Drake
You come to love not by finding the perfect person, but by seeing an imperfect person perfectly.
– Sam KeenEs geht mir besser. Dank meinem Sonnenschein. Sie ist die letzten Wochen nicht von meiner Seite gewichen und war immer für mich da. Ich dachte, dass ich mit Vincent meine einzige Familie verloren habe, dabei hat sie mir klar gemacht, dass ich immer noch sie habe.
Xayra ist jetzt meine Familie.
Ich brauche sie...
„Du wirst mich nicht verlasse, oder?" frage ich sie plötzlich mit einer Verletzlichkeit, die für mich ganz untypisch ist. Überrascht sieht sie zu mir auf.
„Nein, ich werde dich niemals verlassen." verspricht sie mir. „Wir haben doch Pläne. Hast du schon vergessen? Wir wollen unser Leben richtig leben nachdem das hier alles vorbei ist." sagt sie und lächelt mich vorfreudig an.
„Ja, wir werden nur noch das machen, was uns gefällt." stimme ich ihr zu und lege meinen Arm um ihre Schulter.
„Ich liebe dich." sage ich und küsse sie sanft auf ihre Stirn. In letzter Zeit habe ich das Bedürfnis ihr meine Liebe so oft wie nur möglich zu gestehen, zum Teil sicherlich weil ich weiss, dass sie die Worte erwidern wird.
„Ich liebe dich auch und du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich auf unsere gemeinsame Zeit freue." meint sie und sieht mich dabei mit funkelnden Augen an.
Ich muss lächeln. Sie seht so unglaublich niedlich aus.
Ich weiss, dass Xayra ihr ganzes Leben lang in diesen Konflikt zwischen Rebellen und Regime verwickelt war. Sie hatte keine normale Kindheit, sondern wurde zum Kampf ausgebildet. Sie hat ihre Pflichten erfüllt und Aufträge erledigt. Selten bis nie hatte sie dabei Zeit für sich selbst. Sie konnte nie ausgehen, tanzen oder sich ganz normal mit Freundinnen treffen. Doch wenn das alles fertig ist, werde ich ihr helfen zu entspannen und spass zu haben.
Immerhin bin ich ein Meister darin. Das kommt nun mal von der jahrelangen Übung.
„Keine Sorge mein Sonnenschein, ich werde dir zeigen wie man ein Leben in vollen Zügen geniesst." versichere ich ihr grinsend.
„Versprochen?" fragt sie. Ich nicke.
„Natürlich."
Sie will gerade etwas sagen, als Margret schwer atmend vor uns stehen bleibt.
„König... in Korelano... entkommen.... Aufbruch." keucht sie mit den Händen auf ihre Knie gestützt und immer noch nach Luft ringend.
„Der König ist aus der Hauptstadt entkommen?" fragt Xayra sofort angespannt nach.
Margret hält einen Finger hoch und wir warten ungeduldig bis sie endlich wieder normal Atmen und sprechen kann.
„Einer der Suchtrupps hat ihn gefunden zusammen mit einigen seiner Anhängern. Offenbar hat er doch noch mehr Unterstützer, als wir gedacht haben. Er konnte entkommen und verbarrikadiert sich momentan in Korelano." erklärt sie nochmals, aber dieses Mal mit mehr Worten und verständlicher. „Und was werden wir jetzt machen?" frage ich durch zusammengebissene Zähne. Ich hasse es, dass dieser Mann immer noch auf freiem Fuss ist, nachdem er Vincent getötet hat.
Ich ziehe Xayra naher an mich ran und vergrabe mein Gesicht in ihren Haaren.
Ich atme ihren beruhigenden Duft ein und entspanne mich wieder ein wenig.
Was würde ich nur ohne meinen Sonnenschein machen?
„Charles und die anderen wollen hier die Lager zusammenräumen und den König verfolgen, bevor er zu einem Gegenschlag ausholen kann. Wir werden ihn in Korelano verhaften und zurück in die Hauptstadt bringen, um in dann hier zu verurteilen und wegzusperren." erklärt sie.
Ich nicke einverstanden.
Ich finde jeden Plan gut, der damit endet, dass Gregory Beaufort für den Rest seines Lebens in einer Zelle verrottet.
„Gut, somit geben wir ihm nicht die Zeit um sich seinen Platz als König doch noch irgendwie zu sichern." sagt auch Xayra zustimmend.
„Wann geht es los?" will ich wissen und sehe die schwarzhaarige Frau vor mir fragend an.
„Heute Abend." antwortet sie mir.
„Deshalb bin ich auch so schnell wie möglich gekommen. Wir brauchen eure Hilfe bei den Vorbereitungen zum Aufbruch." fährt sie fort und deutet uns ihr zu folgen.
Gemeinsam laufen wir zurück zum grossen Marktplatz, wo bereits hunderte von Menschen herumschwirren und ihre Sachen packen.
Sobald wir den Platz betreten haben, bekommen wir von Mitchell auch schon eine Aufgabe zugeteilt. Ich helfe dabei die Wagen mit Proviant und weiterer Ausrüstung zu beladen und Xayra hilft beim Packen.
Ich schleppe gerade eine grosse Kiste mit gepökeltem Schinken zu einem der Wagen, als ein Mann mit einem grossen Sack in den Händen zu mir aufholt.
„Prinz Drake?" fragt er neugierig und mit einer gewissen Aufregung in der Stimme.
Ich schüttle den Kopf.
„Gregory Beaufort ist nicht mehr König, das heisst auch, dass ich bin kein Prinz mehr bin." sage ich in einem neutralen Ton.
Es ist ja nicht so, als würde ich meinen Titel irgendwie vermissen.
„Oh aber da irren Sie sich. Ihr Vater ist immer noch König und er wird es auch weiterhin bleiben." sagt er mit einem stolzen Grinsen auf den Lippen.
Zum ersten Mal, seit er neben mir läuft, drehe ich meinen Kopf in seine Richtung, um ihn genauer anzusehen. Er war klein und recht rundlich. Er hat eine Halbglatze und ist überdurchschnittlich gut gekleidet. Wahrscheinlich ein Adliger.
„Ich weiss, dass ihr Vater sie als Spion hier eingesetzt hat, um ihm Informationen zu beschaffen und natürlich zu ihrer eigenen Sicherheit." sagt der ältere Mann leise und mit einem schelmischen Funkeln in den Augen, wie ein kleiner Junge, der in ein Geheimnis eingeweiht wurde, dass sonst niemand kennt.
„Wie kommst du darauf?" frage ich vorsichtig nach.
„Der König meinte, dass ich seinen Informanten erkenne würde, sobald ich ihn sehe und ihr seid sein Sohn, natürlich müsst ihr sein Spion sein." erklärt er mir.
Interessant...
Weiss dieser Mann ernsthaft nicht, dass ich meinem Vater schon längst den Rücken zugekehrt habe?
„Hast du eine Nachricht zu überbringen?" frage ich, ohne seine Behauptung, ich sei der Spion zu widerlegen oder zu bestätigen.
„Seine königliche Majestät will, dass ihr wisst, dass er seinen Plan dennoch fortsetzten wird und wir nur dafür sorgen sollen, dass genug Menschen nach Korelano kommen, die er für sein Ritual verwenden kann und sie sollen ihren Auftrag ausführen."
Ich schlucke schwer und muss mich beherrschen ruhig zu bleiben. Dieser Bastard will seine hirnrissige Idee, hunderte von Menschen für das ewige Leben zu opfern, immer noch durchziehen!
„Danke für die Botschaft." sage ich so normal wie nur möglich.
„Es war mir eine Ehre der königlichen Familie zu dienen. Lang lebe König Gregory Beaufort und sein Thronfolger Prinz Drake!" verkündet er stolz und verbeugt sich leicht vor mir. Ich stelle die Kiste in einen der Wagen und er legt den Sack gleich daneben.
„Wie lautet dein Name?" frage ich den Mann, als er sich gerade mit einer weiteren Verbeugung von mir entfernen will.
„Lord Jameson." antwortet er mir.
„Nun Lord Jameson, mein... Vater hat mir ebenfallseinen Auftrag gegeben, sobald ich einen seiner Boten treffe.» erkläre ich und deute Lord Jameson mir zu folgen.
„Oh, das wusste ich gar nicht." meint er und läuft aufgeregt hinter mir her.
„Ich wollte noch mein Beileid aussprechen, zum Tod von Prinz Vincent. Es muss hart sein, dass die Rebellen allen glauben machen wollen, unser König hätte seinen eigenen Sohn umgebracht, wobei es doch ihr eigener, verlogene Anführer war." sagt Jameson nach einer Weile, in der wir einfach nur geschwiegen haben.
Ich balle meine Hände zu Fäusten.
Wenn dieser Mann wüsste, wie sehr ich mich gerade beherrschen muss, um nicht die Kontrolle zu verlieren...
Ich frage mich nur, ob Gregory diese Lügen verbreitet hat oder sich dieser Idiot das alles selbst zusammengereimt hat?
„Danke." presse ich durch zusammengebissenen Zähnen hervor.
Gemeinsam laufen wir durch die engen Gassen des Salix-Viertels. Dabei labert Lord Jameson ununterbrochen davon, wie grossartig der König ist, sodass ich schon meinen Brechreiz unterdrücken muss.
Als wir vor dem Haus der Atkins ankommen, blickt sich Jameson verwirrt um.
„Wo sind wir hier?" fragt er skeptisch und mustert mich plötzlich ganz misstrauisch.
Wow... dieses Mistrauen kommt nicht gerade früh.
„Wieso hat König Gregory eigentlich dich ausgewählt, um seine Nachrichten zu übermitteln?" frage ich, ohne ihm eine Antwort zu geben.
„Naja ich würde ja gerne sagen, dass er mich wegen seinem Vertrauen zu mir ausgewählt hat, aber ich war die einzige Person, die zur Verfügung stand."
Ich nicke verstehend. Das macht Sinn.
Obwohl es mich immer noch erstaunt, dass er diesen Idioten losgeschickt hat, selbst wenn er keine andere Wahl hatte.
Mit solchen Boten ist es doch vorprogrammiert, dass alles schief geht.
„Mein Prinz?" fragt mich der Idiot und reisst mich somit aus meinen Gedanken.
„Was?"
Mir fällt gerade auf, dass ich in letzter Zeit meinen Mitmenschen so gut wie immer zugehört habe und nicht mit den Gedanken abgeschweift bin. Ich würde das mal als Fortschritt bezeichnen, auch wenn ich es gerade wieder kaputt mache.
Aber das zählt nicht!
Lord Jameson ist ein kompletter Vollpfosten, ihm kann man gar nicht richtig zuhören, selbst wenn man es angestrengt versuch!
„Prinz Drake?" fragt Jameson erneut und diesmal mit mehr Nachdruck.
„Ja?"
Er betrachtet mich einen Moment, um herauszufinden, ob ich ihm dieses Mal tatsächlich zuhöre.
„Ich fragte, wohin sie mich bringen." wiederholt er seine Frage zum keine Ahnung wievieltem Mal.
„Wir sind bereits da." sage ich grinsen und deute auf die Tür zu Xayras Haus.
„Und was ist hier genau?" fragt er unsicher und betrachtet das doch eher heruntergekommene Haus mit Argwohn.
Gott, ein Wunder, dass dieser Typ nicht schon längst weisst, dass meine Loyalität nicht meinem Vater gilt...
Ich deute ihm mir zu folgen und gehe mit ihm zusammen ins Wohnzimmer. Dort sind Charles und einige der Anführer der Truppen über eine Karte gebeugt. Sie sehen alle neugierig auf, als ich mit dem Fremden den Raum betrete.
Sofort alarmiert, weicht Jameson einen Schritt von den Rebellen zurück.
„Was hat das zu bedeuten?" fragt er beinahe schon panisch und betrachtet den Anführer der Rebellen mit grossen Augen.
„Oh habe ich dir nicht gesagt, dass ich für die Rebellen arbeite und dich ihnen übergebe, damit sie dich in eine der Zellen werfen können?" frage und schlage mir ich gespielt schockiert die Hand vor den Mund. „Manchmal bin ich echt vergesslich." füge ich noch unschuldig lächelnd hinzu.
„Aber... aber..." stottert der Lord und taumeln ein paar Schritte zurück.
„Sie sind der Prinz von Aronia!" wirft er mir schon fast vor und zeigt anklagend mit dem Finger auf mich.
„Tja zum Glück definiere ich mich nicht dadurch als was und wo ich geboren wurde." sage ich grinsend und packe ihn am Arm, um ihn zu den Rebellen zu bringen.
„Er arbeitet für den König und hat einige Informationen überliefert." erkläre ich kurz und knapp bevor ich ihn in die Arme zweier muskulösen Männer schubse.
„Was für Informationen?" fragt Charles während er den vor Angst zitternden Lord mustert.
Ich fasse kurz zusammen, was mir der Idiot in der letzten Stunde alles erzählt hat und die Rebellen hören mir aufmerksam zu. Nach meiner kleinen Rede wird der Lord abgeführt und die übrigen Anwesenden beugen sich wieder über die Karte.
„Er will dieses hirnverbrannte Ritual also tatsächlich durchführen." murmelt Charles wütend und umkreist mit einem Stift Korelano.
„Dafür muss er doch diese komischen Formen bauen, nicht wahr?l will jemand wissen.
„Genau! Das kann er doch unmöglich in dieser kurzen Zeit hinbekommen, hier im Salix-Viertel hat er Monate an diesen Türmen, Kanäle und Häusern gebaut." stimmt ihm jemand zu.
„Es geht weniger drum, wie die Formen dargestellt sind, sondern dass sie überhaupt existieren. So weit ich weiss, kann er auch einfach Steine aneinanderreihen und so die Linien darstellen." sage ich.
„Das heisst, wir müsse noch viel vorsichtiger sein also sowieso schon." meint plötzlich eine Frau.
„Ja, der König wird darauf aus sein, dass möglichst viel Blut vergossen wird."
Wir nicke alle zustimmend.
Ein nachdenkliches Schweigen erfüllt den Raum. Die nächste Schlacht in ein paar Tagen wir um einiges Blutiger, als die letzte. Da sind wir uns wohl alle einig. Dabei haben wir schon in der letzten sehr viele Mitstreiter verloren und obwohl wir jetzt nochmals Verstärkung bekommen haben, wird dieser Kampf bestimmt nicht einfacher... plötzlich muss ich an Xayra denken.
Dieser Kampf wird mehr als nur gefährlich und ich könnte es nicht ertragen sie auch noch zu verlieren. Schon nur der Gedanke daran, lässt mich verzweifeln. Ich werde nicht zulassen, dass meinem Sonnenschein irgendetwas passiert. Sie wird auf jeden Fall an der Seite aller anderen Rebellen kämpfen, das lässt sich nicht verhindern. Aber ich werde dafür sorgen, dass ihr nichts geschieht... auch wenn es das letzte ist, was ich tun werde.

DU LIEST GERADE
Xayra
Teen FictionSie ist stur, zielgerichtet, vorausdenkend und pflichtbewusst. Sie ist eine Rebellin, die für die Freiheit gegen das Regime kämpft. Er ist sorglos, charmant, selbstverliebt und provokant. Er ist der Prinz des Königreiches. ...