Teil 29

774 48 4
                                    

Xayra
Du und ich - und auch sonst keiner - kann so hart zuschlagen wie das Leben! Aber der Punkt ist nicht der, wie hart einer zuschlagen kann ... Es zählt bloß, wie viele Schläge man einstecken kann und ob man trotzdem weitermacht.
-Rocky Balboa

Offenbar hat es Drake geschafft, einen heimlichen Informanten und Anhänger von König Gregory ausfindig zu machen. Obwohl Lord Jameson eher ihn gefunden hat als umgekehrt.
Trotzdem hat uns das einen relativ guten Vorteil verschaffen. Wir wissen, dass der König sein Ritual immer noch durchziehen will und können somit erahnen, wie er vorgehen wird, sobald wir dort eintreffen.
Mich beschäftigt jedoch eine Frage: Wer ist die Person, die Lord Jameson eigentlich kontaktieren sollte?
Irgendwie muss er oder sie ja erkennbar sein, sonst hätte man Jameson einen Namen verraten müssen. In Gedanken beim richtigen Informanten des Königs, laufe ich in der Mitte unserer Gruppe. Wir sind vor einem Tag aufgebrochen und sollten die Aussenmauer von Korelano in einigen Stunden erreichen. Zum Glück, den ich brauche dringend eine Pause. Mir geht es seit ein paar Tagen nicht mehr so gut. Mir ist andauernd schlecht und obwohl es mir gerade eigentlich relativ gut geht, würde ich dennoch lieber endlich in Korelano ankommen. Dort werden wir unser Lager aufbauen und unseren nächsten Schritt Planen. Bis dahin, kann ich mich um das Problem mit dem richtigen Informanten kümmern.
Aufmerksam sehe ich mich in der Menge um. Irgendjemand muss hier etwas haben, was in als Spion entlarvt. Doch was?
Entweder ist es etwas, das Drake auch hat oder Jameson wurde nicht einmal gesagt, nach was er Ausschau halten muss.
Plötzlich sticht mir ein etwa vierzigjähriger Mann ins Auge. Er wirkt nervös, doch das ist nicht aussergewöhnliches. Viele hier sind nervös, immerhin stehen wir vor einem grossen Kampf aus dem nicht alle lebend zurückkehren werden.
Nein, was mir an ihm auffällt, ist sein Tattoo.
Direkt über seinem linken Schlüsselbein hat er eine Krone tätowiert. Doch nicht nur irgendeine Krone.
Jeder König hatte früher eine eigene einzigartige Krone und dieser Typ hat sich die signifikante Krone von König Beaufort tätowieren lassen.
Alle ihre Zacken sind leicht abgerundet, ausser die in der Mitte, welche spitzig und grösser als die anderen ist. Zudem kann man im Tattoo sogar den riesigen, orangenen Diamanten erkennen, der sich in der Mitte der Krone befindet.
Wenn die eigentliche Kontaktperson von Jameson ein offensichtliches Zeichen hat, dann ist dieser Man ziemlich sicher der, den wir suchen.
„Wenn du den dort noch länger so intensiv anstarrst, werde ich vielleicht tatsächlich irgendwann noch eifersüchtig." meint Drake plötzlich neben mir. Erschrocken sehe ich zu ihm.
„Seit wann bist du hier?" frage ich.
Er ist etwa vor einer halben Stunde auf einmal verschwunden und seither habe ich ihn kein einziges Mal gesehen.
„Lange genug, um zu sehen, dass du deinen Blick nicht von ihm wenden kannst. Dabei sieht er nicht einmal ansatzweise so gut aus wie ich." sagt er leicht schmollend.
„Ich dachte, du wirst nicht eifersüchtig." ziehe ich ihn schmunzelnd auf.
„Werd ich auch nicht, ich sagte vielleicht, aber eigentlich hast du recht, ich habe keinen Grund eifersüchtig zu sein."
Verwirrt sehe ich ihn an.
Wann habe ich ihm bitteschön gesagt, dass er keinen Grund hat, um eifersüchtig zu sein?
Dieser Mann hört auch nur, was er gerade hören will.
„Also wer ist dieser Typ, den du so faszinierend findest?" fragt er neugierig und richtet somit meine Aufmerksamkeit wieder auf den möglichen Verbündeten des Königs.
„Das werde ich jetzt herausfinden." erwidere ich und laufe auf den blondhaarigen Mann zu.
Mein Plan ist es, mich als den Boten des Königs auszugeben. Ich ziehe mir die Kapuze meines Umhangs tief ins Gesicht. Damit das funktioniert, erkennt mich dieser Typ hoffentlich nicht und vor allem darf er nicht wissen, wer der eigentliche Bote ist.
Falls er Jameson kennt, wird das hier alles ziemlich schnell ins Wasser fallen.
Ich laufe erst einige Schritte neben ihm her, bevor ich ihn möglichst beiläufig anspreche. „Interessantes Tattoo."
Sofort sieht er mich mit einem misstrauischen Blick an.
„Was willst du?" fragt er schroff.
„Ich suche jemanden." erwidere ich.
Damit scheine ich seine Aufmerksamkeit geweckt zu haben.
„Und wen?" will er wissen.
„Ich weiss es nicht so genau, aber ich muss ihm eine Nachricht von einer sehr wichtigen Person übermitteln." Er nickt verstehend. „Ich glaube dann bin ich der, den du suchst." meint er plötzlich um einiges netter.
„Der König lässt dich wissen, dass er den Plan nicht durchziehen kann und alles verschieben muss." Ich beobachte ihn ganz genau, während ich diese Worte sage. Seine Mine verfinstert sich auf der Stelle.
„Verdammt, ich dachte er wolle diesen Scheiss um jeden Preis durchziehen." sagt er leise.
„Was hat ihn dazu getrieben, alles abzubrechen?" fragt er mich.
„Ich weiss nicht." antworte ich schulterzuckend. Ich habe also den Informanten gefunden. Vielleicht kann ich noch herausfinden, was er mit der echten Information hätte tun sollen.
„Was wäre den dein Job, wenn er das Ritual trotzdem macht?" will ich wissen.
„Was kümmert dich das?" fragt er auf einmal wieder misstrauisch. Ich zucke achtlos mit den Schultern. „Reine Neugier." erkläre ich.
Plötzlich packt er mich grob am Arm und reisst mir die Kapuze vom Kopf.
„Charles Atkins Tochter." stellt er wütend fest, als er mich betrachtet.
„Gratuliere, du hast mich entlarvt. Du bist tatsächlich schlauer, als man denkt." presst er wütend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und festigt seinen Griff um meinen Arm.
Einige Menschen um uns herum bleiben stehen und sehen uns verwirrt an.
„Du solltest dich ergeben, du bist eindeutig in der Unterzahl." rate ich ihm. Er lacht trocken auf.
„Das hier ist mein Untergang, aber keine Angst ich werde dich mit mir runterreissen." meint er und zieht blitzschnell ein Messer aus seinem Gürtel. Bevor er damit aber ausholen kann, ramme ich mit aller Kraft mein Knie in seine Weichteile. Vor schmerze stöhnend, fällt er sofort zu Boden.
„Wow. Ich wollte dir eigentlich gerade helfen, aber du musst gar nicht gerettet werde, du bekommst das ganz gut auch allein hin, mein Sonnenschein." sagt Drake neben mir und drückt mir stolze einen Kuss auf die Stirn, während er das Messer aus der Reichweite des Mannes kickt.
„Er ist der, den Lord Jameson eigentlich gesucht hat." erkläre ich ihm, ohne dass er fragt.
Überrascht sieht Drake auf den sich immer noch vor Schmerzen windenden Mann. „Wie hast du ihn gefunden?"
Ich deute auf den blonden Typen und dann auf mein Schlüsselbein. Erkenntnis leuchtet in seinen Augen auf, als er das Tattoo sieht.
„Du bist ein Genie, ein wunderschönes Genie, habe ich dir das schon mal gesagt?" meint er und küsst mich euphorisch auf die Lippen.
Lächelnd erwidere ich den Kuss und vergesse wie immer, alles um mich herum. Drake fährt mit seiner Hand langsam meinen Arm entlang, rauf zu meinem Nacken. Dort zieht er mich näher an sich heran und gerade als ich den Kuss vertiefen will, werden wir von Floyd unterbrochen. Genervt löst sich Drake von mir und starrt den Neuankömmling böse an.
„Was ist hier passiert?" fragt Floyd, als er sich die Situation anschaut und gleich darauf strömen noch weitere Menschen zu uns, sodass sich ein Kreis um den am Boden liegenden Mann bildet.

Nach dem Zwischenfall mit dem eigentlichen Spion des Königs, setzten wir unsere Reise fort und kamen wenig später an der Stelle an, wo wir unser Lager aufbauen.
Der Spion ist gut gefesselt und bewacht in einem der Wagen eingesperrt und wird seit etwas mehr als einer Stunde befragt. Dadurch konnten wir noch fünf weitere Verräter ausfindig machen und ebenfalls verhaften.
Ihre Aufgabe war es, uns zum Eingan zu führen, der uns automatisch in einen strategischen Nachteil versetzt hätte.
Zudem hätten dort die Anhänger des Königs gewartet und uns ganz leicht niedergemetzelt.
Natürlich sind wir nicht so blöd und glauben blind alles, was die Informanten sagen. Auch wenn sie immer einzeln befragt wurden und somit keine Gelegenheit hatten sich abzusprechen, könnte es sein, dass sie sich schon zuvor einen Notfallplan zurechtgelegt haben. Deshalb haben wir einige Auskundschafter losgeschickt, die die Lage bewerten sollen und den besten Zugang zur Stadt ermitteln werden.
Die Restlichen machen sich im Lager bereit für den Kampf. Einige Essen oder trinken noch etwas, andere machen ihre Waffen und Rüstungen bereit.
Ich habe bereits alles erledigt, weshalb ich mir meine Zeit damit vertreibe Drake zuzuschauen, wie er konzentriert versucht einen seiner Metallstangen wieder gerade zu biege.
Er hat auf dem Weg hierhin damit gespielt und ihn in der Luft herumgewirbelt. Leider konnte er in einmal nicht fangen und er landete auf dem Boden. Zu seinem Pech liefen wir neben einer Kutsche, welche dann darüber rollte. Das wäre ja an sich nicht so schlimm, wenn der Weg nicht so uneben gewesen wäre, sodass der Stab nun komplett verbogen ist.
Amüsiert schaue ich ihm zu, wie er mittlerweile fluchend mit einem Hammer versucht die Stange wieder einigermassen gerade zu hämmern.
„Es ist so weit, wir brechen auf!" ruft plötzlich jemand durch die Menge. Sofort machen sich alle aufbruchbereit.
Seufzend hebt Drake seine Waffe in die Luft und betrachtet das verbeulte und immer noch schiefe Metall.
„Ich denke, damit musst du jetzt leben." meine ich lachend.
„Auch mit dem bin ich immer noch ein besserer Kämpfer als die meisten hier." sagt er mit einem arroganten Grinsen. Ich verdrehe lediglich die Augen.
Was hab ich anderes erwartet?
Gemeinsam mit allen anderen Rebellen, laufen wir zum östlichen Eingangstor der Stadt. Offenbar ist das die beste Option, um möglichst effektiv gegen den König vorzugehen.
Bevor wir dann endgültig in den Kampf gegen den König ziehen, hält mein Vater noch eine kurze Ansprache: „Wir haben nicht viel Zeit, aber dennoch möchte ich ein paar Worte an euch richtet, bevor wir zu dieser Schlacht antreten." Beginnt er und alle hören ihm aufmerksam zu. „Wir riskieren heute alle unser Leben. Deshalb ist es wichtig, dass wir niemals vergessen, wofür wir das machen! Wir tuen das, um unseren Kindern, Grosskindern und Urgrosskindern eine besser Zukunft zu ermöglichen! Wir tuen das, um uns selbst, unseren Freunden und allen, den es schlecht geht ein besseres Leben zu verschaffen! Wir tuen es für Gerechtigkeit! Wahrscheinlich werden wir nicht alle überleben... und deshalb möchte ich euch danken! Es ist nicht selbstverständlich für etwas zu sterben, aber wenn man für etwas stirbt, dann sollte das das Richtige sein. Und ich hoffe ihr stimmt mit mir überein, wenn ich behaupte, dass das hier das richtige ist!"
Kaum hat er zu Ende gesprochen, jubeln und rufen ihm die Rebellen zustimmende Worte zu.
„Dann lasst uns für das Richtige kämpfen und den König endlich zur Verantwortung ziehen!" ruft mein Vater und sofort stürmen alle los.

XayraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt