Teil 6

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Drake

There is never a time or place for true love. It happens accidentally, in a heartbeat, in a single flashing, throbbing moment.
-Sarah Dessen

Xayra. Was für ein aussergewöhnlicher, aber passender Name für diese unglaublich interessante Frau. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen lediglich beim Gedanken an sie. Ich habe beschlossen sie zu begleiten!
Mir ist klar, dass sie wahrscheinlich ein Bandenmitglied, eine Rebellin oder vielleicht auch eine Widerstandskämpferin ist. Auf jeden Fall ist sie etwas in der Art, aber ich habe es mir in den Kopf gesetzt sie zu begleiten und genau aus diesem Grund, werde ich es auch tun. Wer weiss, vielleicht werde ich nur ein paar Stunden mit ihr verbringen oder Tage, Wochen, keine Ahnung. Momentan finde ich sie aber noch extrem faszinierend. Dies kann sich jedoch ebenso schnell auch wieder ändern.
Trotz dass ich mich, nebst der Musik und dem Kämpfen, noch nie so sehr für etwas oder jemanden interessiert habe, muss ich doch selber zugeben, dass ich sehr sprunghaft bin. Ich halte mich nie lange mit den gleichen -überwiegend weiblichen- Personen auf. Auch bei Gegenständen ist es kein Problem für mich, mich von ihnen zu trennen. Deshalb bin ich mir auch unsicher, wie lange diese Faszination für nur eine einzige Person anhalten wird.
Nun auf jeden Fall werde ich sie Morgen abfangen. Sie wird mich nicht loswerden, ausser ich will es so. Aber es wird sie sicherlich nicht stören, immerhin hat sie somit die Chance ihre Zeit mit mir zu verbringen. Viele Frauen würden dafür töten. Schliesslich reden wir hier über mich, Drake Beaufort!
Fröhlich pfeifend, spaziere ich durch die grosse Eingangshall des Palastes. Meiner Meinung nach hatte, wer auch immer das hier eingerichtet hat, absolut keinen Geschmack. Er hat die goldenen Verzierungen der Wände und Säulen mit hässlichen grünen, gelben und violetten Vorhängen ergänzt. Die Dekoration bestand aus komischen säulenartigen Klötzen, worauf irgendwelche kunterbunt gemischte Blumen platziert wurden. Die Bilder, die die Wände schmücken sollten, zeigen eigentlich die Geschichte des Königreichs und die Eroberung dessen durch meinen Vater. In Wahrheit sehen die Bilder jedoch aus wie schlechte Karikaturen. Oh und vom Rest der Ausstattung, oder gar den Teppichen, will ich gar nicht erst anfangen. Wie gesagt: Keinen Hauch von Geschmack, wahrscheinlich war er sogar blind. Ich hoffe es, dann hätte er wenigstens eine Erklärung für dieses Desaster. Ich wette Xayra würde mir damit zustimmen. Schon wieder wandern meine Gedanken zu dieser ungewöhnlichen Frau.
Was hat sie bloss mit mir angestellt in dieser kurzen Zeit?
„Mein Herr haben Sie mich gehört?" Verwundert drehe ich mich zu Stefan um. Anscheinend habe ich ihn komplett ausgeblendet, vor lauter Gedanken über den miesen Innenarchitekten und Xayra.
„Nein, ich muss dich wohl überhört haben." erkläre ich dem Hauptmann der königlichen Wachen mit guter Laune.
„Die Wachmänner, die sie heute während des Festes beschützen sollten, haben mir berichtet, dass Sie sie schon wieder abgehängt habt und ohne sie..."
Von da an höre ich Stefan nicht mehr zu. Wieso auch? Er kaut sowieso immer wieder das gleiche durch. Wann wird er endlich begreifen, dass ich mich nie von solch Idioten, die sich selbst Wachmänner nennen, beschützen lasse?
Meine Gedanken wandern, wie eigentlich schon die ganze Zeit über, zurück zu Xayra.
Die kontrollierten, aber dennoch eleganten Bewegungen, mit denen sie die Fassade des Palasts hinaufgeklettert ist, sind wirklich erstaunlich. Es ist nicht einfach an dem glatten Stein hoch oder runter zu kommen, glaubt mir ich spreche aus Erfahrung, doch diese Frau tat dies so, als ob es sich um einen Baum handelt, an dem bereits kleine Kinder hochklettern können.
Woher sie das alles gelernt hat, muss ich sie morgen unbedingt fragen. Ich hoffe ich vergesse es nicht...
„Prinz?" Irritiert sehe ich zu Stefan.
Oh, er ist ja immer noch da. Ich dachte er sei schon längst wieder weg.
Als er mich nach einer Weile immer noch auffordernd mustert, beschliesse ich ihm irgendeine Standart-Antwort zu geben, die er offenbar erwartet.
„Ehm ja, ich verstehe. Es wird sicher nicht mehr vorkommen." Sage ich gespielt einsichtig.
Er seufzt leise frustriert auf, nickt aber trotzdem, so als würde er mir meine Antwort abkaufen. Anscheinend hat er doch langsam gemerkt, dass diese "Gespräche" zwischen uns keinerlei Einfluss auf mein Verhalten haben.
Weil ich denke, dass er endlich fertig mit seinem Monolog ist, will ich mich gerade von ihm abwenden, um in meine Gemächer zu verschwinden, als er aber erneut anfängt zu sprechen. „Wartet einen Moment, mein Prinz! Ich soll ihnen noch mitteilen, dass der König Sie im Besprechungszimmer erwartet."
Genervt stöhne ich auf. Auf ein Treffen mit meinem Vater kann ich nur allzu gut verzichten.
„Sie sollten hingehen, er wirkte nicht gerade erfreut." rät mir Stefan.
„Wann ist er jemals erfreut?" spreche ich eine Tatsache aus, mache mich aber trotzdem auf den Weg zum Arbeitszimmer des Königs.
Es ist nicht allzu weit vom Eingangsbereich entfernt, naja im Vergleich zu anderen Räumen des grossen Palastes.
Ich schlendere durch die, mit Portraits meiner Vorfahren geschmückten, Gänge zu dem Raum, in dem mein Vater die meiste Zeit verbringt. Vor dem Raum bleibe ich stehen.
Ich könnte jetzt einfach in meine Gemächer gehen... Doch auch wenn der Gedanke mehr als  nur verlockend ist, verwerfe ich ihn wieder.
Mein Vater ist der König und dieser bekommt früher oder später immer das, was er will. Ich habe also die Wahl, ob ich mich ihm jetzt stelle, oder dann, wenn er durch meine Aktion nur noch mieser gelaunt ist, als er es sonst schon immer ist.
Ich atme einmal tief ein und aus, bevor ich die schwere Holztür öffne. Kaum habe ich den Raum betreten, donnert mir auch schon die zornige Stimme meines Vaters entgegen.
„Was verstehst du am Prinzip des Klopfens nicht?! Du musst klopfen und auf meine Erlaubnis warten, bevor du reinkommst!" weisst er mich streng zurecht.
„Habe ich vergessen." gebe ich knapp und unbekümmert von mir. Wütend steht er von seinem grossen Ledersessel auf und kommt langsam auf mich zu.
„Wo warst du?" fragt er ruhig, doch ich weiss nur allzu gut, dass diese Ruhe lediglich an der Oberfläche existiert. Innerlich ist er wütend. Sogar verdammt wütend.
„Mal hier mal da, keine Ahnung." beantworte ich ihm seine Frage schulterzuckend.
Die Wucht, mit der Vaters Faust auf mein Gesicht trifft, lässt meinen Kopf zur Seite schnellen. Sofort breitet sich ein stechender Schmerz in meiner linken Gesichtshälfte aus.
Das würde nicht gerade hübsch aussehen und das ausgerechnet, wenn ich morgen Xayra sehe. Ich hoffe doch sehr, dass es nicht allzu sehr auffallen wird.
Ich habe aber eigentlich damit gerechnet. Es ist nicht das erste und bestimmt auch nicht das letzte Mal, dass er mich geschlagen hat.
Wütend balle ich meine Hände zu Fäusten. Wie gerne ich ihm ebenfalls eine verpassen würde, doch ich muss mich beherrschen.
Einmal habe ich ihn geschlagen. Ein einziges Mal habe ich ihm einen Bruchteil von dem gegeben, was er verdient.
Nur ein einziges Mal konnte ich mich nicht beherrschen. Es war ein paar Tage, nachdem er meine Mutter getötet hat.
Danach hat er mich für zwei Wochen in den Kerker geworfen. Ohne etwas zu essen und mit gerade mal so viel Wasser, dass ich noch knapp überlebt habe, musste ich die Tage dort unten in der Kälte aushalten, bis er sich wieder einigermassen beruhigt hatte.
Ich kann diesen Mann nicht ausstehen, nein, ich kann ihn nicht einfach nur nicht ausstehen, ich hasse meinen Vater!
Als er seine Frage, nach meinem Verbleiben in den letzten Stunden, nochmals wiederholt, gebe ich ihm mit Absicht erneut nur eine unbrauchbare Antwort.
Unter keinen Umständen würde ich Xayra verraten. Erst recht nicht an ihn...
„Wieso muss ausgerechnet ich solch einen unfähigen, verantwortungslosen und verzogenen Bengel als Sohn haben?" schreit er zornig. Er wirft einen Stapel Bücher mit einer schwungvollen Bewegung von seinem Schreibtisch runter auf den Boden. Ich drehe meinen Kopf wieder in seine Richtung und blicke ihm ohne Emotionen in seine ebenfalls kalten Augen.
„Mieses Karma?" Schlage ich ihm vor. Mir ist durchaus bewusst, dass ich meinen Vater mit diesen Worten nur noch mehr provoziere, doch leider ist es nicht gerade meine Stärke, dann aufzuhören, wenn ich es tun sollte. Nun ja, jeder hat doch eine Charakterschwäche, oder etwa nicht?
Das Gesicht des Königs färbt sich dunkelrot und das ist mein Zeichen. Schnell ducke ich mich unter seinem nächsten Schlag hinweg und sprinte zur Tür. Gerade als ich sie hinter mir zu schlage, knallt die Faust meines Vaters gegen das Holz, welches durch die Wucht leicht erzittert. Ohne zu zögern renne ich weiter, runter zur Eingangshalle und dann aus dem Schloss raus. Mein Vater wird mir nicht folgen, dafür ist er sich zu gut.
Draussen im Schlossgarten gehe ich direkt auf das konstruierte Labyrinth zu. Als Kind war ich oft hier, wenn ich meine Ruhe brauchte oder auch einfach nur, um zu spielen. Deshalb habe ich auch keinerlei Probleme mich hier gut zurecht zu finden. Die Wände des Labyrinths bestehen aus fast zwei Meter hohe Hecken, die sorgfältig von den königlichen Gärtnern gepflegt werden. Es ist riesig und um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wieso man es hier angepflanzt hat.
Mein Ziel ist die Mitte des Labyrinths. Dort befindet sich nämlich eine grasbewachsene Fläche mit einem kleinen Baum und einer steinernen Bank. Dort kann ich alleine sein und es würde mich auch niemand finden.
Die meisten Leute haben diesen Ort noch nie gesehen, da sie sich nicht mal in das Gewirr aus Gängen hineinwagen, geschweige denn bis ins Zentrum kommen.
In der Mitte angekommen, lege ich mich auf die Bank und starre in den Nachhimmel. Keine Wolke ist zu sehen und die Sterne funkeln hell und wunderschön.
Ich wickle meinen Umhang etwas fester um mich. Es ist nicht gerade eine angenehme Sommernacht, aber auf jeden Fall besser, als jetzt zurück ins Schloss zu gehen und mich all diesen Leuten zu stellen.
Meine Augen werden immer wie schwerer und irgendwann kann ich gar nichts mehr dagegen machen und sie fallen endgültig zu.
Der letzte Gedanke, bevor ich einschlafe, gilt Xayra... wer hätte es gedacht.

Wie findet ihr das Kapitel?
Was haltet ihr vom König?
Wie wird es weiter gehen?
Wie wir Xayra reagieren, falls Drake sie morgen wirklich aufsucht?
Ich freue mich auf eure Kommentare! ❤️

XayraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt