Teil 27

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Viel Spass bei der Lesenacht und dem Finale von „Xayra"

Xayra

Leadership is about taking responsibility, not making excuses.
-Mitt Romney

Ich kümmere mich um den letzten Wachen und drehe mich dann zu den anderen um.
Wo ist der König?
Verwirrt schaue ich mich im Raum um. Dann landen meine Augen auf Drake und jegliche Gedanken an den König sind wie ausgelöscht.
Ich sehe wie er am Boden kniet mit Vincent auf seinem Schoss. Die klaffende Wunde in seiner Brust sieht ganz und gar nicht gut aus und auch die mitleidigen Blicke meines Vaters und Floyds geben mir eine Ahnung von dem, was passiert ist.
Verdammt!
Wieso habe ich diesen Drecksack nicht früher erledigt?
Schnell renne ich zu Drake und knie mich neben ihn auf den Boden.
„Drake..." hauche ich und streiche ihm sanft die Tränen von den Wangen.
„Er ist tot..." murmelt er und sieht abwesend auf die Leiche seines Bruders. Vorsichtig drehe ich seinen Kopf in meine Richtung. Ich will etwas sagen, doch ich weiss nicht was.
Was würde den Schmerz über den Verlust seines Bruders schon im Geringsten lindern?
Anstatt also etwas zu sagen, ziehe ich ihn zu mir. Sofort schlingt er seine Arme ebenfalls um mich und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren.
Floyd und mein Vater beugen sich runter und tragen Vincents Leiche vorsichtig weg von uns. Wir werden ihn mit aller Ehre und Würde beerdigen, die ihm zusteht.
Mit einer Hand streiche ich Drake über den Rücken und mit der anderen fahre ich ihm beruhigend durchs Haar.
„Er war immer da und jetzt ist er weg..." schluchzt er leise.
„Nein, er ist nicht vollständig weg, Drake. So lange noch jemand an ihn denkt, wird er weiterleben. Er wird immer bei dir sein." verspreche ich. Daraufhin sagt er nichts, sondern presst mich einfach dichter an sich. „Dein Bruder hat dich geliebt." versichere ich ihm.
Ich spüre wie er nickt.
„Ich ihn auch..."

Vor einer Woche war Vincent Beauforts Beerdigung. Nachdem die Bevölkerung von Aronia erfahren hat, dass der Kronprinz für sein Volk seinen eigenen Vater verraten hat und im Kampf gegen ihn gestorben ist, strömten hunderte, trauernde Menschen in die Hauptstadt, um dort Abschied von ihrem Prinzen zu nehmen.
Wir haben die Pläne des Königs offengelegt und das Volk ist sowohl entsetzt als auch wütend. Gregory Beaufort konnte zwar durch einen Geheimgang entkommen und ist seitdem verschwunden, doch er wird sich nicht lange verstecken können. Die Grenzen der Stadt sind verriegelt und die Zahl seiner Verbündeten und Unterstützer im Volk ist stark gesunken.
Der Rat des Königs und alles Restliche, was mit seiner Regierung zu tun hatte, ist weg.
Nun fehlt nur noch der König selbst.
Drake ist seit dem Tod seines älteren Bruders nicht mehr ins Schloss zurückgekehrt. Zuerst wollte er einfach nur eine Zeit alleine sein. Ich weiss nicht, wohin er genau verschwunden ist, aber er ist erst zwei Tage später, pünktlich zu Vincents Beerdigung, wiederaufgetaucht und seither wohnt er bei uns.
Wie einige Wochen zuvor sitzen alle wichtigen Leute der Rebellion in unserem Wohnzimmer. Dieses Mal ist aber auch Drake dabei. Ich hab ihm versichert, dass er nicht anwesend sein muss, wenn es ihm zu viel ist, doch er bestand darauf.
Er sitzt in einer Ecke auf einem der Sessel und ich sitze auf seinem Schoss. Seit er wieder da ist, hat er sich keine Minute lang zu weit von mir entfernt. Aber das ist mir mehr als nur recht. Ich will vor allem in dieser Zeit nicht von ihm getrennt sein. Ich will bei ihm sein und versuchen ihm den Trost zu spenden, den er braucht.
Die anderen diskutieren gerade darüber, wo man die Mittel herbekommen soll, um die östlichen und nördlichen Truppen weiterhin ausreichend zu versorgen, doch ich höre nicht wirklich zu, stattdessen konzentriere ich mich auf die sanften Küsse, die Drake auf meinem Hals und meiner Schulter verteilt.
„Ihr habt also keine Ahnung, wo sich der König verstecken könnte?" wendet sich Aubery, die Truppenführerin der südlichen Einsatzgruppen, plötzlich an Drake.
Sofort sind alle Augen auf uns gerichtet.
„Wenn ich es wüsste, hätte ich es euch schon längst gesagt." meint Drake leicht genervt. Obwohl die meisten ihn als Verbündeten akzeptiert haben, gibt es immer noch viele, die an seiner Aufrichtigkeit zweifeln.
„Ich weiss nur, dass er ziemlich viele loyale Anhänger im Westen hat. Es könnte sein, dass er irgendwie versucht, diese zu mobilisieren." fügt er dann noch hinzu.
„Du meinst also er bräuchte einen Ort, von dem aus er Nachrichten verschicken kann?" fragt ein glatzköpfiger Mann. Ich glaube, dass das der Leiter der nördlichen Truppen ist, die vor zwei Tagen hier angekommen ist.
Drake zuckt mit den Schultern. „Kein Ahnung, der Mann ist verrückt ich weiss nicht, was in seinem Kopf vorgeht." erwidert er.
Es herrscht einen Moment stille, bevor alle wieder anfangen zu Diskutieren und laut nachzudenken.
Ich bemerke, wie angespannt Drake auf einmal ist. Verwirrt sehe ich ihn an. „Was ist los?" flüstere ich in sein Ohr und streiche ihm sanft mit beiden Händen durch seine Haare.
„Ich muss gleich noch etwas klären." sagt er knapp und betrachtet mich nachdenklich.
„Was denn?" frage ich neugierig.
„Hab Geduld." meint er und ich verdrehe nur die Augen, was ihm zum grinsen bringt.
Ich habe dieses Grinsen in den letzten Tagen echt vermisst...
„Ich liebe dich, mein Sonnenschein." sagt er plötzlich und zieht mich an der Hüfte dichter an sich ran.
„Ich liebe dich auch, Drake." erwidere ich lächelnd bevor ich meine Lippen auf seine lege. Es ist ein sanfter Kuss, der ihm zeigen soll, wie aufrichtig meine Gefühle ihm Gegenüber sind. Ich bin froh, dass es ihm soweit wieder gut geht, dass er wieder Lächeln und Grinsen kann. Der Tod seines Bruders hat ihn verständlicherweise ziemlich mitgenommen und er wird wahrscheinlich noch lange darunter leiden. Ich liebe ihn und ich werde nicht zulassen, dass er in diesen Schmerzen und der Trauer versinkt und sich dadurch selbst verliert. Auch werde ich nicht zulassen, dass er sie unterdrückt und daran zerbricht. Ich werde ihn so gut es geht unterstützen und ihm beiseite stehen.
Als wir uns wieder von einander lösen, ist der Raum gerade verhältnismässig ruhig. Dies nutz Drake, um dieses Etwas zu klären.
„Charles, ich wollte bezüglich Gregory Beaufort noch etwas mit dir besprechen." sagt er in die Stille hinein. Augenblicklich ist wieder jegliche Aufmerksamkeit auf uns gerichtet.
„Was hast du zu sagen, Drake?" fragt mein Vater. «Ich will nicht, dass ihr den König tötet.» Ein verständnisloses und verwirrtes Raunen geht durch die Menge und auch ich sehe Drake fragend an.
„Nun... was erwartest du dann von uns?" will Vater wissen.
„Sollen wir ihn etwa frei lassen?" Fragt jemand und ein anderer ruft wütend: „Das hat man davon, wenn man den Bengel des Königs bei den Rebellen aufnimmt."
Ich werfe den zweien, die gesprochen haben, böse Blicke zu.
„Lasst ihn aussprechen!" sage ich verärgert, was weitere Kommentare verhindert.
Leicht lächelnd drückt Drake dankend meine Hand.
„Ich will, dass man ihn einsperrt und zur Verantwortung zieht. Er soll Gerichtverfahren bekommen und den Menschen erklären, wieso er ihnen all das angetan hat. Er soll offenlegen, wieso er plante so viele Menschen zu opfern, wieso er die grössten Teile Aronias jahrelang hat hungern lassen und sich nie um die Armen und Kranken gekümmert hat. Er soll verdammt nochmal einmal in seinem verfluchten Leben die Verantwortung für seine Taten übernehmen!" erklärt Drake und wir zum Ende hin immer lauter. Man kann in seiner Stimme deutlich den Hass gegenüber seinem Vater hören.
„Der Tod wäre nur eine Gnade, die er nicht verdient hat. Er soll den Rest seines Lebens in einer Zelle verrotten und über seine Taten nachdenken." fügt er mit einem bitteren Ton hinzu.
Niemand sagt ein Wort.
Alle schauen Drake überrascht, verwirrt odernachdenklich an. Langsam nickt mein Vater mit dem Kopf. „Ich denke, du hast recht. Wir sollten ihn nicht einfach töten, sondern zur Verantwortung ziehen. Er soll mit seiner Schuld leben." sagt er zustimmend und ich weiss, dass Vater bei den letzten Worten auch an die Schuld denkt, dass der König seinen eigenen Sohn kaltblütig ermordet hat.
Er wendet sich an die anderen im Raum. „Hat jemand etwas gegen diesen Vorschlag einzuwenden?" fragt er, schliesslich ist er kein König. Er muss und will die Meinung unserer Verbündeten einholen und berücksichtigen. „Ich denke, es könnte leichtsinnig sein, den König am Leben zu lassen." gibt ein braunhaariger Mann zu bedenken.
„Nicht wenn wir es richtig machen." argumentiert die Frau, die direkt neben ihm steht. Einige murmeln zustimmend, wiederum andere wirken kritisch.
„Wir sollten darüber abstimmen." schlägt Mitchell vor und alle nicken zustimmend.
„Gut, wer ist dafür, dass wir den König töten?" fragt mein Vater und einige heben die Hand. Nach einer Weile heben weiter Personen ebenfalls zögerlich die Hand. Mit jeder Person spannt sich Drake etwas mehr an. Ich greife nach seinen Händen und mahle mit meinem Daumen beruhigend Kreise auf seinen Handrücken. Er entspannt sich wieder etwas und legt seinen Kopf auf meine Schulter.
„Wer ist dafür dem König am Leben zu lassen und ihn stattdessen einzusperren." Sofort heben Drake und ich unsere Hände in die Lauft. Auch Floyd, mein Vater und Mitchell stimmen für diese Option. Einen Moment lang sieht es so aus, als seien wir deutlich in der Unterzahl, doch dann heben noch weitere Leute ihre Hände. Ich seufze erleichtert auf, als ich bemerke, dass wir nun die Mehrzahl haben.
„Dann ist es beschlossen. Wir werden allen Bescheid geben, dass sie Gregory Beaufort nicht töten, sondern verhaften sollen, sobald ihn jemand gefunden hat." verkündet mein Vater und Drake nickt zufrieden.

Hättet ihr gewollt, dass der König stirbt oder findet ihr es gut, dass sie zur Verantwortung ziehen wollen?
Denkt ihr sie werden ihn überhaupt finden?
Das ist der erste von insgesamt fünf Teilen!
Vergesst nicht zu voten und zu kommentieren! ❤️

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