Chapter 15

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Weigh the meaning and look not at the words

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Weigh the meaning and look not at the words.
- Ben Jonson, englischer Dramatiker

Wie Robert Dudley es versprochen hatte, stellte er mir und John Dee ein Haus zur Verfügung, in welchem wir für eine Zeitlang wohnen sollten. Ich hätte mir am liebsten gewünscht, ohne Dee dortzubleiben; ich hatte wirklich genug von diesem Mann. Wie viel ich ihm wirklich zu verdanken hatte, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar. Wie auch? Die Version, die anscheinend dort hingerichtet worden wäre, existierte nicht mehr. Sie war ausgelöscht, und somit ihre alternative Zeitlinie. Doch um darüber nachzudenken, war ich zu krank, und dass Fieber einen auch umbringen könnte, machte mir in diesem Moment mehr zu schaffen, als irgendeine Zeitreise, die ich gemacht hatte.
»Ich soll Euch von Mr. Dee diese Bücher bringen lassen.« Abwartend stand der Junge im Türrahmen und sah mich mit dem Stapel Bücher an.
»Danke, George -« Mein Satz ging in ein Husten über, welches so stark wurde, dass es nicht mehr aufzuhören schien. Sofort kam der Diener zu mir und reichte mir ein Taschentuch und das Glas Wasser, welches neben mir auf dem Nachttisch gestanden hatte.
»Soll ich den Medicus rufen?«
»Nein, danke.« Mein Hals war voller Schleim und schmerzte. Das Wasser half eher weniger. »Könntest du mir vielleicht einen Tee bringen?«
»Natürlich, M'lady. Ich bin gleich zurück.«
M'lady ... Es war immer noch seltsam, das zu hören. Wie konnte man es immerhin schaffen, sich so schnell vom einen Stand zum anderen aufzurappeln?
Nach einer Weile kam George mit einem Teeservice in der Hand zurück. »Zwei Männer wollen im Übrigen zu Euch. Soll ich sie wegschicken?«
»Wer sind die beiden?«, wollte ich wissen, während ich mir eine Tasse Tee geben ließ.
»Mr. Carleill und sein Diener, M'lady.«
»Ist schon in Ordnung. Sie können ruhig -« Ich stockte, denn erst jetzt fiel mir auf, dass die beiden mich vor zwei Jahren das letzte Mal gesehen hatten, ich sie daher vor wenigen Tagen. »Lass sie herein.«
»Natürlich.« George verbeugte sich knapp und öffnete die Tür. Daraufhin traten Christopher Carleill und Paul ein, die im ersten Moment nur wenig verändert schienen. Christopher hatte eine strengere Haltung und Miene angenommen, Paul war schweigsam wie eh und je.
Ich wies George mit einem Kopfnicken an, zu gehen, und erst als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, wagte ich es, den beiden in die Augen zu sehen.
»Man sagte uns, du seist krank«, bemerkte Christopher. Seine Stimme war schärfer und ernster als früher. Nun war er älter als ich. Ein seltsames Gefühl.
»Ich habe Fieber.« Ich stellte die Tasse, die ich immer noch in der Hand gehalten hatte, zurück auf den Nachttisch. Ich wollte mich erheben, weil es seltsam war, im Bett zu liegen, während die beiden davorstanden.
»Du siehst unverändert aus«, meinte Paul, obwohl er genau wusste, dass er erst dann reden sollte, wenn man es ihm erlaubte. Auch wenn Christopher irgendwie härter erschien, störte es ihn jedoch nicht. Wahrscheinlich hatte er genau dasselbe gedacht.
»Bis auf das bleiche Gesicht und die roten Augen – ja.« Ich zwang mich zu einem Lächeln, doch sogleich überfuhr mich ein erneuter Hustenanfall.
»Brauchst du etwas?«, wollte Paul besorgt wissen.
»Das, was ich wirklich bräuchte, kann mir niemand beschaffen«, meinte ich, als ich mich wieder beruhigt hatte. »Also, nein, danke. Was verschlägt euch hierher?«
»Mein Stiefvater wurde von Cecil damit beauftragt, die Hugenotten bei den Verhandlungen mit Karl IX. zu unterstützen«, erklärte Christopher, während er auf das Fenster zulief. In seiner Stimme schwang ein eigenartiger hochtrabender Ton mit sich. »Ich lerne seit zwei Jahren an der University of Cambridge und wollte für einige Tage nach London kommen, ehe ich mit meinem Unterricht fortfahre. Francis überließ mir gütigerweise Paul, der mich darauf hinwies, dass du ... zurückgekehrt wärst.« Er fuhr mit dem Finger über die Einbände der Bücher, die George auf den kleinen Tisch vor dem Fenster gelegt hatte.
Mein Blick wanderte zu Paul, der mich nachdenklich musterte, jedoch den Kopf sinken ließ, als es meinen Augenkontakt bemerkte.
»Sehr zuvorkommend von Euch«, meinte ich deswegen nur und sah wieder zu Christopher.
»Dir scheint es nicht sonderlich gut zu gehen, weswegen wir dich in Ruhe lassen sollten«, sagte dieser und wandte sich zu mir um. »Wir wünschen gute Besserung.«
Die Kühle in seiner Stimme verletzte mich etwas, und auch die Tatsache, dass Paul und ich nicht alleine miteinander sprechen konnten. Immerhin war er mir mehr ein Freund gewesen als Christopher. Und so wirklich konnte ich immer noch nicht verstehen, warum er hier war. War es, weil ich auf einmal eine Lady war? Und wegen der Gerüchte oder des Wissens darum, warum ich von einem Tag auf den anderen wieder in dieser Zeit war? Was auch die Gründe waren, sie sagten es mir nicht, und so verabschiedeten sich Christopher und Paul, ehe sie mein Zimmer verließen.

1st May, 1570

»Ich brauche die Taschenuhr, Dee, sofort!«, rief ich, als ich das Wohnzimmer betrat, in welchem Dee in einem Sessel saß und ein Buch las.
»Es freut mich auch, dich zu sehen. Wie ich sehe, bist du genesen?« Der Mann blickte nicht einmal auf. Die letzten Tage hatte ich in meinem Zimmer verbracht und mich von George und dem Medicus versorgen lassen. Dee schien nicht sauer, jedoch wirkte er etwas verletzt; wahrscheinlich weil ich nicht einmal um ein Treffen mit ihm gebeten hatte.
»Mir geht es besser, ja.« Ich stellte mich direkt vor ihn und verschränkte genervt die Arme vor der Brust. »Die Taschenuhr gehört mir. Ich verlange sie zurück!«
»Sie gehört dir nicht wirklich, Liz.« Dee ließ sein Buch sinken und blickte auf. »Die Erste gab sie mir. Ich gab sie ihr zurück.«
Verblüfft hob ich eine Augenbraue und ließ langsam meine Arme fallen. »Sie war hier?«
»Sie war es, ja. Sie verschwand an dem Tag, an dem du zurückgekehrt warst.« Während Dee sich erhob, legte er das Buch ab und richtete seine Robe. »Sie verblieb die letzten zwei Jahre hier, die du übersprungen hattest, darauf wartend, dass ich ihr die Taschenuhr zurückgebe. Deswegen kannst du sie nicht haben.«
»Wieso redet sie nicht mit mir? Wieso versteckt sie sich?«, fragte ich und lief Dee aufgeregt hinterher, während er zum Tisch mit dem Tee ging und etwas Honig in seine Tasse gab.
»Weil sie nicht mit dir reden darf«, gab Dee, ohne zu zögern, zu. Der Löffel klirrte, als Dee den Tee umrührte und er gegen das Porzellan traf.
»Wieso nicht?«, hakte ich sofort nach.
»Ich glaube, du vergisst, dass ich nicht derselbe bin wie 1568«, meinte Dee und setzte sich mit der Tasse in der Hand zurück in seinen Sessel. »Die letzten zwei Jahre haben mir sehr geholfen. Ich habe vieles gelernt; vor allem aber hat mir die Erste geholfen, Dinge zu verstehen, die ich vorher nicht verstanden habe.« Er nippte kurz an seinem Tee, um zu prüfen, ob er heiß war, dann trank er einen Schluck, als er sich versichert hatte, dass dem nicht so war. »Wie du weißt, bist du die fünfte Version von dir.« Er stellte die Tasse ab, und langsam ließ ich mich auf dem Sessel ihm gegenüber nieder. »Vor dir gab es vier andere, von denen nur noch eine existiert. Die Erste. Sie weiß alles, was mit den anderen geschehen ist, jedoch weiß sie nicht, was mit dir geschehen wird. Die zweite Liz traf sie kurz nachdem diese ihre erste Zeitreise angetreten hatte. Dadurch entstand ein Zeitparadoxon, eine Zeitschleife. Ich weiß, dass die beiden dieselben sind, aber es ist einfacher, sich das so vorzustellen.
Die Erste und die Zweite waren also in der Zeitschleife gefangen, so dass die Erste entschied, dieses Ereignis dadurch zu unterbrechen, indem sie der dritten Liz die Taschenuhr auf anderem Wege unterschob. Sie ließ sie vor ihr fallen, in Rom. Die Zeitreise glich deiner bis ins kleinste Detail, nur dass die Dritte in diesem Zeitalter starb, hingerichtet wegen Hexerei und schwarzer Magie. Die Erste, die nur noch existierte, weil sie weiterhin in einer Zeitschleife gefangen war, entschied sich, die Taschenuhr erneut der vierten Liz zu geben, jedoch weihte sie mich an, so dass ich die vierte retten konnte. Ihr Schicksal erzählte mir die Erste nicht, allerdings führte es dazu, dass du erschaffen wurdest – die fünfte Version von Elizabeth Victoria Meyer.«
Dee ergriff wieder seine Tasse und trank einen erneuten Schluck, während ich ihn anstarrte, unfähig zu sprechen.
»Das Zeitreisen ...«, sagte ich nach einer Weile, und ich spürte, wie trocken mein Hals geworden war, »auf jede erdenkliche Art ist das mein Tod.«
»Das ist nicht gesagt.«
»Doch, das ist es!«, entgegnete ich. »Entweder ich werde in einer Zeitschleife stecken bleiben oder ich werde durch meine eigene Dummheit hingerichtet!« Ich erhob mich. »Ich muss meine Taschenuhr finden und in meine Zeit zurückreisen! Ich darf sie danach nie wieder verwenden!«
»Du kannst nicht so tun, als wäre nichts geschehen«, meinte Dee mit seltsam ruhiger Stimme. »Die Zeit wurde bereits aus ihren Angeln gerissen. Es gibt wahrscheinlich schon unendliche viele Zeitparadoxa und alternative Zeitlinien. Das Einzige, was noch hilft, ist, alles wieder zu korrigieren. Doch ich befürchte, dass schon so sehr in die Geschichte eingegriffen wurde, dass es beinahe unmöglich ist, die originale Zeitlinien wieder herzustellen.«
»Oh, mein Gott!« Fassungslos hielt ich mir die Hand vor den Mund. Ich spürte, wie ich schwankte, so dass ich mich sofort an der Lehne des Sessels festhielt. »Was habe ich getan?«
»Du wusstest es nicht besser.«
»Anscheinend ja schon!«, rief ich aufgebracht. »Anscheinend habe ich bereits viermal alles versaut, und jetzt geschieht es schon wieder. Wie könnt Ihr hier so ruhig sitzen und dabei zusehen? Es betrifft auch Euch!«
»Ich denke nach. In den letzten zwei Jahren habe ich jeden Tag nach einer Lösung gesucht.«
»Augenscheinlich nicht genug!«
»Elizabeth«, Dee stellte seine Tasse weg und erhob sich, »du solltest dich beruhigen. Ich werde nach einer Lösung suchen. Solange musst du versuchen, nichts mehr anzurichten. Verändere weder die Geschichte, noch versuche anderweitig aufzufallen. Du bist kein Teil von diesem Zeitalter.«
»Ich glaube schon«, erwiderte ich mit ernster Miene. »Dank den ganzen anderen Versionen von mir!« Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ ich den Raum. Ich hätte dankbarer für John Dees Hilfe sein sollen, doch im Moment war ich zu aufgewühlt und zu verzweifelt. Ich dachte, es würde eine normale Zeitreise werden – wer hätte ahnen können, dass dahinter viel mehr steckte?

1691 Wörter

Jetzt wisst ihr, was mit den anderen Versionen geschehen ist. Ich kann euch sagen, dass Liz der ersten bereits des Öfteren begegnet ist.

Habt ihr 'ne Ahnung, wer es ist? XD

Die Taschenuhr - Lang lebe die Königin! [Band 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt