleid erinnerte an jenes von Lady Blanche. Die Ärmel und die Stelle über Brust und Bauch waren mit einem goldenen Stoff verziert. Auch der Kragen war aus diesem Stoff gemacht. Das schmale Gesicht und die grazil geschwungenen Augenbrauen sowie die spitze Nase erschufen einen Eindruck von Strenge.
»Blanche«, sagte Königin Elizabeth nur, die ihren Blick auf ihre Unterlagen gerichtet hatte, und uns nicht einmal angesehen hatte. Ihre Stimme schnitt wie Papier auf der Haut. Ich hatte keine Ahnung, wieso, aber die Frau hatte bereits jetzt meinen tiefsten Respekt. Man merkte, dass sie nicht wie die anderen Frauen am Hofe war. Von ihr ging Stärke und Selbstsicherheit aus. Sie wusste, was sie wollte und was nicht. Ihr war alles stets bewusst und klar. Sie vertraute nur einer Handvoll Menschen und alle anderen, die dieses Vertrauen nicht genossen, hatten sie zu respektieren und zu schweigen. Das, was bei vielen bedrohlich wirkte, war für mich ein Zeichen von Macht.
»Eure Majestät!« Demütig knickste Blanche vor ihr, ich tat es ihr nach. Doch die Königin interessierte sich nicht dafür. Sie beendete ihren letzten Satz, setzte den letzten Punkt, unterzeichnete und vermerkte ihr Siegel auf dem Brief. Dann reichte sie dem Diener neben ihr, den ich zuvor vollkommen übersehen hatte, das Dokument und scheuchte ihn mit einer Handbewegung heraus.
Mit einem Seufzen erhob Elizabeth I. sich und schritt zum Fenster.
»Geht es Euer Gnaden gut?«, fragte Blanche vorsichtig.
»Wie du weißt, ist Mary Stewart vor über einer Woche aus der Gefangenschaft von William Douglas geflohen. Ihre Armee von 6000 Getreuen wurde gestern bei Langside vernichtend geschlagen. Jetzt ist sie erneut auf der Flucht, und ich ahne, wohin es sie verschlägt.«
»Und das gibt Euch zu Bedenken?«, wollte Blanche wissen.
Die Königin wandte sich um. »Ich will vorbereitet sein und nicht in unbekanntes Gewässer geworfen werden.« Sie stellte sich wieder hinter ihren Schreibtisch und ergriff einen Briefumschlag, den sie Blanche entgegenhielt. »Um mich etwas abzulenken, will ich ein heute Abend einen Tanzball veranstalten. Nichts Großes, nur die wichtigsten Männer des Hofes sind eingeladen und ein paar Damen. 500 Gäste, das sollte genügen. Die Einladungen sind bereits alle rausgegangen. Nur noch eine fehlt. Ich will, dass du Robert Dudleys Einladung persönlich überreichst. Ich wäre selbst gegangen, hätte ich nicht noch so viel zu tun.«
»Natürlich, Eure Majestät.« Blanche ergriff den Brief. »Wenn ich die Frage erlauben dürfte, was wollte Howard schon wieder?«
»Das Übliche«, erklärte Elizabeth I. »Seine ihm zustehende Anerkennung, und so weiter, und so weiter. Ich sollte ihn in den nächsten Graben werfen lassen, wäre er nicht adligen Geblüts. Nun ja, das Schlimmste wird sein, dass ich mir heute Abend wieder seine Reden anhören muss. Wenn du ihn also in meiner Gegenwart siehst, ist es dir gestattet, uns zu unterbrechen.«
»Sehr gerne, Eure Majestät.« Lady Blanche ließ respektvoll den Kopf sinken, dann verabschiedete sie sich und wir beide verließen den Raum.
Die Königin hat mich nicht einmal angesehen. Ich bin nichts weiter als eine Kammerzofe für sie.
Ich hätte nie damit gerechnet, dass es mich so treffen würde, nicht beachtet und auf solch eine Weise als minderwertig abgestempelt zu werden. Niemand hatte es laut ausgesprochen, doch war das die Wirklichkeit, die Realität, in der ich mich befand; in diesem Jahrhundert herrschte eine Klassengesellschaft. Die, die ganz unten auf dem Podest standen, waren weniger wert als jene, die hoch oben über alle hinweg- oder auf diejenigen, die unter ihnen weilten, hinabblickten.
»Ich werde den Brief zu Robert Dudley bringen«, riss Blanche mich auf einmal aus den Gedanken, so dass ich vor Schreck zusammenzuckte. »Du bereitest meine Garderobe für heute Abend vor. Nichts zu Auffallendes, auch nichts zu Träges. Irgendetwas Strenges mit einem Hauch von Grazie. Verstanden?«
»Ja, M'lady.« Ich knickste vor ihr und lief bereits im nächsten Moment davon, ohne darauf zu warten, dass sie mich selbst losschickte. Ich spürte Blanches tadelnden Blick in meinem Nacken, doch vergaß ich diesen sofort, als ich schnurstracks hinter der nächsten Ecke verschwand.
Das war unschicklich, Miss Wright, fuhr ich mich innerlich an, und erwischte mich dabei, wie mein Kopf anfing, sich an diese Klassengesellschaft zu gewöhnen. Das unabhängige Mädchen aus Hamburg, aus dem 21. Jahrhundert, schien mit jedem Tag immer mehr zu verschwinden.

Ich bemerkte schnell, dass der Ball viel mehr eine Versammlung diplomatischer und politischer großer Männer war. Tanzen taten nur jene Adlige, die nicht im Rat der Königin saßen. Natürlich stand es mir nicht zu, als Magd an diesem Fest teilzunehmen. Ich begleitete lediglich Lady Blanche - als stumme, unsichtbar scheinende Zofe.
»Siehst du das bärtige Bleichgesicht dort drüben?«, fragte Blanche mich nach einer Weile, als wir nach unzähligem Hin- und Hergehen stehengeblieben und sie sich ein Glas Wein genommen hatte.
Ich erfasste den Mann, den die Frau meinte. Er war auch nicht wirklich zu übersehen. Die großen Tränensäcke unter seinen Augen und die hohen, spitzen Wangenknochen ließen ihn wahrscheinlich älter wirken, als er war. Er schien etwas kränklich, was allerdings trügen konnte. Der Mann lief galant und selbstsicher in seiner schweren Robe und seinem Umhang aus Samt umher. Auf seinem Kopf trug er einen schwarzen Barett, um seinem Hals einen gefächerten Kragen.
»Lord William Cecil«, sprach Blanche weiter. »Ein wichtiger Politiker und führender Staatsmann. Als Mary Stewarts Ehemann Lord Darnley ermordet wurde, war er fest davon überzeugt, sie wäre daran beteiligt gewesen. Er würde höchstpersönlich ihre Hinrichtung übernehmen, hätte er irgendwelche Beweise. Seitdem er erfahren hat, dass die schottische Königin aus ihrer Gefangenschaft geflohen ist, wirkt seine Miene noch unfreundlicher als sonst.«
»Gibt es einen persönlichen Grund, warum er sie nicht mag?«, wollte ich wissen.
»Einen persönlichen Grund?«, wiederholte Blanche und zog die Augenbrauen so anklagend in die Höhe, als hätte ich etwas Irrsinniges gesagt. »Alle, die bei gutem Verstand sind und unserer Königin treu sind, hassen Mary Stewart. Sie ist beinahe noch ein Kind und hat den englischen Thron verlangt, etwas, das ihr nicht zusteht. Niemals wird er ihr zustehen – weder heute noch zukünftig.« Damit schien dieser Teil der Konversation beendet, denn da deutete die Frau bereits mit einem Nicken auf den nächsten Mann. »Robert Dudley, der 1. Earl of Leicester, einer der wichtigsten Männer am Hof, wahrscheinlich sogar im ganzen Land.«
Robert Dudley – von ihm hatte ich sogar schon einmal in irgendeinem Buch gelesen. Doch ihn nun zu sehen, wie er dort stand mit seinem dunklen Bart am Kinn und Wangenknochen sowie an der Oberlippe und seinen kurzen schwarzen Haaren, ganz gekleidet in Schwarz, war etwas anderes. Ich wusste nicht, wieso, aber ich konnte die Macht, die von ihm ausging, förmlich spüren. Die Strenge in seinem Blick und seine straffe Haltung ließ meinen Körper anspannen.
»Vom Oberstallmeister zum Staatsmann befördert«, sagte Blanche. »Seine Frau starb vor einigen Jahren bei einem Treppensturz. Zunächst ging man davon aus, dass er Schuld daran war, weil er sie aus dem Weg schaffen wollte, um mit der Königin zusammen zu sein. Seit ihrer Thronbesteigung geht das Gerücht herum, dass die beiden eine Affäre haben. Vor fünf Jahren schlug unsere Königin Dudley jedoch als Heiratskandidat für Mary Stewart vor. Er lehnte ab.«
Mein Blick fiel auf einen Mann mit einem weißen langen Bart. Er saß am Tisch neben der Königin, unterhielt sich mit Sir Francis Walsingham und William Cecil, die zu seiner Linken und Rechten saßen.
»John Dee«, erklärte Blanche, »wahrscheinlich hast du schon von ihm gehört. Er ist der Berater der -«
»- Königin sowie Mathematiker, Astrologe, Geograph und Mystiker«, beendete ich. »Er berät oft William Cecil und Francis Walsingham.«
»Sieh an, du kennst dich also doch aus«, sagte Blanche, die mich nachdenklich musterte, wie ich aus den Augenwinkeln bemerkte. Ich sah weiterhin zu Dee.
»Ich habe einige seiner Werke gelesen.«
»Ach, tatsächlich?«
Ich drehte mich um. Die Frau sah mich mit gehobener Augenbraue an.
»Ja«, sagte ich nur.
Blanche nickte. »Gebildet - das ist etwas Neues.« Sie trank ihr Glas leer und stellte es auf das Tablett, welches ein Diener vorbeibrachte. »So, Kind, genug der Lehrstunde. Ich entlasse dich nun. Mach, was du willst. Ich werde mich amüsieren, oder wenigstens so tun als ob.« Ehe ich mich versah, ging die Frau davon.
Nun stand ich alleine da, vollkommen unwohl und fehl am Platz fühlend. Ich trat zur Seite, so dass ich nicht sinnlos im Weg stand, und ließ erneut meinen Blick schweifen. Die Königin unterhielt sich mit Robert Dudley und irgendeinem anderen Mann, der noch ziemlich jung war und etwas Ähnlichkeit mit Robert Dudley hatte. Ich sah mich weiter um und mein Blick blieb erneut bei John Dee hängen, der sich weiterhin mit Walsingham und Cecil unterhielt. Auf einmal hob er den Kopf und sah mir direkt in die Augen. Irgendwie hatte dieser Blick etwas Vertrautes, und dann geschah etwas, was mich noch mehr verwirrte – er nickte.
»Hat Dee dir gerade zugenickt?«, fragte plötzlich jemand,
Vor Schreck zuckte ich zusammen, doch war es nur Paul, der lässig gegen der Säule neben mir lehnte.
»Ich ... ich glaube schon ...« Ich wandte mich wieder dem Mann zu, doch war dieser bereits wieder in seinem Gespräch vertieft.
»Seltsamer Kauz«, sagte Paul. »Halt dich am besten von ihm fern, sonst wird er dir den ganzen Tag von seinen wissenschaftlichen Arbeiten erzählen.« Paul berührte kurz den Rand seines Baretts, nickte knapp und ging.
Es war nur ein Nicken, beruhigte ich mich, auch wenn mich ein seltsames Gefühl durchschlich.

2270 Wörter

Da ich einige Kapitel in Vorrat habe, lade ich eins hoch und am Sonntag.

Ich wollte dieses Kapitel nutzen, um einige der wichtigsten englischen Persönlichkeiten dieser Zeit vorzustellen. Habt ihr schon einmal von ihnen gehört?

Was, denkt ihr, hat es mit Dee auf sich? War es nur Zufall, dass er Liz zugenickt hat?

Die Taschenuhr - Lang lebe die Königin! [Band 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt